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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Beyer, C.: Zum fünfzigjährigen Romjubiläum von Joseph von Kopf
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Friedrich Schlie

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zerstreut aufgestellten Schätze nunmehr in dem neuen
Museum unterzubringen.

Wie Schlie bis zu diesem Zeitpunkte an seiner
Ausbildung gearbeitet hatte und aus einem Forscher
ein wirklicher Kenner geworden war, wie er seinen
Blick geschärft und sein Auge geschult hatte, beweist
sein »Beschreibendes Verzeichnis der Werke älterer
Meister in der Grossherzoglichen Gemäldegalerie in
Schwerin, 1882.« Was Ausführlichkeit, Kritik und
Quellenforschung anlangt, so war dieses Werk, das
sämtliche handschriftliche Bezeichnungen, die auf den
Gemälden vorkommen, faksimiliert wiedergiebt, das
erste seiner Art in Deutschland, es machte den Ver-
fasser rasch in der Kunstwelt bekannt und erhob ihn
auf dem bestimmten Gebiete zur Autorität. Das
Museum in Schwerin, dessen Sammlungen bisher
wenig beachtet waren, wurde seitdem viel von For-
schern, vor allem von niederländischen, besucht,
waren doch den letzteren durch Schlie sichere Nach-
richten über manche Maler gegeben, über die in den
Museen von Holland und Belgien bisher noch völlige
Unklarheit geherrscht hatte. Jeder Besucher der Samm-
lungen wird aber auch das vorzügliche Anordnungs-
talent Schlie's haben anerkennen müssen.

Mit ähnlichem Eifer strebte Schlie darnach, sich
in die übrigen seiner Obhut anvertrauten Sammlungen,
insbesondere in die des Kunstgewerbes, einzuleben,
weite Reisen zum Vergleichen und Studieren voll-
endeten seine Ausbildung, er führte eine rege Feder
für Kunstzeitschriften, und seine Artikel waren stets
klar, gründlich und sachgemäss, so dass man seine
Kennerschaft in Stockholm wie in Antwerpen, in
Kopenhagen wie in Amsterdam anerkannte, sehr oft
wurde er in der Folge als Sachverständiger von ver-
schiedensten Seiten und entlegenen Städten aus in
Anspruch genommen.

Er hatte nichts vom niederdeutschen Phlegma,
im Gegenteil er war ein leicht erregter, impulsiver
Charakter. Seine Begeisterung für alles Schöne und
Gute konnte ihn oft hinreissend reden lassen, über
den Unverstand brach er rücksichtslos heraus, es
dauerte gar nicht lange, bis es bei ihm blitzte und
donnerte, und er Hess sich, wie der Mecklenburger
sagt, nichts bieten. Zuweilen stiess er wohl hier-
durch an, zuweilen verletzte er. Aber man muss es
ihm zur Ehre sagen, dass er sich bemühte, seine
Fehler zu erkennen und wieder gut zu machen. An
behaglicher Tafel, mitten in anregender Geselligkeit
war er bereit, sich rückhaltlos zu geben, und dann
kamen äusserst liebenswürdige Seiten an ihm zum
Vorschein. Dass er den Humor und die Läuschen
liebte, braucht von einem Landsmanne Fritz Reuter's
kaum gesagt zu werden.

Im Jahre 1884 Hess Schlie ein »Beschreibendes
Verzeichnis der Werke neuerer Meister in der Gross-
herzoglichen Gemäldegalerie« erscheinen, das ähnlich
angelegt war, wie das obige Werk, 1887 beschrieb
er die Gipsabgüsse antiker Bildwerke daselbst und
gab ganz ausgezeichnete Erklärungen dazu, die wegen
ihrer Klarheit und Flüssigkeit und Gründlichkeit
mustergültig genannt werden können. Auch mögen

hier noch einige Einzelabhandlungen erwähnt werden,
die er im Buchhandel erscheinen Hess: Darstellung
des troischen Sagenkreises auf den etruskischen Aschen-
kisten 1867. Aufnahme der Kunstgeschichte in den
Lehrplan der Gymnasien 1875. Altarwerk der beiden
Brüsseler Meister Jan Bormann und Bernaert von Orley
1883. Hervorragende Gemälde niederländischer Meister
der Galerie Weber in Hamburg 1891. Alt-Meissen
in Schwerin 1893. Denkmal des Grossherzogs Fried-
rich Franz II. 1893. N. Knüpfer und einige seiner
Gemälde, Beitrag zur Elsheimer Frage 1896. Ham-
burger Meister von 1435, 1897. Das Hauptwerk
seines Lebens »Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler
des Grossherzogtums Mecklenburg-Schwerin nahm er
erst in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
in Angriff. Er betrat damit ein ihm ungewohntes
und vielfach noch unbekanntes Gebiet, so fehlte ihm
z. B. noch die Kenntnis der Einzelheiten, die zu
einer guten Baubeschreibung unerlässlich ist, fast
vollständig. Mit seiner gewohnten Energie und
Gründlichkeit vertiefte er sich in das neue Studium,
beschränkte sich nicht auf die Erforschung der Bau-
geschichte jedes Denkmals, sondern zog zum Ver-
ständnis stets die Ortsgeschichte heran und reiste als
Forscher, unermüdlich durch das Land. Es wird
wenige Dörfer in Mecklenburg geben, die er nicht
selbst besucht hat, ja, er ist in den meisten Orten
zwei-, dreimal gewesen, weil ihm seine Forschungen
immer noch nicht gründlich genug schienen. Höchst
ergötzlich war es, ihn in seinem Verkehr mit den
verschiedenen Ständen auf solchen Reisen zu be-
obachten. Dem zaghaft-neugierig herantretenden Küster
war er der willige Lehrer, der dafür sorgte, dass
spätem Besuchern das wirklich Sehenswerte in rechtem
Lichte gezeigt werden konnte, dem Arbeiter oder
Bauern entlockte er durch seine humorvollen Ge-
spräche gemütliches Lachen, die Überhebung eines
Rittergutsbesitzers stiess auf das Selbstbewusstsein des
Gelehrten, der seine Überlegenheit sehr bald auf-
drückte, einem rechten Adligen war er der Mann,
der sich viel am Hofe bewegte, der Ungefälligkeit
gegenüber wurde er grob und das von Herzen.
Während der Fahrten von einem Orte zum andern
konnte den Freund der niederländischen Schule der
Anblick einer buntgescheckt auf grünem Grunde ge-
lagerten Kuhherde begeistern, dann redete er von
seinen Reisen in Frankreich und England, Holland
und Schweden in der anziehendsten Weise. So
streute er überall Anregungen aus, wie viele davon
vertrockneten, wie viele Wurzel fassten, wird sich
freilich niemals feststellen lassen. Der erste Band
obigen Werkes, der im Jahre 1896 erschien, fand sofort
durch Deutschland hin an massgebenden Stellen rück-
haltlose Anerkennung, der fünfte und letzte Band
kam 1902 heraus.

Es hat ihm nicht an Anerkennungen bei Lebzeiten
gefehlt, ihn ehrten Titel und Orden, er war korre-
spondierendes Mitglied des archäologischen Institutes
in Rom und Berlin und gehörte dem ständigen Aus-
schluss des internationalen kunsthistorischen Kongresses
an. Zur Zeit planen seine Freunde die Aufstellung
 
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