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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Die Neuordnung der Dresdner Porzellansammlung
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Die Neuordnung der Dresdner Porzellansammlung

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Stellung möglich: sie hätte zu allzu ungleichen Gruppen
geführt. Deshalb wurde der technische Gesichtspunkt in
den Vordergrund gestellt, und es hat sich erfreulicherweise
dabei eine Aufstellung nach ästhetischen Gesichtspunkten
von selbst ergeben. Innerhalb der technischen Gruppen
ist die historische Anordnung nach Möglichkeit gewahrt.
Sehr wesentlich ist, dass Dr. Zimmermann dabei die guten
Einzelerzeugnisse von der Dutzendware für die Ausfuhr
scharf getrennt und dass er die ganz hervorragenden Stücke
möglichst für sich aufgestellt hat.

China ist bekanntlich das erste Land, wo Porzellan
fabriziert worden ist. Man setzt nach neueren Forschungen,
durch welche frühere berichtigt wurden, die Erfindung des
Porzellans in das 9. Jahrhundert; die Blüte des chinesischen
Porzellans fällt in die Zeit um 1700; um 1520 wurde die
Fabrikation des Porzellans nach Japan verpflanzt. Aus
der mittelalterlichen Zeit besitzt die Dresdner Sammlung,
wie Dr. Zimmermann durch Vergleich mit den Dr. Hirth-
schen Stücken im Gothaischen Museum festgestellt hat, drei
Schalen, die als die ältesten Zeugnisse der Porzellankunst
im Dresdner Museum natürlich einen bedeutenden Wert
besitzen. Sehr kostbare Stücke sind sodann zwei dünn-
wandige Laternen mit Scenen aus dem Fischerleben und
zierlichem Rankenwerk in ungewöhnlich feiner Malerei
(Schrank 15 i). In keiner anderen europäischen Sammlung
findet man derartige Beispiele des Eierschalenporzellans,
das hervorgegangen ist aus dem Streben, den Scherben
des Porzellans möglichst dünn herzustellen. Einige nicht
minder seltene Stücke: ein grosser Teller mit Frauen im
Garten (Schrank 13 h) und vier Cylindervasen mit gross
gehaltenen Darstellungen aus dem chinesischen Familien-
leben (Estrade 19 a) sind so fein durchgeführt und so
überaus zart in der Farbenstimmung, wie es die meisten
den Chinesen überhaupt nicht zugetraut haben würden.
Ganz wertvoll ist sodann das korallenrote Porzellan
(Schrank 20). Etwa von einem einzelnen Stück abgesehen,
findet man es in anderen Sammlungen überhaupt nicht.
Dresden aber besitzt, abgesehen von einer Fülle einzelner
Gefässe, zwei ganze Sätze grosser korallenroter Vasen.
Ein vollständiger Satz Vasen, wie er bei den Chinesen
durchweg üblich und in der Dresdner Sammlung in zahl-
reichen Exemplaren vertreten ist, besteht aus fünf Vasen,
nämlich drei weitbauchigen gedeckelten Urnen und zwei
langen Bechern (Flöten); es sollen ausnahmsweise auch
Sätze zu sieben Stück vorkommen, zu den genannten fünf
Stück kämen dann noch zwei kleinere Gefässe.

Uberaus kostbare Stücke sind sodann vier Schalen
mit durchbrochenem Rand und zierlichen Blütenzweigen
in der Gruppe des Rosa-Porzellans (Pult 22 b); weiter
aber folgt in Schrank 24 und 26 die Prachtsammlung
kobaltblauer Vasen, von denen das Dresdner Museum
einen verschwenderischen, geradezu verblüffenden Reich-
tum besitzt. In der neuen Anordnung sind die einzelnen
Stücke nach ihrer Zusammengehörigkeit wirksam zu
Gruppen gefasst. Von den zahlreichen grossen Vasen,
Tellern und Kübeln — in anderen Sammlungen ist kaum
ein Stück vorhanden — müsste man ziemlich alle nennen,
wenn man ihrem Werte gerecht werden wollte. Wir
nennen nur die einzig dastehende Gruppe mannesgrosser
Monumentalvasen, die grössten Erzeugnisse chinesischen
Porzellans aus älterer Zeit (im Mittelgange). Darunter
sind auch jene hohen Vasen, welche König August der
Starke vom König Friedrich Wilhelm 1. im Jahre 1717 er-
hielt und die unter dem Namen Dragonervasen mehr ge-
nannt werden als sie in Wirklichkeit bekannt sind. Die
Erzählung, August der Starke habe dem preussischen
König dafür ein Regiment Dragoner überlassen, beruht
auf Erfindung und ist nie erwiesen worden. Alle diese

grossen Vasen sind übrigens, wie auch im Führer ange-
geben ist, zum grössten Teil für Europa besonders ange-
fertigt. Sie zeugen von der bedeutenden Leistungsfähig-
keit der chinesischen Keramiker und sind bisher in ihrer
Qualität noch von keiner Porzellanmanufaktur übertroffen
worden. Man gewinnt hier überhaupt mehr und mehr
den Eindruck, dass die chinesische Keramik doch wohl
die bisher höchste Äusserung künstlerischer Keramik über-
haupt sei.

An die chinesische schliesst sich im Verbindungs-
gang die japanische Abteilung: sie ist nach rein tech-
nischen Grundsätzen aufgestellt, die sich zugleich wieder
mit den ästhetischen völlig decken. Das Historische ist
beim japanischen Porzellan zum Teil sehr schwer fest-
zustellen. Herrlich kommen jetzt an den vorzüglich be-
leuchteten Wänden die zahllosen Teller und Vasen in
ihrer dekorativen Pracht zur Geltung. Wiederum ist
zwischen den besseren Stücken und der beim japanischen
Porzellan besonders verflachten Dutzendware scharf ge-
schieden. Durch die geschickte Trennung in zwei Haupt-
gruppen ist auch die frühere Eintönigkeit beseitigt und
sind eben die besten Stücke in das beste Licht gesetzt,
während die Dutzendware mehr magazinartig aufge-
stellt ist.

Aus der Menge tritt zunächst eine Reihe prachtvoller
kobaltblauer Teller hervor, die sich durch ausserordentliche
dekorative Wirkung auszeichnen, sodann (Nr. 90) der
schönste aller bisher bekannten japanischen Vasensätze
mit Bildern von Kranichen, Kiefern u. s. w., an denen
Bilder und Ornamentik mit grossem Feingefühl in Har-
monie gebracht sind.

Weiter folgt (in Schrank 59) die von Dr. Zimmermann
erst entdeckte und zusammengestellte Gruppe der roten
Porzellane, welche lauter einzige Stücke aufweist, wie sie
in anderen Sammlungen kaum vorkommen, sodann die
berühmte Gruppe der Alt-Imari-Porzellane in herrlichem
Blau und Rot. Schon bei ihrem Herüberkommen nach
Europa im Anfange des 18. Jahrhunderts galten diese
Porzellane für alt und als etwas ganz Besonderes: man
nannte sie damals alt-indianisch. Sie haben dem berühm-
ten Meissner Keramiker Herold, als er bei der Bemalung
des Porzellans zum japanischen Stil überging, als Vor-
bilder gedient. Gerade wegen dieser Bedeutung für die
Geschichte des Meissner Porzellans haben sie ein Recht,
einen besonderen Platz zu erhalten. Man kann noch heute
in der Sammlung die Vorbilder und die Nachahmungen
vergleichen. Die Alt-Imari-Gefässe gehören zu den farben-
prächtigsten Erzeugnissen des Porzellans, die überhaupt
vorhanden sind. Die Dresdner Sammlung besitzt wohl
die grössten und schönsten Stücke dieser Gruppe, die bis-
her bekannt sind.

Zu Seiten dieser Gruppe stehen noch die alten ja-
panischen Töpfereien mit geflossenen Glasuren, deren reiz-
volle Zufälligkeiten heute infolge der Schärfung unseres
Stilgefühls von Kennern wieder so hoch geschätzt und
von unseren bedeutendsten Keramikern mit Vorliebe nach-
geahmt werden.

Weitere interessante Stücke sind die Gefässe, wie sie
die Japaner für ihren eigenen Gebrauch angefertigt haben,
darunter Tassen, Schalen, Räuchergefässe u. a. Besonders
schöne Stücke finden sich in der roten Gruppe (57 b, 59 a),
namentlich eine grosse tiefe Schale mit blauen Scheiben
auf grünem Grunde, das älteste Stück dieser Gattung, und
einen besonders guten Platz am Fenster (58) haben ver-
dientermassen bei der Neuordnung erhalten 13 Kuchen-
und Fischteller in Form übereinandergelegter Blätter mit
stets anderen Pflanzendarstellungen. Sehr merkwürdig
sind sodann die grossen goldschimmernden Vasen mit
 
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