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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Voss, Georg: Der Tag für Denkmalpflege in Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0033

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Der Tag für Denkmalpflege in Düsseldorf

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Für eins der hervorragendsten Baudenkmäler der
ganzen österreichischen Monarchie, für den römischen
Kaiserpalast in Spalato, wird ein besonderes Gesetz
vorbereitet. Grosse Teile des Palastes sind durch
später hineingebaute Wohnungen, ja durch ganze
Strassenzüge des heutigen Spalato arg entstellt. Diesen
ausgedehnten Häuserkomplex, der einen Stadtteil für
sich bildet, will die österreichische Regierung jetzt
durch ein besonderes Enteignungsgesetz nach und
nach in ihren Besitz bringen und die Mauern des
alten Kaiserpalastes von allen störenden Zuthaten der
späteren Jahrhunderte befreien. Auflehnungen gegen
dieses Gesetz sollen mit hohen Geldstrafen von zehn-
bis zwanzigtausend Kronen verfolgt werden.

Auch besonders schöne oder durch ihre Bauwerke
ehrwürdige Landschaften ist man neuerdings bestrebt,
durch Gesetze vor allen störenden Zuthaten zu
schützen. Die Umgebung unserer alten Dome oder
ehrwürdiger alter Ruinen soll nicht mehr durch die
aufdringlichen Riesenplakate moderner Fabriken ent-
stellt werden. Ein eigenes Gesetz hat zu diesem
Behufe Preussen erlassen. Diesem Beispiel ist das
Grossherzogtum Hessen gefolgt. Derartige Bestim-
mungen zum Schutze landschaftlicher Schönheiten
werden von der grossen Menge der Bevölkerung
voraussichtlich mit weit lebhafterem Beifall begrüsst
werden, als die Gesetze zum Schutz der Kunstwerke.
Die Erfahrungen, welche die Behörden bei der Durch-
führung dieser Gesetze im Laufe der nächsten Jahre
sammeln werden, werden voraussichtlich von grossem
Nutzen sein für die Vorbereitungen von ähnlichen
Gesetzen zum Schutze der Bau- und Kunstdenkmäler.

Den Hauptinhalt der Verhandlungen des Kon-
gresses bildete die Beratung einer Anzahl von prak-
tischen Massregeln zur Konservierung der Denkmäler.
In einer Versammlung, in welcher eine so grosse An-
zahl von Konservatoren der Kunstdenkmäler, Museums-
direktoren, Architekten und anderen Künstlern vertreten
war, mussten diese Beratungen besonders erspriess-
lich werden. Auch die Restauratoren, welche an den
grösseren deutschen Galerien und Museen angestellt
sind, sollte man auf diese Kongresse schicken. Ge-
rade diese Männer würden manchen wichtigen Rat-
schlag erteilen können.

Hofrat Gurlitt-Drtsden berichtete über die bisher
üblichen Mittel, welche zur Konservierung und Wieder-
herstellung alter Bauwerke angewendet werden. Eine
sichere Methode, um Bauwerke dauernd der allmählichen
Zerstörung durch die Unbilden des Wetters zu ent-
ziehen, ist noch nirgends gefunden. Für immer er-
halten lässt sich kein Bauwerk. Je reicher der künstle-
rische Schmuck, desto schneller schreitet der Verfall.
Ein so erfahrenes Kunstvolk wie das japanische hat
daher folgenden Weg eingeschlagen: Neben den alten
Tempeln erbaut man in Japan eine treue Kopie des
alten Bauwerks. Man beginnt damit rechtzeitig, wenn
der künstlerische Schmuck des alten Tempels noch
deutlich erkennbar erhalten ist. Diesen Neubau lässt
man in Ruhe vollenden. Sobald die Kopie in allen
Teilen des künstlerischen Schmuckes dem Original
entspricht, bricht man den alten Tempel ab. Auf

diese Weise sucht man der Nachwelt wenigstens ein
treues Abbild der Bauwerke aus alter Zeit zu über-
liefern. Auf die Treue solcher Nachbildungen ist in-
dessen auch bei dieser anscheinend so gewissenhaften
Methode kein Verlass. Denn jede Zeit hat ihr anderes
künstlerisches Empfinden und kopiert die alten Meister
anders. Gerade den besten Künstlern laufen dabei,
selbst wider ihren Willen, die grössten Freiheiten unter.
Den besten Beweis dafür geben z. B. die Kopien, welche
Graf Schack von Meistern wie Lenbach vor fünfzig
Jahren ausführen liess. Kein ernster Kenner von heute
wird jetzt übersehen, in wie mancherlei Zügen sich
diese Kopien von den Originalen der alten Meister
unterscheiden.

Doch selbst wenn der künstlerische Eindruck
solcher Kopien vollkommen befriedigend ausfiele,
so würden noch immer die gewichtigsten Gründe
dagegen sprechen. Sind es denn allein künstlerische
Rücksichten, weshalb wir ein ehrwürdiges Bauwerk
aus alter Zeit zu erhalten suchen? Die deutschen
Kaiserpfalzen in Gelnhausen oder Goslar, die Rat-
häuser in den alten deutschen Städten, die Burgen
aus der Blütezeit des deutschen Rittertums oder die
romanischen und gotischen Dome sind uns ehrwürdig
als Marksteine unserer nationalen Entwickelung. Diesen
idealen Wert der ursprünglichen Bauwerke wird dem
deutschen Volke keine Kopie zu ersetzen vermögen.
Gerade Gurlitt ist nach seinen oft ausgesprochenen
Grundsätzen, ein lebhaftester Gegner des Kopierens
alter Bauwerke.

Bei der Restaurierung der Gebäude und Skulpturen
werden bei uns hauptsächlich folgende Methoden be-
folgt: Man kratzt die unansehnlich gewordene Ober-
fläche ab. Dabei geht von der Feinheit der Ornamente
vieles verloren. Die Schatten Wirkung der Gesimse
wird verändert. Völlig ruiniert wird dadurch meist
die anziehende malerische Wirkung der alten Bauten.
Die Steine bekommen von oben bis unten eine gleich-
förmige Farbe. Der verschönernde Schimmer, den
Wind und Wetter der Jahrhunderte den Steinen ge-
geben haben, wird geopfert. Warnende Beispiele da-
für sind meines Erachtens die Restaurierung der
Elisabethkirche in Marburg und der alten Teile des
Kölner Domes. Der Reiz einer malerischen Stimmung
ist diesen beiden Gebäuden grossenteils verloren ge-
gangen. Auch der künstlerischen Wirkung der herr-
lichen Ztac&sfe/ßbauwerke des Mittelalters ist das Ab-
kratzen ebenso gefährlich geworden. Der zarte Silber-
schimmer, welcher durch die Bildung einer unnenn-
bar dünnen Moosschicht im Laufe der Jahrhunderte
entstand, ist dadurch verloren gegangen.

Ein anderes Konservierungsmittel ist das An-
streichen mit Ölfarbe. Für Bauten aus Putz ist ein
guter Ölanstrich vortrefflich und kann durchaus ernst
und monumental wirken. Doch dem echten Stein
nimmt die Ölfarbe den Reiz der alten Patina. Der
Sandstein, speziell der Elbsandstein, mit welchem Gur-
litt in seiner Thätigkeit als Konservator vielseitige Er-
fahrungen gemacht hat, wird unter der Ölfarbe
bröckelig. Auch die Feinheit des Ornaments wird
durch den Anstrich vielfach verschleiert.
 
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