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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Gümbel, Albert: Agnes Dürerin und ihre Stipendienstiftung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0083

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Agnes Dürerin und ihre Stipendien-Stiftung

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Tiergärtnerthor vermachte l). Sie starb nach dem
Orosstotenläutbuch von St. Sebald2) (jetzt im ger-
manischen Museum) zwischen dem 6. März und dem
5. Juni 1547, sie ist daselbst auf Seite 94 unter den
zwischen Reminiscere und Trinitatis verstorbenen
Personen mit den Worten aufgeführt: »Katharina
Martin Zinerin im Spitlhof.« Hierzu passt gut jener
oben angeführte Eintrag des Ewiggeldbuches unter
dem 24. Mai 1547. Die erste Stipendienverteilung
war damit fällig geworden und sollte nach dem Willen
der Erblasserin einem Sohn des Licentiaten Johann
Müllner zufallen. Wer war nun der Mann, dessen
Sohn Frau Agnes eine derartige Gunst zugedacht
hatte, und in welchem Verhältnis stand er zu letzterer?
Den mit den Anfängen des Melanchthongymnasiums
in Nürnberg Vertrauten ist sein Name wohlbekannt,
war er doch der Begründer jener Symposien, an
welchen neben ihm, der sich Mylius nannte, die

1) Bekanntlich erkaufte der Meister jenes Haus am
Tiergärtnerthor im Jahre 1509 — der Kaufbrief findet
sich in schönem Lichtdruck in dem kleinen, die wechsel-
vollen Schicksale des Hauses bis auf die neueste Zeit ver-
zeichnenden Werkchen des Freiherrn von Kress: Albrecht
Dürer's Wohnhaus, Nürnberg 1896 — und löste das auf
dem Hause ruhende jährliche Reichnis von 22 Pfund alt
an den St. Erhardsaltar in der Sebalduskirche ab. Lochner
teilt in den »Personennamen in Albrecht Dürer's Briefen
aus Venedig«, Nürnberg 1870, pag. 44 das am 15. Januar
1510 vor dem Nürnberger Stadtgericht in Anwesenheit
Dürer's und der Gegenpartei aufgenommene Protokoll
über die Ablösung mit. Einen gleichfalls hierauf bezüglichen,
aber ein halbes Jahr früher fallenden Eintrag enthält unser
oben erwähntes Ewiggeldbuch unter Nr. 288, wo die Lo-
sungsstube beurkundet, dass Dürer zur Einleitung des Ab-
lösungsverfahren 78 Oulden 1 Pfund neu und 4 Schillinge
eingezahlt habe. Dies geschah am 25. August, etwa zwei
Monate nach Erkaufung des Hauses. Bis zur gerichtlichen
Verlautbarung verging dann noch der Rest des Jahres-
Der Eintrag der Losungsstube lautet: »Reeepimus 78 gülden
landsswerung, 1 Pfund novi, 4 Schillinge von Albrecht Dürer,
damit er von vns erkauft hat 22 Pfund alt ewigsgelts, ye
ein pro 30, losung- vnd steuerfrey, dem Caplan der Haller
pfründt auf S. Erhartsaltar in S. Sebalds pfarrkirchen alhie
zusteende, ze zalen halb auf Sannt Walpurgentag schierst
vnd darnach alweg zu S. Walburgen tag die gantzen
Summa. Act. Sabato post Bartolomei (= 25. August)
Anno 1509. Nota: Solch 22 Pfund alt sind vor auf dem
haws an der Zisselgassen (= die jetzige Albrecht Dürer-
strasse) peymm Tiergartnerthor zwischen Herrn Eberhart
Cadmers selig, pfründthaus gegen dem aufgang vndHannsen
Kyfhabers, des Wagners, behawsung gegen dem Nider-
gang der sünnen gelegen, gestanden, so gemelter Dürer
yetz in kurtz erkauft hat vnd solch behawsung hiemit ge-
ledigt, das alspald Herr Steffan Oaüchensteiner, yetz vi-
carier solcher der Haller pfründ, in der losungstuben vor
den Herren angenomen hat für sich vnd sein nachkommen.
Act. ut supra. Solch 22 Pfund alt gehorn zu Niclas Tracht
selig. Jartag als das obgemelter Herr Steffan ansagt.«

2) Vgl. über die Nürnberger Orosstotengeläutbücher
das heisst Verzeichnisse von Personen, für welche man bei
der Beerdigung mit den grossen Glocken von St. Sebald,
St. Lorenz oder einer anderen Kirche (es konnten auch
mehrere sein) läutete, die instruktive Arbeit von A. Bauch
in Arch. Zeitschrift herausgegeben vom k. allg. Reichs-
archiv in München, N. Flg. Bd. VIII.

Lehrer der neuerrichteten Schule Eobanus Hesse,
Joachim Camerarius, Michael Roting und Johann
Schoner, dann der Ratsschreiber Georg Hopell teil-
nahmen und über die von dem jeweiligen Gastgeber
zur Erörterung gestellten Thesen mit Witz und Ernst
disputieren. Heerwagen, dessen verdienstvoller Ge-
schichte der Nürnberger Gelehrtenschulen wir obige
Angaben entnehmen, schildert ihn folgendermassen:
Dieser Rechtsgelehrte, der neben seinen Berufsge-
schäften auch der Pflege der schönen Wissenschaften
eine rege Teilnahme widmete und ebenso durch den
Umfang seines Wissens wie durch Liebenswürdigkeit
des Charakters sich auszeichnete, war nicht nur binnen
kurzem ein in der Gesellschaft unserer Schulmänner
gern gesehener Gast, sondern gab auch selbst die An-
regung zur Stiftung eines Kränzchens, in welchem
wissenschaftliche Fragen besprochen, nach Erledigung
derselben aber bei einem frugalen Abendessen auch
der zwanglosen Unterhaltung Raum gegeben werden
sollte.« Er stammte aus Franken und war zuerst
Bambergischer Rat1). Am 20. November 1526 heiratete
er, wie aus dem ersten Ehebuch von St. Sebald2) er-
sichtlich, zu Nürnberg Magdalena Muggenhoferin,
welche ihm 1533 einen Sohn Jonas gebar (getauft
bei St. Sebald am 27. November 1533)3). Am 4. Fe-
bruar 1527 trat Müllner auf zwölf Jahre als Konsulent
mit einem Gehalt von zweihundert Gulden in die
Dienste des Nürnberger Rates, welche Bestallung nach
Umfluss dieser Zeit am 20. Januar 1539 auf Lebens-
zeit mit einem Gehalt von 300 Gulden erneuert
wurde1), doch starb er schon ein Jahr darnach, ge-
mäss seiner Grabinschrift') am 27. Februar 1540.
In dem schon erwähnten Grosstotengeläutbuch von
St. Sebald ist er unter den zwischen Reminiscere und
Pfingsten (21. Februar bis 16. Mai) 1540 Verstorbenen
als »Doktor Johann Müllner an der Judengassen«
(korrig. aus »Zistelgassen«) aufgeführt. Er überlebte
also Dürer's Frau nur kurze Zeit. Wir dürften mit
der Annahme wohl kaum fehlgehen, dass die durch
unser Testamentsfragment bezeugten Beziehungen zwi-
schen ihm und Dürer's Ehefrau mit ihren ersten An-
fängen noch in die Lebenszeit des Meisters fallen;

1) Will, Nürnberger Gelehrtenlexikon, Bd. II, pag. 705.

2) Im Pfarrarchiv von St. Sebald in Nürnberg. Für die
Gestattung der Benützung sei auch hier Herrn Kirchenrat
Michahelles der ergebenste Dank ausgesprochen.

3) Nach dem ersten Taufbuch von St. Sebald im
dortigen Pfarrarchiv. Dieser Sohn dürfte jung verstorben
sein, da er sonst doch wohl in dem Testament erwähnt
wäre, andere Nachkommen sind urkundlich nicht bezeugt.
Unter den Stipendiaten, welche in den Jahren 1563 bis
1634 das Dürer'sche Stipendium genossen, erscheint kein
Träger dieses Namens.

4) Die Reverse Müllner's von den genannten Tagen
befinden sich im k. Kreisarchiv Nürnberg. Sein daran
hängendes Siegel zeigt einen Kentauren mit erhobener
Keule in der rechten und einem Schild in der linken Hand.
Giebt es wohl Zeichnungen Dürer's, auf welchen sich
dieses Siegelbild befindet?

5) Bei Trechsel, Gedächtnis des Nürnbergischen Jo-
hannis-Kirch-Hof 1736, pag. 673. Auch sein, von seiner
Ehefrau errichtetes Grabdenkmal zeigt obiges Wappenbild
 
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