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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Biicherschau

192

Bode's und Hofstede's Rembrandt-Corpus, mit Erstaunen
vermisst. o. Gr.

P. Schubring, Moderner Cicerone. Florenz. I. Die Ge-
mäldegalerie der Uffizien und des Palazzo Pitti. Stutt-
gart 1902, Union.
Zu den Thematen des Dresdner Kunsterziehungstages
gehörte auch die »Anleitung zum Oenuss der Kunstwerke«,
über die Professor Dr. Lichtwark referierte. Er wies
darauf hin, dass ein Museumskatalog, der nichts weiter
enthält als Namen und Daten, überflüssig sei. Überflüssig
natürlich für den, der Kunst geniessen will, nicht für den
Forscher. Dagegen fordert Lichtwark illustrierte Schriften,
die möglichst wohlfeil in den Handel kommen und in
Leben und Kunst der Meister einführen. Für die italie-
nischen Museen besitzen wir einen solchen Führer, aller-
dings ohne Abbildungen, in dem mustergültigen Cicerone
Jakob Burckhardt's. Aber er ist historisch, nicht topo-
graphisch geordnet und mehrere Bände stark. Zu viel
für den flüchtigen Reisenden und zu unhandlich. Man
muss ihn daheim oder im Notfall die einschlägigen Kapitel
im Hotel auf der Reise durchstudieren, ehe man die
Museen betritt. Der eilige Reisende aber verlangt einen
Führer, der von Saal zu Saal die wichtigsten Kunstwerke
bezeichnet und bespricht. Lichtwark wendet dagegen ein,
dass ein solcher Cicerone oberflächlich wirke. Und das
mit Recht — es wäre einem jeden Italienpilger besser,
eine der grossen Galerien gründlich, als alle ungründlich
zu sehen, besser, zehn Meisterwerke ersten Ranges in zehn
Tagen, als ein paar Hundert an einem Vormittag zu
betrachten.

Allein — solche Weisheit ist heute selten. Und auch
diese Weisen werden doch erst einmal flüchtig über den
Inhalt einer Galerie sich orientieren wollen, ehe sie einigen
Hauptwerken in liebevollem Verweilen sich ganz hingeben.
Dann werden kurze, von Saal zu Saal geleitende Führer,
die auf die besseren Bilder und deren Meister hinweisen,
trotz Lichtwark's theoretischem Widerspruch, unentbehrlich
sein. Schubring's Führer durch die Galerien der Uffizien
und des Pittipalastes erfüllt alle berechtigten Ansprüche
an einen solchen, Miniaturformat, aber scharfer lesbarer
Druck, minimaler Umfang, aber reicher Inhalt, Abbil-
dungen, genügend, um das Gedächtnis aufzufrischen.
Schubring giebt gerade das Notwendige, mit ein paar
treffenden Worten die Charakterschilderung des Künstlers,
mit einem zweiten Satze die materische Bedeutung des
Bildes. Der Eilige muss sich damit begnügen — er wird
an der Hand von Schubring's Notizen immer noch mehr
beobachten, als wenn er führerlos dahinstürmt. Der Be-
schauliche wird daheim seinen Cicerone vornehmen und
die nötigen Ausführungen zum Gesehenen sich geben
lassen. Was besonders hervorzuheben ist — Schubring
verfällt bei aller Kürze nicht in den Katalogstil, sondern
bleibt Künstler auch in der Sprache, voll warmer Teil-
nahme für jeden Meister und jedes Werk. Die Ausstattung
des Büchleins ist geschmackvoll, Baedekereinband, schmale
Randleisten, gutes Papier. m. Sch.

W. Behncke, Albert von Soest, ein Kunsthandwerker des
16. Jahrhunderts in Lüneburg. Strassburg, Ed. Heitz. 1901.

Schon im Titel deutet der Verfasser das Ergebnis
seiner Untersuchungen an: Der bekannte Bildschnitzer
ist aus der Reihe der frei erfindenden Künstler, wozu ihn
bisher Unkenntnis und heimatlicher Enthusiasmus zählten,
zu streichen; als Kunsthandwerker aber verdient er alles
Lob. Das wird überzeugend nachgewiesen. Das Sitzungs-
zimmer im Rathause zu Lüneburg, des Meisters ruhm-
reichstes Werk, ist gründlich studiert, und es ergiebt sich,

wie es nach den neueren wissenschaftlichen Untersuchungen
über Kunst und Handwerk der ausgehenden Renaissance
zu vermuten war, dass Albert von Soest so völlig ab-
hängig von fremden Vorbildern arbeitete, dass ihm über-
haupt keine selbständige Erfindung zuzutrauen ist.

Behncke untersucht auch den Zusammenhang der Ar-
beiten Soest's mit den Täfelungen benachbarter Städte.
Hinzuzufügen wäre noch die Schwesterstadt Braunschweig
mit ihrem reichen Intarsiagetäfel von 1573 im Neustadt-
rathause. Damit wird Soest's Ablehnung der Intarsia
noch auffallender. Auch beweist das Fredenhagen'sche
Zimmer in Lübeck eine zwar nicht den Charakter des
Getäfels bestimmende, immerhin aber sehr mannigfaltige
und überlegte Verwendung der Intarsia nördlich von Lüne-
burg bereits zu Soest's Zeit, so dass des Meisters Thätig-
keit schon ganz von der neuen Erscheinung umschlossen
ist. Inzwischen ist das Dithmer'sche Zimmer in den Be-
sitz des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg
übergegangen, und wird dort zunächst einer gründlichen
Reinigung unterzogen. Ausser den schon unter der Farbe
sichtbaren Spuren von einfachen Intarsiaeinfassungen
(Quaderbelag) fand sich vorerst auch auf den Schrank-
füllungen ein eingelegtes, arabeskenartiges Rollwerkmotiv.
Beides erinnert an das freilich viel reichere Kämmerei-
zimmer Warnecken Burmester's im Lüneburger Rathause.
Man wird trotzdem mit Behncke das Dithmer'sche Zimmer
in der Nähe des Albert von Soest lassen müssen, ja sogar
ihm selbst zuschreiben, mitsamt der Intarsia. Denn mit
Hilfe der Wappen über der Thür und auf Grund der als
zuverlässig vorausgesetzten Büttner'schen Genealogie er-
halten wir das Jahr 1575 als terminus a quo der Ent-
stehungszeit, als Soest schon einige Jahre für den Rat in
Lüneburg thätig gewesen war. Aber auch wenn dieses
Zimmer aus Soest's Werkstatt hervorgegangen ist, so
wird dadurch das von Behncke gegebene Bild des Meisters
nicht beeinträchtigt. Er war in der That ängstlicher und
zurückhaltender als sein Konkurrent in Lüneburg, War-
necken Burmester. Es ist lehrreich, mit welchem Eifer
Burmester die dem Norden neue und ungewohnte, zu-
dem von einem älteren und schlichteren Stilgefühl in die
Höhe gebrachte Intarsiakunst seinem schon sehr heftigen
barocken Empfinden anpasst. Er ersetzt im Kämmerei-
zimmer die eingelegten Muster der Hauptfüllungen an
den mehr im Dunkel liegenden Flächen der Bänke und
des Aufsatzes über dem Hauptgesimse durch ähnliche,
nur im Umriss geschnittene, aber plastisch aufgelegte, also
körperlich und nicht mehr flächenhaft wirkende Ornamente.
Man sieht: Burmester ist vielleicht nicht der erste in
Lüneburg, der die Intarsia wirkungsvoll anzuwenden wusste,
er ist aber rücksichtsloser, kühner als Soest. Er suchte
den Eindruck der Intarsia zu steigern, indem er ihr Flächen-
ornament in ein schattenwerfendes, plastisches übersetzte,
die deutliche Konsequenz über Soest hinaus im Sinne
lebhaften barocken Empfindens.

Soest's künstlerische Schwäche macht uns namentlich
Behncke's Vergleichung bezeichneter und unbezeichneter
Epitaphien deutlich. Da trieb es wohl den Künstler be-
sonders, sich selbständig zu zeigen, weil ihm hier Vor-
bilder nicht in verhältnismässig wenig bekannten Stichen
oder als Werke auswärtiger Meister durch Neuheit oder
entschiedene Originalität reizten, sondern jedermann be-
kannte, ringsum ortsübliche Bildungen bedurften vielmehr
der persönlichen Auffassung, um als Sonderleistung ihren
Meister auszuzeichnen.

Was endlich noch über die Papierreliefs angeführt
wird, beleuchtet eine interessante Art frühzeitigen, wohl-
feilen Ersatzes von Bildhauerei und Holzschnitzerei. Denn
man kann wohl kaum sagen, dass solche Vervielfältigungen
 
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