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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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247

VERMISCHTES

In den nächsten Wochen wird in Leipzig ein neues
Kunstwerk in Erscheinung treten, das zweifellos eine leb-
hafte Erörterung hervorrufen wird: Otto Greiner's Öl-
gemälde »Odysseus und die Sirenen«. Dem sehr um-
fangreichen Bilde hat der Künstler in den letzten sechs
Jahren seine Hauptkraft zugewandt. Es wird in den
nächsten Wochen in Leipzig eintreffen und zur Ausstel-
lung kommen.

München erhält demnächst auch einen grossen, mo-
dern ausgestatteten Kunslsalon. Die Gebrüder Heinemann
werden nämlich unter Aufgabe ihrer alten mangelhaften
Räume sich durch Emanuel Seidel am Maximilianplatz
ein Gebäude für ihren Zweck errichten lassen.

Die diesjährige VII. Kunstausstellung der Berliner
Secession wird schon am 5. April eröffnet und dauert
bis 15. Juli. Die Generalversammlung der Secession hat
den Maler Professor Wilhelm Trübner in Frankfurt a. M.
und den Bildhauer Tuaillon zu Berlin in den Vorstand ge-
wählt.

Der Kunsthistoriker Eugen Müntz hat seinen hand-
schriftlichen Nachlass der Bibliotheque Nationale in Paris
vermacht. Die Manuskripte füllen ungefähr siebzig grosse
Kasten. Einen grossen Teil hat Müntz bereits verarbeitet
und veröffentlicht. Mehrere Kasten sind mit den Mate-
rialien zu einem Korpus der Mosaiken angefüllt, welches
Müntz unter Mitwirkung vieler Fachgenossen herausgeben
wollte. Die Bibliothek von Eugen Müntz ist von der Buch-
handlung Joseph Baer & Co. in Frankfurt a. M. durch Kauf
erworben worden. Sie wird auf 15 bis 20000 Bände ge-
schätzt.

Rom. Die reiche Sammlung klassisch-antiker Gold-
schmiedearbeiten des russischen Gesandten am Quirinal,
A. J. von Nelidow, ist eben in einer Prachtausgabe bei
K W. Hiersemann in Leipzig erschienen, und damit ist
alles, was der Sammelfleiss eines Privatmannes vereinigt
hat, dem Dienste der Wissenschaft erschlossen worden.
Erläutert und beschrieben sind die einzelnen Stücke von
Dr. Ludwig Pollac. Der Text ist in deutscher Sprache
abgefasst. e. st.

ERWIDERUNG

In Nr. 10 der Kunstchronik vom 24. Dezember 1902
findet sich pag. 162 ein Referat meiner Broschüre »Über
Farbensehen und Malerei«, München 1901 bei Ernst Rein-
hardt.

Der Herr Referent meint, dass »solche Beobachtungen,
wie die Schrift sie mitteilt, als ganz abnorme, mehr patho-
logisch als physiologisch interessante Fälle betrachtet wer-
den«. Diese Ansicht des Herrn Referenten ist irrig.
Erstens funktionieren die Augen der betreffenden Personen
nach Sehschärfe u. s. w. völlig normal, jede pathologische
Funktion fehlt, speziell die Lichtempfindung ist ihrem ganzen
Umfang nach intakt und auch die Farbenempfindung ist
nur qualitativ von der Norm verschieden.

Zweitens ist der Zustand dieser qualitativ vom Normal-
auge verschiedenen Empfindung der Farben so verbreitet

und physiologisch so wichtig und interessant, dass sich die
physiologische Forschung der letzten Jahrzehnte vorwiegend
mit ihm beschäftigt hat.

Es ist sehr bedauerlich, dass der Kunst- und speziell
der Malunterricht nicht so von diesen Forschungen auf
physikalischem und physiologischem Gebiete beeinflusst
wird, als es im Interesse einer gedeihlichen Entwickelung
der Kunst wünschenswert wäre.

Ich bin in der That der einzige, der dieselben in all-
gemein verständlicher Weise den Künstlern nutzbar zu
machen versucht hat und möchte nicht, dass dieser Ver-
such in so kurzer Form, wie der Herr Referent das thut
und zwar auf ganz unsachliche Weise, beseitigt werde;
denn die physiologischen Thatsachen, über welche meine
kleine Schrift berichtet, lassen sich doch durch eine jeg-
licher experimentellen Stütze entbehrenden Argumentation,
welche sich darauf beruft, »dass scharfsichtige Maler uns
lehren, in der Natur auf Farbentöne zu achten, die nur
deshalb für uns nicht da waren, weil wir unser Augenmerk
nicht auf sie gerichtet hatten« nicht aus der Welt schaffen.

Wenn die »scharfsichtigen« Maler uns so belehren
können, sind wir doch weniger scharfsichtig gewesen als
jene, das heisst weniger in der Lage, die Farben richtig
zu sehen — eben, weil wir sie übersehen haben. Die
Aufmerksamkeit ist hier doch nichts weiter, als der Mass-
stab, den die Maler und auch wir selbst an die sinnliche
Wahrnehmung anlegen, nicht das Mittel für diese Wahr-
nehmung. Je schärfer der Sinneseindruck an sich ist, desto
weniger Aufmerksamkeit ist zu seiner Wahrnehmung nötig
und umgekehrt! Es spricht daher das vom Herrn Refe-
renten angezogene Beispiel im Grunde gegen seine Argu-
mentation und für meine Ansicht.

Wenn bei genauen physikalisch-physiologischen Unter-
suchungen in vier bis acht Prozent der Menschheit grobe
Verschiedenheiten in der Empfindung der Farben und bei
dreiunddreissig Prozent leichtere Abweichungen von der
Durchschnittsnorm der Farbenempfindung gefunden werden,
so ist doch damit festgestellt, dass beinahe ein Drittel der
Menschheit die Farben anders empfindet und folglich auch
malerisch anders darstellt, als die Mehrheit.

Dass nicht jedes beliebige abweichende Kolorit eines
Gemäldes von diesen abnormen Empfindungszuständen her-
rührt und eventuell allein herrührt, dass auch Verschieden-
heit des Geschmackes, des Temperamentes und der Be-
obachtungsgabe hier mitspielt, darin stimme ich mit dem
Herrn Referenten natürlich völlig überein.

Trotzdem werden meine Bedenken gegenüber der sich
auf Farbenbeurteilung einlassenden Kritik bestehen bleiben;
aber nicht so, wie der Herr Referent sie mir zuschiebt.
Denn es wird bei der Rücksichtnahme der Kunstkritik auf
verschiedene Farbenempfindungssysteme »der koloristischen
Willkür« keineswegs »Thür und Thor geöffnet«. Ich habe
vielmehr in meiner Schrift eingehend zu zeigen versucht,
dass auch die uns fremd erscheinenden koloristischen Leis-
tungen, sofern sie überhaupt als Kunstwerke angesprochen
werden können, harmonisch gefügt bleiben und darum gegen-
über unkünstlerischen farbigen Malereien bei einer rein
sachlichen Kritik ihren Kunstwert nicht verkennen lassen.

Weimar im Januar 1903. e. raehlmann.

Inhalt: Wiener Brief. Von Ludwig Hevesi. — Adolfo Venturi, La Gallena Crespi in Milano. — Thomas Dennerlein t- — Amtsniederlegung von
Begas. — Rom, Forschungen in den Katakomben. — Rom, Archäologisches Institut. — Würzburg, Verfall von Baudenkmälern. - Berlin,
ein neues Bild von Schongauer; Paris, Gallische Skulpturen; Neueinrichtung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe; Ankauf für
das Leipziger Museum ; Stille im Karlsruher Kunstleben. — Wettbewerb um eine Plakette. — Preissteigerung von Gemälden Segantini's;
Kunstauktion bei Lepke. — Neues Kunstwerk in Leipzig; Kunstsalon in München; Kunstausstellung der Berliner Secession; Nachlass
Eugen Müntz betreffend; Rom, Sammlung von Goldschmiedearbeiten. — Erwiderung.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstrasse 13.
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G. m. b. H., Leipzig.
 
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