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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Schmidt, Karl Eugen: Ein neues Madonnenrelief Donatello's?
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0233

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443

Pariser Brief

444

Madonna aus unbemaltem Thon von Andrea Riccio
im Besitz des Herrn Julius Böhler zu München

darstellungen kaum denken, da ihre sicheren Arbeiten
zu abweichend sind. Für Bellano habe ich das Oeuvre
schon vor etwa zehn Jahren im Archivio storico dell'
arte zusammengestellt, und dort ist auch bereits die
von Schubring abgebildete Madonna in den Eremitani
nachgebildet worden; freilich nicht gerade in muster-
hafter Weise. Über Urbano dürfen wir in nächster
Zeit eine abschliessende Arbeit gerade von Dr. Schu-
bring erwarten.

Noch ein anderes Madonnenrelief in Thon ist im
Laufe des Winters in Padua als ein Werk Donatello's
in den Handel gekommen. Ich gebe es hier gleichfalls
in Hochätzung, weil es eines der seltenen grossen
Bildwerke eines Enkelschülers von Donatello, des
Andrea Riccio, ist, wie der Vergleich mit seinen
Frauen- und Kindergestalten am Bronzekandelaber des
Santo und in anderen Bronzebildwerken ganz über-
zeugend beweist.

Auf die Behauptung von Dr. Schubring, dass wir
die Bronzethüren der Sakristei von San Lorenzo als
Arbeiten aus den letzten Jahren Donatello's anzu-
sprechen hätten, kann ich hier nicht näher eingehen. Ich
möchte aber wenigstens darauf hinweisen, dass die
von ihm angezogene unbestimmte Notiz des Vespasiano
Bisticci sich dafür kaum als Beweis anführen lässt, dass
hingegen ein anderer Zeitgenosse, Antonio Manetti, in
seiner Lebensbeschreibung Brunelleschi's ausdrücklich
sagt, die Thüren seien noch zu dessen Lebzeiten
entstanden, also vor Donatello's Übersiedelung nach
Padua im Jahre 1443. Damit stimmt der Stil der
grossartigen Figuren dieser Thüren ganz überein.

WILHELM BODE.

PARISER BRIEF

Die beiden grossen Kunstmärkte der »Salons«
nehmen alljährlich im Frühling die Aufmerksamkeit
des Berichterstatters dermassen in Anspruch, dass
darüber die kleinen Veranstaltungen, so interessant
sie auch sein mögen, ganz vergessen oder etwas
stiefmütterlich behandelt werden. Meine diesbezüg-
lichen Unterlassungssünden zum Teil gut machend,
berichte ich nachträglich über die wichtigsten kleineren
Kunstausstellungen der letzten beiden Monate.

Eine der hübschesten Pariser Ausstellungen ist in
jedem Jahre der »Salon« der Pastellisten. Die Pastell-
malerei scheint mir eine spezifisch französische Kunst
zu sein, und ihre grösste Blüte fällt in die Zeit, wo
die Franzosen die Führung in der Kunst an-
traten. Im 18. Jahrhundert sind alle jene herrlichen
Bildnisse entstanden, welche die Säle des Louvre
zieren, und deren ätherischer Reiz nicht nur dem
Talent der Künstler, sondern auch etwas der Materie
zu danken ist. Das Pastell gleicht dem überaus
zarten und leichten, in feinster und leuchtendster
Farbenpracht schillernden Schmetterlingsstaube, den
man nur etwas unsanft mit dem Finger zu berühren
braucht, um seine Schönheit zu zerstören. Das war
die rechte Kunst für das leicht tänzelnde Rokoko, und
auch heute noch ist diese luftige und duftige Kunst
mehr in dem graziösen und leichtsinnigen Paris
zu Hause als in den andern Kunststädten Europas, wo
Handel und Industrie das Scepter schwingen. Es ist
sehr schade, dass das Pastell, gerade wegen seiner
ätherischen und leicht zerstörbaren Eigenschaft, sich
weniger leicht transportieren lässt als die solidere
Ölmalerei, die schon einen gehörigen Puff aushalten
kann. Deshalb kennt man im Auslande zwar die
französischen Ölmaler kaum weniger gut, als in Frank-
reich selbst, aber die Pariser Pastellisten sind selbst
den Leuten, die sich für Kunst interessieren und sich
mit ihr beschäftigen, kaum dem Namen nach bekannt.
Das heisst: die meisten von ihnen kennt man auch
im Auslande, aber man kennt sie nicht als Pastellisten,
sondern weil sie zugleich auch in andern Zweigen
der Kunst thätig sind. Besnard, Lhermitte, Gaston
La Touche, Menard, Billotte, Aman-Jean, Eliot, Gervex,
Guignard, Le Sidaner, Jean Veber, das sind lauter
bekannte Namen, denn ihre Träger sind nicht aus-
schliesslich Pastellisten, sondern pflegen auch die Öl-
malerei und sind deshalb auch auf deutschen Aus-
stellungen regelmässige Gäste. Leandre ist zwar nicht
als Ölmaler, aber als Zeichner auch im Auslande
bekannt, und der einzige Pastellist, der nichts als
Pastellist ist, und den man deshalb im Auslande gar
nicht kennt, ist Thevenot.

Von all den genannten kann man bei Gelegen-
heit der neunzehnten Ausstellung der französischen
Pastellisten kaum etwas Neues sagen. Man kennt
die Art, wie Lhermitte seine Bauern und Wäsche-
rinnen malt, wie Billotte die melancholischen kleinen
Gärten und Winkel in der nächsten Umgebung von
Paris schildert, wie Gaston La Touche in leuchten-
den Symphonien bald den alten Park von St. Cloud,
bald die feenhaft beleuchteten Säle der grossen Oper
 
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