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Bücherschau.
gewerbliche Aufschwung ist eben noch jung an
Jahren, weiß noch nicht recht, wie er sich be-
nehmen soll. Da muß denn die Publikation
Gerlachs als ein Bote künftiger Herrlichkeit
und als ein Neuling zugleich begriißt werden.
Nicht daß er gerade der erste ist in seiner Art,
gewiß aber der am vornehmsten auftretende.
Was bringt „Die Pflanze" Neues? Albert
Jlg, der das kostbare Werk eingeleitet hat,
drückt sich folgendermaßen darüber aus: „Die
Pflanze, dieses wichtigste Element aller Deko-
ration, svll ihre Seelenwanderung durch eine
reiche Zahl tünstlerischer Verkörperungen des
Urmotivs durchmachen. Wir bringen sie zu-
nächst in ihrer natürlichen Wahrheit, wir denken
uns dann das rasch vergängliche Ding gewelkt
nnd abgestorben, und eröffnen nun seine Apo-
theose in den wechselnden Verklärungen durch
die gestaltende Phantasie des Künstlers". Aber
kein „historischer Bilderatlas" soll daraus
werden. „Wir schaffen lediglich im Geiste voll-
kommen modernkünstlerischer Verwertung und
Neubildung". Alle „Stilerscheinungen" sollen
Berücksichtigung finden, in moderner „Nach-
empfindung". Solche „Durchdringung des
historischen Substrates mit dem Geiste von
heute.. . allein vermag unsere Kunstindustrie
und Dekoration vor dem gänzlich unkünstleri-
schen Vorgange des bloßen antiquarischen Ko-
pirens zu retten." „Unsere Kunstrichtung"
soll allezeit klar hervortreten, „indem wir an-
wenden, was wir von der Vorzeit gelernt, und
indem wir in der Sprache unserer Zeit ver-
künden, was wir in jener edlen Schule in uns
ausgenommen haben. Dann, glauben wir, wird
unser Werk in seinem Antlitz die Züge vor-
nehmer Ahnen mit dem srischen Ausdruck
blühenden Lebens vereinigen". Soweit die ge-
lehrte Einleitung, soweit die gute Absicht.
Eine ganze Reihe Künstler haben zu diesem
Werke beigetragen, ihre in den verschiedensten
Techniken sehr sorgfältig wiedergegebenen Ent-
würfe füllen etwa 80 große Foliotafeln: die
bilden die erste Serie. Ungleich sind die Kräfte,
ungleich die Leistungen, namentlich in dem Teile,
welcher die einzelnen Pflanzen in ihrer natür-
lichen Erscheinung behandelt. Behalten wir das
vo rbildliche Bestreben im Auge, lassen wir uns
nicht durch den Chic der Behandlung und durch
die wohlerzielte Harmonie im Kolorit vieler
Tafeln bestechen, so müssen wir gestehen, daß
sich neben mehreren tresflichen Blättern (z. B.
13, 69, 68, 35, 34, 8, 32, 21. 14, 31, 61, 49)
eine Anzahl finden, denen die Eigenschaften
charakteristischer Erfassung und künstlerischer
Durchbildung mehr oder weniger abgehen.
Gerade auf dem Gebiete der naturgetreuen
Pflanzenwiedergabe sind unsere Publikationen
im Vergleich zu dem, was in Frankreich heraus-
gegeben worden ist, noch in erheblichem Rück-
stand. Nur in wenigen dieser Tafeln treten
uns künstlerische Kräfte entgegen von dem
Schlage eines Müller, eines Dumont, oder eines
Picard. Und doch fehlt es uns keineswegs an
tüchtigen „Fleuristen", in Osterreich sowohl wie
in Deutschland. Aber das sind meistens Leute,
denen die praktische Bethätigung zu Publika-
tionen aus ihren Studien- und Skizzenmappen
keine Zeit zu lassen scheint.
Wenn wir aber an dem naturalistischen
Teile mit Ansstellungen nicht zurückhalten, wie
steht es mit dem ornamentalen? Hier tritt uns
ein weit einheitlicheres Gepräge entgegen. Den
Professor A. Seder, der den ornamentalen
und kunstgewerblichen Teil übernommen hat,
lernen wir als einen außerordentlich geschickten
Zeichner und geschmackvollen Koloristen schätzen.
Aber so sehr wir auch die oft geistvolle, stets
gefällige Erfindung in seinen Blättern hoch
anerkennen, immer erwächst uns bei der Be-
trachtung fast jeder Tafel die Beobachtung, daß
seine Entwürfe sich vortrefflich für den kunstge-
werblichen Unterricht an Schulen eignen, daß
sie aber dem praktischen Bedürfnis nur in einer
ganz bestimmten Richtung Rechnung tragen.
Das ist aber bei einem Unternehmen, wclchcs
sich wie das vorliegende an möglichst weite
Kreise kunstgewerblicher Praktiker wendet, ein
Nachteil. Seders Hand arbeitet am leichtcsten
für den Schlosser. Er kommt den Erforder-
nissen des Materiales entgegen (37, 72, 63,
45, 11, 24), und hat von dieser Gewöhnnng
auch in seine flachen Kompositionen erkleckliches
übertragen. Man vergleiche darauf hin die
Tafeln 18, 53, 64, 10, 46. Was die großc
Mehrzahl der übrigen ornamentalen Entwürfe
angeht, so zeichnen sie sich fast alle durch graziöse
Zeichnung aus, allein sie operiren im allge-
meinen mit zu einfachen Pflanzenformen, als
daß sie den nach neuen Motiven suchenden
Praktikcr einigermaßen anhaltend anzuregen
vermöchten. Das ist aber eine wichtige Er-
fahrung, die jeder praktisch thätige Künstler be-
stätigen wird. Diesen interessiren weit weniger
Bücherschau.
gewerbliche Aufschwung ist eben noch jung an
Jahren, weiß noch nicht recht, wie er sich be-
nehmen soll. Da muß denn die Publikation
Gerlachs als ein Bote künftiger Herrlichkeit
und als ein Neuling zugleich begriißt werden.
Nicht daß er gerade der erste ist in seiner Art,
gewiß aber der am vornehmsten auftretende.
Was bringt „Die Pflanze" Neues? Albert
Jlg, der das kostbare Werk eingeleitet hat,
drückt sich folgendermaßen darüber aus: „Die
Pflanze, dieses wichtigste Element aller Deko-
ration, svll ihre Seelenwanderung durch eine
reiche Zahl tünstlerischer Verkörperungen des
Urmotivs durchmachen. Wir bringen sie zu-
nächst in ihrer natürlichen Wahrheit, wir denken
uns dann das rasch vergängliche Ding gewelkt
nnd abgestorben, und eröffnen nun seine Apo-
theose in den wechselnden Verklärungen durch
die gestaltende Phantasie des Künstlers". Aber
kein „historischer Bilderatlas" soll daraus
werden. „Wir schaffen lediglich im Geiste voll-
kommen modernkünstlerischer Verwertung und
Neubildung". Alle „Stilerscheinungen" sollen
Berücksichtigung finden, in moderner „Nach-
empfindung". Solche „Durchdringung des
historischen Substrates mit dem Geiste von
heute.. . allein vermag unsere Kunstindustrie
und Dekoration vor dem gänzlich unkünstleri-
schen Vorgange des bloßen antiquarischen Ko-
pirens zu retten." „Unsere Kunstrichtung"
soll allezeit klar hervortreten, „indem wir an-
wenden, was wir von der Vorzeit gelernt, und
indem wir in der Sprache unserer Zeit ver-
künden, was wir in jener edlen Schule in uns
ausgenommen haben. Dann, glauben wir, wird
unser Werk in seinem Antlitz die Züge vor-
nehmer Ahnen mit dem srischen Ausdruck
blühenden Lebens vereinigen". Soweit die ge-
lehrte Einleitung, soweit die gute Absicht.
Eine ganze Reihe Künstler haben zu diesem
Werke beigetragen, ihre in den verschiedensten
Techniken sehr sorgfältig wiedergegebenen Ent-
würfe füllen etwa 80 große Foliotafeln: die
bilden die erste Serie. Ungleich sind die Kräfte,
ungleich die Leistungen, namentlich in dem Teile,
welcher die einzelnen Pflanzen in ihrer natür-
lichen Erscheinung behandelt. Behalten wir das
vo rbildliche Bestreben im Auge, lassen wir uns
nicht durch den Chic der Behandlung und durch
die wohlerzielte Harmonie im Kolorit vieler
Tafeln bestechen, so müssen wir gestehen, daß
sich neben mehreren tresflichen Blättern (z. B.
13, 69, 68, 35, 34, 8, 32, 21. 14, 31, 61, 49)
eine Anzahl finden, denen die Eigenschaften
charakteristischer Erfassung und künstlerischer
Durchbildung mehr oder weniger abgehen.
Gerade auf dem Gebiete der naturgetreuen
Pflanzenwiedergabe sind unsere Publikationen
im Vergleich zu dem, was in Frankreich heraus-
gegeben worden ist, noch in erheblichem Rück-
stand. Nur in wenigen dieser Tafeln treten
uns künstlerische Kräfte entgegen von dem
Schlage eines Müller, eines Dumont, oder eines
Picard. Und doch fehlt es uns keineswegs an
tüchtigen „Fleuristen", in Osterreich sowohl wie
in Deutschland. Aber das sind meistens Leute,
denen die praktische Bethätigung zu Publika-
tionen aus ihren Studien- und Skizzenmappen
keine Zeit zu lassen scheint.
Wenn wir aber an dem naturalistischen
Teile mit Ansstellungen nicht zurückhalten, wie
steht es mit dem ornamentalen? Hier tritt uns
ein weit einheitlicheres Gepräge entgegen. Den
Professor A. Seder, der den ornamentalen
und kunstgewerblichen Teil übernommen hat,
lernen wir als einen außerordentlich geschickten
Zeichner und geschmackvollen Koloristen schätzen.
Aber so sehr wir auch die oft geistvolle, stets
gefällige Erfindung in seinen Blättern hoch
anerkennen, immer erwächst uns bei der Be-
trachtung fast jeder Tafel die Beobachtung, daß
seine Entwürfe sich vortrefflich für den kunstge-
werblichen Unterricht an Schulen eignen, daß
sie aber dem praktischen Bedürfnis nur in einer
ganz bestimmten Richtung Rechnung tragen.
Das ist aber bei einem Unternehmen, wclchcs
sich wie das vorliegende an möglichst weite
Kreise kunstgewerblicher Praktiker wendet, ein
Nachteil. Seders Hand arbeitet am leichtcsten
für den Schlosser. Er kommt den Erforder-
nissen des Materiales entgegen (37, 72, 63,
45, 11, 24), und hat von dieser Gewöhnnng
auch in seine flachen Kompositionen erkleckliches
übertragen. Man vergleiche darauf hin die
Tafeln 18, 53, 64, 10, 46. Was die großc
Mehrzahl der übrigen ornamentalen Entwürfe
angeht, so zeichnen sie sich fast alle durch graziöse
Zeichnung aus, allein sie operiren im allge-
meinen mit zu einfachen Pflanzenformen, als
daß sie den nach neuen Motiven suchenden
Praktikcr einigermaßen anhaltend anzuregen
vermöchten. Das ist aber eine wichtige Er-
fahrung, die jeder praktisch thätige Künstler be-
stätigen wird. Diesen interessiren weit weniger