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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 4.1888

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Brinckmann, Justus: Aus dem Museum für Kunst und Gewerbe zu Hamburg, [2]: eine bemalte Holzgruppe des 18. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4161#0152

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Tcil dcs BandeS von Loreto (vcrgl. S. Igo).

^lus dein ^Nuseum für kunst uno Gewerbe zu bsainburg.

Von Iustus Brinckmann.

II.

Line bemalte bjolzgruppe des I>8. ^ahrhunderts.

Das hamburgische Museum besitzt ein zu
Forchheim in Franken angekauftes Schnitzwerk
aus Lindenholz, welches in den Farben der Por-
zellangruppen der Rococozeit bemalt ist. Das-
selbe stellt, wie die Abbildung zeigt, Neptun und
Amphitrite über einem wasserspeienden Delphin
aufdem Gipfel eines von Tritonen belebten Felsens
dar. Auf den ersten Blick möchte man versucht
sein, in ihm ein Modell für eine Porzellan-
gruppe, etwa das Mittelstück eines Tafelauf-
satzes zu sehen. Da jedoch die Rückseite der
Gruppe unten nicht ausgeführt worden, muß man
ste sich durch einen festen Hintergrund verdeckt
denken, und der untere der drei Tritonen be-
darf zur Erklärung seines Klebens am Sockel
des Felsenbaues einer ihn scheinbar tragenden
Wasserfläche, aus welcher sich ihm irgend ein
Bedrohliches entgegendrängt. So gelangen wir
dahin, uns diese von Künstlerhand entworfene
und ausgeführte, mit dem Sockel 45 Centimeter
hohe Gruppc als Modell eincs großen Brunnens
borzustellcu, wclcher, an eine uatürliche Fels-
wand oder an die Mauer eines Palastes oder
einer Terrasse gelehnt, in einem von wasser-
ipeienden Ungeheuern bevölkerten Becken anf-
gebaut werdcn sollte. Die entsetzte Haltung
des Meermenschen wäre dann eine ganz natür-
^che, und den Muscheln seiner sich über ihm
um Felsen aufrichtenden Genossen und dem
Aachcu des Delphins würde Wasser entströmen.
Bielleicht daß ein Vergleich mit den vielen
Brunneu-Entwürfen iu Ornamentstichen noch
einmal auf deu Urheber des Modelles leitet,
oder daß sich in den brunnenreichen Gartenan-
^ugcu der Bayreuther odcr Würzburger Schlösser
b>n nach ihm ausgeführter Brunnen nachweisen
laßt.

Bei den Versuchen, unser Modell zunächst aus
Kunstgcwerbcblatt IV.

irgend einen Taselaufsatz aus einer der deutschen
Porzellanmanufakturen zurückzuführen, wurde
die gesamte Litteratur über diesen blühendsten
Zweig des Kunstgewerbes im 18. Jahrhundert
durchgesehen. Dabei fiel es auf, daß die zahl-
reichen Verfasser der keramischen Handbücher
und der in den Zeitschriften verstreuten oder
gesondert verössentlichten Monographien über
einzelne Fabriken nur äußerst ärmliche Angaben
über die Porzellanplastik darbieten. Führt man
die endlosen Wiederholungen und Abschreibe-
reien, welche bei den kunstgewerblichen Viel-
schreibern das eigene Studium der Altsachen
ersetzen müssen, auf ihre Quellen zurück, sv
erhält man ein äußerst dürstiges Ergebnis,
dessen sachlicher und geschichtlichcr Jnhalt sich
auf wenige Druckseiten zusammendrängen ließe.

Die unverdientc Geringschätzung, mit
welcher die Porzellanplastik von der Mehrzahl
unserer kunstgewerblichen Museen behandelt
wird, mag dazu beigetragen haben, das Studium
zu erschweren. Um so verdienstvoller wäre es,
den in einigen Sammlungen von örtlicher Be-
deutung — so vor allem in Dresden für die
Meißener und in Stuttgart für die Ludwigs-
burger Porzellane, besser in zahlreichen privaten
Sammlungen nnd hie und da auch in alten Schloß-
einrichtungeu angehäuften Stoff zu sichten, zu
ordnen und seinerkünstlerischen und kultnrgeschicht-
lichen Bedeutung angemessen zu veröffentlichen.

Es handelt sich hier um eine Aufgabe von
außerordentlicher Bedeutung für die Geschichte
des Kunstgewerbes, um die Würdigung einer
Fülle plastischer Arbeiten, in denen die Deut-
schen sich zu einer künstlerischen und technischen
Vollendung aufgeschwungen hatten, neben welcher
die verwandten Leistungen der Franzosen, Eng-
länder und Jtaliener des 18. Jahrhunderts

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