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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Gerland, Otto: Die Werke der Kleinkunst in der Kirche zum heiligen Kreuze zu Hildesheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0031

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24 DIE WERKE DER KLEINKUNST IN DER KIRCHE ZUM HEILIGEN KREUZE ZU HILDESHEIM

STATUE DER MUTTER GOTTES IM KREUZGANO
DER KREUZKIRCHE HILDESHEIM

die Bürgerskinder von Hildesheim zum Teil auf dem
Neuen Schaden1), nahe vor dem Tore des heiligen
Kreuzes zum Biere. Darunter war ein Schalk Alexander
Bruns aus der Judenstraße. Der nahm einen grünen
Knüppel aus dem Wirtshofe und stieg auf die Mauer
gegenüber den Kirchtüren zu dem heiligen Kreuze
und schlug dem steinernen Bilde Sankt Pauli den
Kopf ab; dem Bilde Sankt Petri war in der Vornacht
der Kopf abgeschlagen worden. Des folgenden Tages
ward ausgerichtet, wer der Missetäter war. Der ver-
zweifelte Haufen blieb aber unverzagt und nahm zwei
Totenköpfe aus dem Beinhause und setzte sie wieder
auf der Apostel Rümpfe. Und zur Vesperzeit kamen
etliche Jungen, über vierzig, und ein jeder hatte einen
Rockschlippen voll Steine, und warfen nach den
Totenköpfen so lange, bis sie diese wieder von den
Apostelrümpfen abgeworfen hatten. Und das war
etlichen Te deum laudamus.

4. Ein viertes und zwar recht wertvolles Erzeugnis
der Bildhauerkunst ist im südlichen Kreuzgang auf-
gestellt, nämlich die lebensgroße Statue einer Mutter
Gottes (siehe Abb. oben), die früher wohl einen andern

1) Eine noch bestehende Wirtschaft in der Nähe der
Kreuzkirche.

Platz eingenommen hat. Diese, merkwürdigerweise aus
geformtem Stuck hergestellte Figur zeigt die Mutter
Gottes, auf dem linken Arme das Christuskind hoch-
haltend, mit der Rechten den von der Schulter herab-
fallenden Mantel zusammenfassend. Das Kleid wird
durch einen Gürtel zusammengehalten, am rechten
Goldfinger trägt Maria einen Trauring, die drei letzten
Finger der linken Hand sind mit Ringen geschmückt,
in denen Steine angebracht sind. Auf dem Haupte,
über den lang herabfallenden Haaren und dem Schleier,
trägt die Jungfrau eine aus einem Reifen und vier
Blättern gebildete Krone. Das Kind hält mit der
Hand ein Spruchband, auf dem die Inschrift nicht mehr
zu erkennen ist, wie überhaupt das ganze Bildwerk, wenn
auch unter Beibehaltung der ursprünglichen traditio-
nellen Farbengebung, rotes Gewand und blauer Mantel,
so dick mit Farbe überstrichen ist, daß manche
Feinheiten der Arbeiten verdeckt sind. Das Kind
zeigt einen freundlichen Gesichtsausdruck, während
die Mutter das Kind mit dem liebevollsten, verklärten
Blicke anschaut. Die ganze Darstellung, die Form
der Krone, der großartige Faltenwurf lassen auf eine
Arbeit aus der besten Zeit der Gotik, etwa aus dem
14. Jahrhundert, schließen, zu welcher Zeit man also
auch schon solche Figuren mittelst Gußformen her-
gestellt hat.

III. Wenden wir uns nun zu den Werken der
Edelschmiedekunst, so müssen wir uns vergegen-
wärtigen, daß schon im frühen Mittelalter aus Gold
und Silber getriebene und ziselierte, mit Gußstücken
verzierte Werke, namentlich für kirchliche Zwecke
hergestellt wurden, einen besonders schönen Schmuck
erhielten diese Werke, namentlich im 10. und 11.
Jahrhundert, durch Hinzufügung von Filigranarbeit,
das heißt von einem künstlichen Geflecht aus feinen
Gold- oder Silberdrahtfäden, die vorher gekörnt, dann
gebogen und stellenweise aneinander gelötet oder zu-
sammen gebunden wurden. Es war nur natürlich,
daß der kunstliebende und so sehr kunstverständige
geniale Bischof Bernward (993—1022), wie er über-
haupt allen Künsten in seinem Bistum Hildesheim
Eingang verschafft hat, neben dem Metallguß, dessen
Werke noch heute unser Entzücken erregen, auch
die Goldschmiedekunst nicht nur einführte, sondern
alsbald zur Entfaltung einer hohen Blüte entwickelte,
wie namentlich sein berühmtes Kreuz in der Mag-
dalenenkirche zu Hildesheim noch heute beweist,
anderer derartiger Arbeiten nicht zu gedenken. Auf der
von Bernward gegebenen Grundlage bauten die
Künstler in Hildesheim und Umgegend weiter, und
einige herrliche Proben ihrer Werke bewahrt ins-
besondere die Kreuzkirche.

Vor allem kommt

a) das Hezilokreuz in Betracht. Dies Kreuz (Abb. S. 25)
hat eine Höhe von vierzig Zentimetern, besteht aus
Holz, das auf dem Rücken rot gefärbt und im übrigen
mit Goldplatten überzogen ist. Das wohl zum Auf-
stellen auf der Rückwand eines Altars bestimmte Kreuz
besteht aus einem Fußgestell, das dem Zweck der
Aufstellung auf der Altarwand entsprechend einen
oblongen Grundriß hat. Aus vier Löwenklauen steigen
 
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