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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Kleine Mitteilungen
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KLEINE MITTEILUNGEN

PROFESSOR L. HABICH, DARMSTADT,
WEIBLICHER TORSO, GIPS

Wickelung sich befindet, ist von höchster Bedeutung
für uns. Das Vorhandensein einer Krisis läßt sich
nicht leugnen, und es ist besser, dies festzustellen,
als es zu bestreiten.

Woher kommt dieselbe? Woher kommt es, daß
das Publikum das Entgegenkommen der Künstler nicht
in dem Maße erwidert, wie es das tun müßte und
wie diese es wünschen? Die Künstler werden nur
zu leicht geneigt sein, zu behaupten, daß der Fehler
ausschließlich beim Publikum läge, welches an ihrem
Streben keinen Anteil nähme, so daß sie durch seine
Schuld unproduktiv blieben. Wir strampeln, aber wir
kommen nicht vorwärts.

Gestehen wir, daß nur der letzte Satz richtig ist.
Wir kommen nicht vorwärts. Ist dies alles lediglich
die Schuld des Publikums, und sind nicht auch die
Künstler selbst, wenigstens teilweise, die Urheber ihres
Katzenjammers? Entspringt nicht diese, übrigens nur
vorübergehende Ungunst, falschen Voraussetzungen
und einem Mangel an praktischem Sinn, von dem
wir gelegentlich Beweise geliefert haben?

Blicken wir ins Ausland, vor allem nach Deutsch-
land, aber auch nach Österreich. Dort machen die
neuen Formen aus verschiedenem Ursachen sichere
Fortschritte. In ersterem Lande begünstigt der Wunsch
nach der Schaffung eines nationalen, von ausländischen,
namentlich von französischen Einflüssen völlig unab-

hängigen Stiles in hohem Maße die Ausbreitung der
modernen Kunst. Es herrscht aber auch dort, und
das ist vielleicht die Hauptsache, ein praktischer Sinn.
Das bestehende Einvernehmen zwischen Künstlern und
Fabrikanten gestattet eine Fabrikation und einen Ver-
kauf zu lohnenden, aber doch verständigen Preisen,
welcher Umstand es auch dem Publikum ermöglicht,
der Bewegung zu folgen und an ihr in anderer, als
rein platonischer Weise Anteil zu nehmen.

Bei uns ist noch niemals etwas ähnliches geschehen.
Die Künstler haben unleugbar bedeutende An-
strengungen gemacht; trotzdem sie aber darauf an-
gewiesen sind, vom Ertrage ihrer Arbeiten zu leben,
haben sie sich um denselben gebracht, indem sie in
einen Gegensatz zu den Fabrikanten getreten sind.
Eine derartig geführte künstlerische Bewegung muß
notwendiger Weise unfruchtbar bleiben. Was hat der
Künstler anzustreben der ein Möbel entwirft? Eine
zweckentsprechende Form zu schaffen und zugleich
den Erfordernissen des Werkstoffes gerecht zu werden,
außerdem aber den Preis zu bedenken, den er vom
Käufer fordern soll. Was geschieht nun aber bei uns
fast in allen Fällen?

Der Künstler hat ein Einvernehmen mit einem
Fabrikanten weit von sich gewiesen. Er fabriziert
selber. Er hat aber weder Arbeiter, noch Werk-
stätten, noch Kapitalien. Er muß also Fassonnierer
beschäftigen, deren Tätigkeit er nur wenig wirksam
überwachen kann, so daß er nach allen Richtungen
verraten und verkauft ist. Daraus ergibt sich einer-
seits eine Steigerung der Herstellungskosten, anderer-
seits kann er, bei dem Mangel an Betriebskapital,
nicht ein halbes oder ganzes Dutzend Stücke nach
dem gleichen Modell herstellen lassen, sondern immer
nur ein einzelnes Stück. Und doch wäre er einzig
und allein bei einer Anfertigung von größeren Mengen
imstande mit der betriebenen Großfabrikation von
Schlafzimmern im Stile Ludwigs XVI. oder von Speise-
sälen im Geschmacke Heinrichs II. in Wettbewerb
zu treten. Auch die beständigen Verbesserungen,
deren ein Modell bedarf, um auf der Höhe zu bleiben,
können aus Mangel an Kapital nicht vorgenommen
werden; es wird also dem Käufer eine unvollkommene,
unter kläglichen künstlerischen und kaufmännischen
Bedingungen ausgeführte Arbeit geboten. Und vor
allen Dingen sind, wenn selbst das Möbel gut ge-
lungen sein sollte, seine Herstellungskosten so hoch,
daß der Künstler, sogar unter Verzicht auf jeden
eigenen Nutzen, einen Preis fordern muß, der einen
Liebhaber des Gegenstandes auf Nimmerwiedersehen
in die Flucht schlägt. Der Künstler wird klagen, daß
er nichts verdiene und daß er große Opfer gebracht
habe. Das ist vollkommen wahr, es wird aber den
Käufer nicht hindern, zum Fabrikanten zu gehen und
dort für einen vernünftigen Preis ein gut gelungenes
Möbel zu erstehen, das vielleicht seinen künstlerischen
Wünschen weniger entsprechen, doch nicht so viel
kosten wird, wie eine ganze Zimmereinrichtung.

Wer hat nun Recht, der Künstler oder das Publi-
kum?

Dieser Geist, einen Geist der Unabhängigkeit
 
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