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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0083

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KLEINE MITTEILUNGEN

Wir haben also mehr denn je gegen die Gleich-
gültigkeit des Publikums anzukämpfen, und unglück-
licherweise ist der Käufer ein Teil dieses Publikums.

Was tun wir nun, um in diesem Kampfe zu siegen?
Schaffen wir unter den Künstlern oder gemeinsam
mit den Fabrikanten eine praktische und verständige
Fabrikation? Veranstalten wir wahrhaft künstlerische
und interessante Ausstellungen? Nichts von alledem!
Um die Wahrheit zu sagen — wir tun nichts. An-
statt sich in gleichstrebende Gruppen zu vereinigen
und zu fabrizieren, anstatt künstlerisch betriebene
Werkstätten ins Le-
ben zu rufen, wie
das in Deutschland
und Österreich ge-
schieht, beharren un-
sere Künstler dabei,
ein jeder einzeln zu
kämpfen, und sie
tun dies anscheinend
ohne große Hoff-
nung auf einen Sieg.

Die Ursache die-
ses Zustandes liegt
zu einem wesent-
lichen Teile in un-
serem Unabhängig-
keitssinne; trotzdem
halten die meisten
von uns an dieser
Unabhängigkeit fest,
die ihnen mehr zu
gelten scheint, als
günstige Erfolge
unserer Bestrebun-
gen auf den ein-
schlägigen Gebieten.

Es kommt frei-
lich noch ein anderes
hinzu, was die glück-
lich begonnene Be-
wegung unfruchtbar
zu machen, ja sie
vielleicht zum Still-
stande zu bringen
droht, wenn nicht
Vorkehrungen da-
gegen getroffen wer-
den. Dieses Hinder-
nis liegt in der Art

des bei uns erteilten kunstgewerblichen Unterrichts,
der durchaus theoretisch bleibt, während doch die
Praxis berufen wäre, eine große Rolle darin zu spielen.

Was weiß ein Schüler, der von der Kunstgewerbe-
schule kommt? Eigentlich nichts. Nichts von dem
später von ihm zu betreibenden Handwerk, nichts
von dessen praktischen Erfordernissen. Das alles hat
er noch zu lernen, und häufig lernt er es nicht. Er
beschränkt sich darauf, Zeichner zu bleiben und er
entwirft Zeichnungen, die die Industriellen umarbeiten
müssen, um sie nutzbar zu machen. Das gibt die

BUCHEINBAND MIT FARBIGEN LEDEREINLAQEN UND HAND-
VERGOLDUNG VON HOFBUCHBINDER ED. SCHOLL NACHF,
KARLSRUHE I. B.

Erklärung für eine Antwort, die von vielen Indu-
striellen solchen Künstlern gegeben wird, die bemüht
sind, sich in bezug auf Technik zu unterrichten.
Machen Sie uns nur einen schönen Entwurf, wir
werden es übernehmen, ihn ausführbar zu machen.
Sicherlich werden sie das tun, allein um welchen Preis!
Was wird trotz allen guten Willens aus dem Entwurf,
wenn er durch technisch notwendige Umformungen
entstellt ist, auf die er nicht berechnet war!

Eine derartige Auffassung von der dekorativen
Kunst ist unbedingt falsch und widersinnig. Es ist

einer ihrer ersten
Grundsätze, die nö-
tigen Umbildungen
der Naturform in
die Kunstform aus
den technischen Er-
fordernissen des zu
behandelnden Stof-
fes herzuleiten. Diese
Erfordernisse haben
dem ausführenden
Künstler während
des ganzen Verlau-
fes seiner Arbeit als
Richtschnur zu die-
nen und die Arbeit
einheitlich zu ge-
stalten. Sind bei
einer solchen Ent-
wurf und Ausfüh-
rung in der geschil-
derten Weise zwi-
schen dem Künstler
und dem Techniker
geteilt, so kann dies
nur durch einen sel-
ten glücklichen Zu-
fall zu einem gün-
stigen Ergebnis
führen.

Es müßte dem-
nach die Aufgabe
der Kunstgewerbe-
schulen sein, Hand-
werker mit hohem
technischen Kön-
nen heranzubilden,
nicht aber soge-
nannte Künstler.
Denn diese haben einerseits nicht die praktischen
Kenntnisse, die sie als Handwerker besitzen müßten,
andererseits mangelt es ihnen aber an der ästhe-
tischen Kultur, an der gründlichen Kenntnis von den
zeichnenden und bildenden Künsten, wie sie für den
Künstler vonnöten sind. Man hat also ein Zwitter-
wesen herangebildet, einen Unnütz. Das macht sich
leider mehr denn zuviel ebenso in den Ausstellungen
wie in der gesamten kunstgewerblichen Produktion
auf Schritt und Tritt bemerkbar.

Welches sind nun die Mittel, um diesen Zustand
 
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