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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Pabst, Arthur: Beobachtungen über gewerbliche Erziehung und praktischen Unterricht in den Schulen der Vereinigten Staaten von Nordamerika: Nach einem Vortrage, gehalten im Kunstgewerbeverein zu Leipzig am 31. Januar 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0206

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IN DEN SCHULEN DER VEREINIGTEN STAATEN VON NORDAMERIKA

199

BUCHEINBÄNDE IN FARBIGER LEDERMOSAIK VON
ED. SCHOLL NACHF., KARLSRUHE

anderen weiblichen Handarbeiten. Auch das Singen
bildet einen Lehrgegenstand in diesen Schulen, und
der große Andrang von Schülern und Schülerinnen
zu denselben beweist, wie sehr sie dem Bildungsbe-
dürfnis der arbeitenden Klassen der Bevölkerung
entgegenkommen. Die durchschnittliche Schülerzahl
einer Schule beträgt etwa 3000 junge Leute beiderlei
Geschlechts, die in zwei Abteilungen, und zwar jede
Abteilung an zwei Abenden wöchentlich, kommen.
Die Unterhaltungskosten einer solchen Schule belaufen
sich für die Zeit eines Winterhalbjahres auf 40 bis
45000 Mark, da aller Unterricht vollständig frei er-
teilt wird. Für einzelne Unterrichtsfächer sind die
durchschnittlichen Kosten unverhältnismäßig hoch, so
wurde mir z. B. mitgeteilt, daß auf jeden Zögling in
der »Evening Industriell Drawlng School« ein jähr-
licher Kostenaufwand von rund 150 Mark kommt.
Die Mehrzahl der Zöglinge dieser Abendklassen ge-
hört dem weiblichen Geschlechte an, was hervorge-
hoben zu werden verdient im Gegensatz zu unseren
deutschen Verhältnissen, in denen wir Fortbildungs-
schulen für Mädchen, die den Besuchern ohne Kosten
geöffnet sind, fast gar nicht kennen. Es ist charakte-
ristisch für die amerikanische Volkserziehung, daß
sie den Mädchen ebenso viele und leicht zugängliche
Bildungsgelegenheiten bietet, wie den Knaben; nicht
nur, daß überhaupt die meisten öffentlichen Bildungs-
anstalten beiden Geschlechtern zugänglich sind, son-
dern es sind außerdem auch eine Anzahl vorzüg-
licher Einrichtungen speziell für die Bildung des
weiblichen Geschlechts geschaffen worden, die eine
viel größere Ausdehnung und Bedeutung besitzen,
als das, was wir in Deutschland in der Form von
Töchterschulen, Gymnasialkursen für Mädchen und
ähnlichen Bildungsanstalten besitzen. Es sei nur
z. B. auf die »Frauen-Colleges< hingewiesen, von
denen Vassar und Wellesley College die berühmtesten
sind und infolge der großen Zahl von Studierenden
in der Tat eine hervorragende Bedeutung erlangt
haben.

Es liegt nicht in der Aufgabe dieser Arbeit, auf
die für das weibliche Geschlecht im besonderen be-
stimmten Bildungsanstalten und überhaupt auf alle

die Fragen, die damit zusammenhängen (soziale
Stellung und Berufstätigkeit der Frau usw.), einzu-
gehen; nur einer in Boston im Jahre 1902 begründeten
Berufsschule für Frauen soll noch mit wenigen Worten
gedacht werden, da sie mir ebenso wie das Wellesley
College als eine Anstalt von so vorzüglicher Aus-
stattung erschien, daß wir in Deutschland etwas ähn-
liches wahrscheinlich überhaupt nicht aufzuweisen
haben.

Das Simmons College, nach dem Willen seines
Begründers errichtet zu dem Zwecke, durch Ausbil-
dung in Kunst, Wissenschaft und Gewerbfleiß Frauen
zu einem unabhängigen Leben zu befähigen, besitzt
so reiche Stiftungen, daß es sich in seinen neuen
schönen Gebäuden überaus vornehm einrichten konnte.
Der Kursus der Schule ist vierjährig. Die allgemeinen
Unterrichtsgegenstände sind: Englisch, Geschichte,
Griechisch oder Latein, Deutsch, Französisch, Mathe-
matik. Der Fachunterricht erstreckt sich auf die Aus-
bildung für Kinderpflege und Krankenpflege, Haus-
haltung, Gartenkultur, Ausbildung von Sekretärinnen,
Bibliothekarinnen und wissenschaftlichen Lehrerinnen.
Auch für die Arbeit auf sozialem Gebiete sind be-
sondere Kurse eingerichtet. Für diese einzelnen
Unterrichtszweige sind spezielle Lehrpläne zusammen-
gestellt, innerhalb deren die Schülerinnen eine be-
stimmte Wahlfreiheit haben. Der körperlichen Er-
ziehung wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet
und die allgemeine Bildung wird durch Vorlesungen
und Abendklassen gefördert. Das Schulgeld beträgt
100 Dollar, doch sind auch Freistellen vorhanden.
Die Schülerinnen wohnen zum Teil in einem zur
Schule gehörigen, stattlichen vierstöckigen Hause, der
Simmons-Hall (für 200—300 Dollar jährlich), oder
in anderen, von der Schule empfohlenen Pensionen.
Die ganze Anstalt ist noch in der Entwicklung be-
griffen und wird offenbar mit der Zeit eine große
Bedeutung nicht nur für Boston und die nähere Um-
gebung erlangen.

Die vorstehenden Ausführungen beschränken sich
auf die Schilderung der elementaren gewerblich-tech-
nischen Erziehung, wie ich sie in einer Anzahl der
von mir besuchten Schulen allgemeinen und gewerb-
lichen Charakters kennen gelernt habe.
 
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