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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst: Porzellanstil
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0239

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232

PORZELLANSTIL

OASKRONE, ENTWURF: OTTO KLÖDEN,
AUSFÜHRUNO: DRESDENER KUNSTWERK-
STÄTTEN K. M. SEIFERT

durch dies dekorative Prinzip erst die reine Farbigkeit
des Porzellans zur unbehinderten Möglichkeit.

Dies farbig-dekorative Prinzip ist mit ganzer Kon-
sequenz immer am chinesischen Porzellan durchge-
führt worden und hat hier seine wundervollen Wir-
kungen herbeigeführt. Das europäische Porzellan da-
gegen, weniger feinfühlig, ist von ihm oft genug ab-
gewichen: schon bald nach der Erfindung dringt die
Miniaturmalerei aus der Emailmalerei in das Porzellan
ein und führt zu einer Art graziöser Gemälde, die
sich von dem erwähnten Flächenstil bedenklich zu
entfernen scheinen. Doch diese Versündigung ist
weniger schlimm, als man auf den ersten Blick zu
meinen glaubt. Zunächst machen sich ihre etwaigen
üblen Folgen schon dadurch weniger bemerkbar, daß
diese Bildchen, wenn, wie es hier die Regel, nur in
kleinem Maßstabe auf kleinen Gegenständen ange-
bracht werden, ihre dekorativen Schwächen weniger
bloßlegen, als sie es bei großen Objekten in großem
Maßstabe tun würden. Sie vermehren in diesem Fall
sogar durch ihre Feinmalerei den delikaten Charakter

des Porzellans, der doch immer einer seiner Hauptvor-
züge bleiben muß. Dann aber hat man es damals
verstanden, derartige Bilder in der Regel stark de-
korativ für die Porzellanwirkung zuzustutzen. Die
Tiefe im Bilde ist möglichst wenig betont, das ganze
Bild immer deutlich als vom Grund sich lösende
Silhouette behandelt, und schließlich sind die Farben
so zusammengefaßt worden, daß große farbige Flecke
entstehen, die koloristische Kraft und Klarheit auch
noch für einen größeren Abstand zeigen. Erst später
ist dann das »Porzellangemälde« ins Porzellan ein-
gezogen, die gedankenlos getreue Kopie irgend eines
Gemäldes, bei der das Porzellan die Rolle der Lein-
wand, des Papiers übernimmt, eine der schlimmsten
Verirrungen auf dem Gebiet der dekorativen Kunst,
wofern es nicht auch hier trotz alledem, wie an seinem
ersten Anfange, gelingt, lebhafte, leuchtende Far-
ben zu erzeugen, wie sie außer dem Porzellangrund
wohl nur noch der Metallgrund des Emails, der aber
meist nur für ebene Flächen zu verwenden ist, zu
erzielen vermag. Unter die Hände des farben-
schwachen ig. Jahrhunderts geraten, hat jedoch dies
»Porzellangemälde«, das an sich dem dekorativen
Flächenstil des Porzellans so feindlich wie irgend
möglich gesinnt ist, mehr als irgend etwas anderes
die Vernichtung unseres keramischen Stilgefühls her-
beigeführt und wird wohl nur dann in diesen seinen
Folgen dauernd überwunden werden, wenn es für
geraume Zeit dauernd aus unserer Porzellankunst ver-
bannt wird.

Durch alle diese koloristischen Mittel sind mit
der Zeit zwei koloristische Porzellanstile entstanden,
die sich in Wirkung wie Anlage schroff gegenüber-
stehen, von denen aber jeder doch stilistisch durch-
aus berechtigt erscheinen dürfte: das Porzellan wird
entweder durch die Farben völlig bedeckt oder nur
belebt. Der farbige Schmuck verschmilzt entweder
ganz mit der Form oder er begleitet oder unterstützt
sie nur. Im ersteren Falle dient die nicht mehr
sichtbare weiße Masse des Porzellans den Farben
nur noch als lichter, reflektierender Untergrund, wie
die Metallunterlage den Emailen — der Grundstoff ist
darum in keiner Weise künstlerisch überflüssig —, in
letzterem als Malfläche und Grundierung, die die Wir-
kung der Farben beträchtlich hebt. Ersterer Stil hat
seine beste Vertretung in den Porzellanen mit ge-
flossenen oder gleichmäßig aufgetragenen Glasuren
gefunden; er zeigt bald ein lustiges Farbenspiel, bald
die Kraft eines einzigen Farbentons. In menschliche
Gesetzmäßigkeit gebracht, findet er seine Fortsetzung
in den Emailmalereien auf unglasiertem Porzellan
(Biskuit), bei denen auf Grund einer relativ einfachen
Zeichnung die Farben mosaikartig auf den Scherben
aneinandergereiht werden, bis sie ihn gänzlich um-
kleiden, eine Abart dieses Porzellanstils, die bisher
wohl nur in China zur Ausführung gelangt ist. Das
»Porzellangemälde« war dann die letzte Konsequenz
dieses Stils, die, da sie zum Absurden führte, keine
Weiterentwickelung mehr finden konnte. Dieser ganze
geschlossene koloristische Stil aber bedeutet die größte
Ausnutzung des Porzellans als Farbenträger; er stellt


 
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