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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 12.1915

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Nr. 20 (12. Februar 1915)
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https://doi.org/10.11588/diglit.54674#0087
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DER KUNSTMARKT
XII. Jahrgang 1914/1915 Nr. 20. 12. Februar 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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BEVORSTEHENDE AUKTIONEN

Februar
Berlin. *Max Perl. Kupferstiche, Radierungen,
Schabkunstblätter, Lithographien usw. von
Künstlern des 15.—19. Jahrh.
Februar
19.—20.
23.-25.

Berlin. *R. Lepke. Antiquitäten. Alte Gemälde
d. 16.—18. Jahrh. aus d. Nachl. d. Kunst-
händlers Hecht-Berlin u. a.

lieber die mit Sternchen versehenen Versteigerungen ist im Anzeigenteil dieser Nummer Näheres zu finden.

Berlin macht die ersten Versuche (nachdem auch in
Frankfurt a. M. schon einige kleinere Versteigerungen statt-
gefunden haben), Auktionen wieder aufzunehmen. Nachdem
Lepke für den Februar mehrere größere Versteigerungen
angezeigt hat, kommt nun auch Max Perl am 19. und
20. Februar mit einer graphischen Sammlung zu Wort.
Unter diesen aus dem 15. bis Ende des 19. Jahrhunderts
stammenden schwarzen und Farbstrichen, Schabkunstblättern
und Lithographien begegnen wir manchen begehrenswerten
Stücken von Aldegrever, Beham, Dürer, Lucas von Leyden;
dann finden sich schöne Abdrücke der Blätter von Barto-
lozzi, Callot (z. B. die ganze Folge der Fantaisies), Chardin,
Daumier (vollständige Exemplare vom »Musee pour Rire«
und den »Rues de Paris«, sowie die seltene erste Ausgabe
des »Vocabulaire des Enfants«); Demarteau, Fragonard
(Lafontaine, Contes et Nouvelles 1795 mit Abdrücken vor
Nummern und Schrift); Freudenberg, Gavarni (sehr schöne
Exemplare der Hauptwerke), Greuze, Lavreince, Moreau
le Jeune. Besonders reich sind noch die Abteilungen
Chodowiecki (dabei sieben Handzeichnungen) und Menzel
(erste Ausgabe von Kugler, Geschichte Friedrichs des
Großen mit den beiden später unterdrückten Holzschnitten
und zwei Bleistiftzeichnungen).

Rembrandts sämtliche Radierungen. In getreuen
Nachbildungen herausgegeben mit einer Einleitung von
Jaro Springer. München, Holbein-Verlag. Fol. 3 Bde.
(jeder Band 50 M., auf Handjapan 200 M).
Rembrandt führt uns ganz besonders zu Gemüt,
welchen ungeheuren Schatz für die Menschheit das Schaffen
des Genies ist und wie es ein Pfund ist, mit dem man
schier endlos wuchern kann. Schon 1853 gab Blanc das
radierte »Werk« des Meisters heraus, in 100 photogra-
phischen Tafeln und 1873 nochmals mit vielen Holzschnitten,
40 Kopien von Flameng und 35 Heliogravüren von Amand
Durand. Aber erst 1880 brachte er eine Gesamtausgabe,
in der jedes Blatt in einer Heliogravüre von Delangle
erschien. Bereits drei Jahre später konnte eine ebensolche
Ausgabe von Dutuit mit Heliogravüren von Charreyre unter-
gebracht werden. Im Jahr 1882 wurde von Berlepsch-
Obernetter eine Gesamtausgabe (40 Lfgn.) in Lichtdruck
angekündigt: ob sie bis zu Ende erschienen, weiß ich nicht,
da sie mir nirgends unter die Hände gekommen ist. Das
Jahr 1895 brachte uns das Riesenwerk von Rovinski, das
Lichtdrucke nicht nur von jedem Blatt, sondern von jedem
Zustand bietet. 1906 erschien meine Ausgabe in den Klas-
sikern der Kunst, von der 1910 eine zweite Auflage erfolgte.
Das sind sozusagen nur die Gesamtausgaben. Außerdem hat
das Publikum die Auswahlveröffentlichungen von Janitsch und
Lichtwark (1885, 27 Heliogravüren der Reichsdruckerei), von
Amand Durand (1872—77, 81 Heliogravüren), von Lippmann
in den Mappen der Reichsdruckerei (1889—1899, 19 Helio-

gravüren) und von Hamerton-Dodgson (1905, 50 Heliogra-
vüren), ganz abgesehen von den vielen Monographien, in
denen die Radierungen in Buchdruckwiedergaben erschienen,
aufgenommen. Heute aber kann sich ein Verlag schon
wieder an eine vornehme, teure Gesamtherausgabe wagen,
— sogar selbst in diesen Kriegszeiten wagen. Wie gesagt, was
für greifbare, nach Mark und Pfennigen berechenbare Werte
so ein Genie der Menschheit geschaffen hat, ist ungeheuer.
Die Hauptaufgabe besteht wohl heute darin, eine Heraus-
gabe zu bewerkstelligen, deren Reproduktionen wenigstens
eine Ahnung von den ästhetischen Werten der Originale
vermitteln. Rovinski richtet sich nur an die Sammler: daß
seine schmierigen Lichtdrucke keinen künstlerischen Genuß
bereiten konnten, hat er selbst gewußt und es kam für
seinen besonderen Zweck nicht in Frage. Auch die Auto-
typien meiner Klassiker der Kunstausgabe wollen nicht
dem ästhetischen Genießen dienen, weil sie es nicht können.
Genau wie zu den Ölgemälde-Originalen verhalten sich
die Autotypien auch zu Radierungs-Originalen. Sie können
nur starke Erinnerungen an sie erwecken.
Nur die Tiefdruckwiedergabe (Heliogravüre und Photo-
gravüre) kann die künstlerischen Schönheiten der Radierung
(die ja auch Tiefdruck ist) mehr oder minder festhalten.
Delangles Heliogravüren waren flau, aber im Schatten nicht
schlecht, Charreyres kräftig, in der Wiedergabe des Stiches
und des Radierungscharakters recht gut, aber in der Linie
oft retuschiert. Auch Amand-Durand wahrte den Gesamt-
charakter gut, hat aber durch Retuschen die einzelnen
Linien oft ganz verändert. Damals war eben die Technik
der Heliogravüre noch nicht so weit. Tadellos sind ge-
wiß die Faksimile-Heliogravüren der Reichsdruckerei: ein-
zelne Blätter sind wirklich von den Originalen kaum zu
unterscheiden: — aber die Lippmann-Mappen bieten nur
19 solcher Faksimiles.
Für die neue jetzt erscheinende Ausgabe bediente sich
der Holbeinverlag des modernsten Tiefdruckverfahrens, das
meist in der Rotationspresse gedruckt wird. Es ist im
Grunde genommen nichts anderes, als ein umgekehrtes
Autotypieverfahren. Wie dieses muß es den Stich zerlegen,
die Tiefen brechen und die hellen Lichter dämpfen. Aber
wie dieses arbeitet es mit dem allerfeinsten Raster, der
— dem bloßen Auge kaum merkbar, — die eben ausge-
führten Mängel auf ein ganz geringes Maß zurückdrängt.
Rembrandt, insoweit er als Radierer oft voll in den
Ton geht mit seinem berühmten Helldunkel, das aus der
Gratwirkung entsteht, kommt diesen Reproduktionsverfahren
entgegen. Halten wir Wiedergaben wie den »Tod der Maria«
(B. 99), »Selbstbildnis mit aufgestütztem Arm« (B. 21),
»Triumph des Mardochai« (B. 44), »Ansloo« (B. 271), »Die
Hütte und der Heuschober« (B. 225), »Die drei Bäume«
(B. 212) in der Hand, so weht einem tätsächlich etwas vom
künstlerischen Hauch, der vom Original ausgeht, entgegen.
 
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