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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,3.1911

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Heft 13 (1. Aprilheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Schmücken? Gestalten!
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Marsop, Paul: Die Erneuerung der Opernregie
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https://doi.org/10.11588/diglit.9032#0022
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internationalen Wettbewerbe Erfolge erreicht, die wir zehn Iahre
früher nicht für möglich gehalten hätten. Wir würden sie als noch
viel größer erkennen, wenn wir nicht, der Poiretsche Sonnenstich be--
weist auch das, für alles Licht von der Seine noch überempfänglich
wären — selbst, falls es dort nur gespiegelt wird, wobei, nebenbei be--
merkt, so gnt wie in London, sehr häufig gerade deutsche Arbeiter
die Spiegel bewegen. Der Mut, Deutsche, ganz Deutsche zu sein,
ist das eine, was uns noch am Weltsiege auch auf diesem Gebiete
hindert. Und das Zweite? „6stsrum eeiwso: Volkswirtschaft der gei--
stigen Güter", rufen mir soundso viele Leser lächelnd zu. Ganz
meine Meinung — aber davon ein andermal wieder. Also drittens:
eine klare Kultur des ästhetischen Erkennens, die uns auch mit
davor bewahren hilft, unsre roten Backen durch Skrupel und Zweifel
zu bleichen. Klären wir unsre Gedanken und machen wir dadurch die
Kräfte frei, um mit allerweitestem Verzicht aufs Dekorieren im kunst--
gewerblichen Gestalten ernst zu machen, so werden wir Stil
bilden nicht nur für uns, sondern für die Welt. Es ist trotz aller
Ansicherheiten und Schwankungen niemals in unsrer ganzen Geschichte
so viel Hoffnung dazu gewesen, wie jetzt. A

Die Erneuerung der Opernregie

^-r^-ine angesehene Theaterzeitung stellte jüngst allen Ernstes die
E^Frage zur Erörterung: muß ein Opernregisseur musikalisch ge--
^»^bildet sein? Und tüchtige Fachleute legten ihre Denkerstirn in
Falten und antworteten allen Ernstes mit wohldurchdachten theore-
tischen Betrachtungen. So sind wir in Deutschland. L^lopfte jemand
mit der sinnvollen Rede an unsere Tür: muß ein Maler Ol- von
Wasserfarben unterscheiden können? Oder: muß ein Schneider mit
der Nähnadel Bescheid wissen? so würden wir uns, gesammelten
Geistes, an unseren Schreibtisch setzen, und mit aller gebotenen Gründ-
lichkeit beweisen, daß eine gewisse Fertigkeit in der Nadelführung
für den Bekleidungskünstler immerhin wünschenswert sei.

Wo liegt eigentlich Bayreuth? In Sumatra oder in Patagonien?
Seit beinahe vierzig Iahren veranstaltet man in Reiches Mitten fest-
liche Darstellungen von Musikdramen. Italiener und Franzosen,
Engländer und Amerikaner bezeichnen die Bayreuther Inszenie-
rung als im wesentlichen mustergültig, vorbildlich. Sie wissen,
daß das -L, und 0 dieser Inszenierung das Herausformen und Lebendig-
machen des dramatischen Vorganges aus dem Geiste der Musik ist.
Doch bei uns stammelt man nicht etwa in Liebhaberkränzchen, sondern
im engeren Kreise der Bühnenvertrauten Anno Wj noch ganz naiv
die Worte hervor: muß ein Opernregisseur musikalisch sein?

Nnmaßgeblich: für die Praxis — auf die es Männern, die etwas
fördern wollen, doch allein ankommt — wäre brauchbareres Ge-
dankenmaterial zu gewinnen, wenn man folgendermaßen fragen würde.
Erstens: weshalb muß die Opernregie von Grund aus anders be°
schaffen sein als die Schauspielregie? Ich skizziere. Im gesprochenen,
vornehmlich im Prosaschauspiel: Bühnenraum von möglichst geringer
Tiefe, schon mit Rücksicht auf die Akustik; reicher entwickelte Handlung

k- Aprilheft Mk
 
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