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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,3.1911

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Heft 14 (2. Aprilheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Feuerbach
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9032#0117
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sten und Tiefsten in seiner Kunst. Eine allgemeine Suggestion sagt:
hier habt ihr einen Schatz. Das macht bereitwillig zum Genuß, aber es
veräußerlicht ihn auch. Es legt wie eine abgeschnittene schöne Blume
hin, was Lebenswert nur gewinnt, wenn man's in sich selber auf-
zieht. Vielleicht sehen wir zu leichthin an Feuerbachs Sterblichkeiten
vorbei, wo wir erfassen und verarbeiten müßten, um Ewiges in uns
nachzuentwickeln. Anselmo den Anmutigen zwar, dessen kann sich
ein jeder erfreuen. Feuerbach, der Künstler des Großen jedoch und
der noch größere Mensch, Feuerbach — um ein abgegriffenes
Wort hier, wo es klarsten Gepräges gilt, zu brauchen: Feuerbach
der Erzieher empfängt nur die, welche sich schon selber ein Stück
weit erzogen haben.

Für sie aber ist die Zeit nun da. In wie vielen von uns wird sein
Adel ein Ostern finden? Wie vielen wird er tzelfer werden, im Seien-
den das Große zu sehn, das Ewige zu fühlen? Es ist nicht die kleinste
unsrer Aufgaben, dafür zu wirken, nun wir das können. A

Lose Blätter

Aus Beyerleins „Stirb und Werde"

sManche Erfahrung wiederholt sich im Leben so oft, in so zahllosen
und vielfältigen Älbwandlungen, daß sclbst der aufmerkende Lebcnde ihrer
bald kaum mehr gewahr wird; nur in vereinzelten starkcn Augcnblickcn
wird sie plötzlich wieder einmal bewußt, dann versinkt sie allmählich
im Alltagsstrom abermals. Kein drohendes memento mori wird es
je zuwege bringen, daß cin kräftig ausschreitender Erdbürger allzeit des
nahen Todcs gedenkt, keinc Ben-Akiba-Weisheit wird die Lust gcsunder
Naturen am Neuen und Aufkeimenden zerstören. Untergang und Auf-
gang alles Lebens ist uns so gewohnt, daß wir zu einem tieferen Be-
trachten dieser Daseinspole selten noch angeregt sind. Aber gerade solche
allgemeine Erfahrung in ihrer wirklichen Erscheinungform einer- und
in ihrer das Leben sozusagen durchquerenden tieferen Bedeutung ander-
seits, gerade solchc rcizen das gestaltende Schaffen dcs Dichters leicht; sic
bieten Gelegenheit, das Leben nicht einfach zu kopicren — da sie ja eben
in ihrer umfassenderen Mächtigkeit dargcstellt scin wollen — und eben-
sowenig es shmbolisch-mhstisch zu verphilosophieren, — da sie ja an all-
täglichem Erleben am sichersten dargestellt wcrdcn können. Da drohcn
nun zwei Gcfahren: Der Dichter gerät einmal leicht ins Triviale; es
läßt sich zum Beispiel der Kampf zwischen Altcr und Iugend, ein sehr
alltägliches Erlebnis, welches Turgcnjews größte Dichtnng in großcr
menschlicher Wahrhcit darstellt, auch sehr matt und flach auffassen. Eine
Sammlung von kleinlichen Neibereicn in Prosa ist aber keine Dichtung
mit dem Thema „Väter und Söhne", sondern höchstens eine des Titels:
ein Vater und ein Sohn. Zum andern wird unser Poet die lcidigc
Einseitigkeit zu meidcn haben, welche, hat sie schon eine allgemeine Er°
fahrung zum Thema, diese übcrall wicderzufindcn glaubt und darum
das ganze Leben romanhaft zum Exempel für scinc Alltagwcishcit herab-
würdigt.

Kunstwart XXIV,
 
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