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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,3.1911

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Heft 14 (2. Aprilheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Feuerbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.9032#0110
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Iahrg. 24 Zweites Aprilheft 1911 Heft 14

Feuerbach

^^stern — Auferstehn! Das Weh der Passionswochen löst sich, der
^ ^Karfreitagzauber ruft die Blumen wach, das Fest der Erfüllung
trägt wieder die große Freude über die Welt. Vielleicht wär
es gut, wenn sie nicht so oft eine so verschwommene Freude wäre,
die, wie sie sich weitet und breitet, auch dünn und dann wieder ein-
gesogen wird vom Sand. Wie wär's, wenn wir alljährlich einen
Seitenfluß, und sei's ein Seitenbächlein vom großen Strom der
christlichen und sonst religiösen Frohstimmung zu einem besonde--
ren Dienst ableiteten? Dazu etwa, uns vertrauter zu machen mit
einem Edlen und Großen, dessen Göttliches in gewissem Sinne für
uns verschollen war und der uns wiedererstehen könnte?

V

Ienen, die jeht in den Fünfzigern stehen, bedeutet der Name
Feuerbach eine der wundersamsten Gestalten ihrer Erinnerung.
Lin Mann, der in unsrer Iugend schon da war, denn man
spürte seine Kraft, aber irgendwo in der Ferne, — ein Ich, das aus
seinen Bildern zugleich eindringlich und zurückhaltend zu uns sprach,
und zugleich deutsch und fremdländisch, — ein Mensch, den Mit-
menschen Glück gebend und doch, so hieß es, selbst ohne Glück, geistvoll
und schön, ringend und arm, dann und wann mit schrägem Schlag-
licht von Ruhm umleuchtet, dann wieder von Nebeln umdunstet und
von Kleinlichkeiten umregnet. Nun schien er ein Hochragender, der
siegreich über seine Feinde zu großen Taten in die Kaiserstadt zog —
nein, schon war er wieder ein Flüchtender. Nnd endlich einer, der
plötzlich in der Fremde gestorben war, man flüsterte und glaubte
zunächst: aus Verzweiflung an seinem Volke durch eigne Hand. Aber
neben seinem Sarge sahn wir die edelste der Mütter, stand, die
sein Leben lang für ihn gelitten und gekämpft, und hob die goldne
Palme über das Vermächtnis ihres Sohns. Da ging es wie Er-
wachen durch die Gebilde seiner Hand, und es blickte aus dem, was
der Menge bisher nur Bild geblieben war, zu mehreren und mehreren
ein Leben segnender Schönheit.

V

Im Feuerbachischen hause war nicht bildnerisch-schöpferischer Geist,
sondern ästhetisch-kritischer erblich — ich glaube, es hilft den Künstler
verstehn, wenn man gerade dessen recht eingedenk bleibt. Kam bei
seinen Vorfahren, in bescheidenem Maße, künstlerisch Prodnktives da°
zu, so war es nicht bildnerischer, sondern literarischer Art, — auch das
wirkt in dem jüngsten Anselm fort. Dazu sich offen ausgebende oder
geheim verzehrende Leidenschaftlichkeit als gemein Feuerbachisches Erbe.
Im Großvater der energische Willen, das als richtig Erkannte auszu-
sprechen, aller Welt zum Trotz — man denke des Kaspar-Hauser-Falls.
Beim stillen Vater das feinsinnigste Einleben insbesondere in die
Antike, freilich, man spürt's aus dem ergreifenden «Vatikanischen

2. Aprilheft M 73
 
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