derung cincs tragikomischen Schick-
sals kundgibt und auch dort den
menschlich schönen und warmen
Grundton fcsthält, wo die satirische
Launc des Verfassers ins Groteske
abbicgt. Wcr ein rechter Pcchvogel
ist, dem wenden sich selbst außer--
ordentliche Glücksfälle zum Unheil:
das tut dic Komödie an einem
armen Teufel dar, der wie durch
cin Wunder aus cinem Eisenbahn-
unglück errettet worden ist. Nur
ein einziges Mal in seinem von
Not und Mißgunst bcdrängten Le-
ben wollte er ein bißchen corrixer
Is korlune, dazu erschien ihm sein
Glück bei dcr Zugsentgleisung wie
cin Fingcrzeig von oben, zumal
scinc Ehrlichkeit bci dcr Bcwerbung
um cine Anstellung wicder einmal
cinc argc Enttäuschung erfahren
hattc. So vcrsucht cr's denn mit
eincm klcincn Schwindel, er simu-
licrt als Folge cines beim Eisen-
bahnunglück crlittcncn Nervenchoks
eine traumatischc Neurosc, um für
sich und dic Scincn wcnigstcns eine
bcschcidcne Entschädigungsrente hcr-
auszuschlagcn — abcr cr bewirkt
damit nichts andres, als daß er
eincn nun wirklich winkcndcn Di-
rektorpostcn vcrliert. So straft das
Lcbcn allcs Halbe. Man schwindle
oder man sei ehrlich — wer's mit
bcidem versucht, kommt zwischen
zwei Stühle zu sitzen. Ohne jeg-
lichen szenischen Apparat wird diese
Anekdote in Handlung umgeseht
und mit cinem dramatischen Witz
durchgeführt, dessen satirisch-schmuck-
losc Sachlichkeit unwillkürlich an
dic Komödien Molieres erinncrt,
namcntlich in dcn drastischen Sze-
nen, dic sich gegen die Iustiz und
die Ncrvenspezialisten wenden und
die sich von der sorgfältig, fast zu
sorgfältig durchgepinselten Aus-
malung klcinbürgerlichcr Familien-
sorgcn doppelt wirksam abhebcn.
Schade, daß das Scherzspiel nach
dcr belustigcnden Kcckhcit des zwei-
ten Aktes Ziel und Richtung ver-
licrt und in dem Bestreben, der
spießbürgcrlichcn Moral genugzu-
tun, es weder zu einer banalen,
noch zu eincr ungewöhnlichen
Schlußpointc bringt, sondern im
Sande dcr Ratlosigkeit vcrrinnt.
Entschließt sich Lothar Schmidt, den
dritten Akt im Geiste seiner bei-
den Vorgänger umzugestalten, dann
wird man seine neue Komödie auch
andcrswo als Erlösung von der
ausgeklügelten Tollhcit der privi-
legicrtcn Posscnrcißcr jcnseits und
diesscits dcr Vogcscn bcgrüßen.
Theodor Antropp
Gertrud Eysoldt
urch andauerndc Lobcrhebungen
der Zeitungen ist es gelungen,
dic Meinung zu verbrcitcn, Ger-
trud Ehsoldts Kunst bcstehe darin,
Wedekinds Lulu angemessen und
geistreich zn verkörpern. Und so
hättcn wir dcn scltsamcn Fall, daß
eine hervorragende Leistung eine
Künstlerin am Vollumfang ihres
eignen Nufes schädigt. Denn was
Fran Eysoldt in ganz andern
Rollen darzubietcn gelang, sollte
meines Erachtens ebensowenig ver-
gessen werden.
Unmittelbar fühlbar wird an
ihrer Kunst für mich sogleich das
Fertige, Feste, Gesicherte. Ich
meine: man experimentiert heute
so viel, man schwankt zwischen
Naturalismen und einer verkleide-
ten Verssprachc, zwischen groben
und feinen Mittcln, man ver-
sucht so oft, impulsiv, und so
selten, aus einer Aberlegung über
das Ganze zu spielcn. Gertrud
Ehsoldt steht solcherlei Wirrnis
fcrn. Sie ist durchaus nicht einem
Stilprinzip untcrtan und heute
durchaus unverglcichbar, — so viele
Lcbcndc auch von ihr gclcrnt habcn.
Sie experimenticrt nicht. Ich habe
h Iunihcft Ml 3U
sals kundgibt und auch dort den
menschlich schönen und warmen
Grundton fcsthält, wo die satirische
Launc des Verfassers ins Groteske
abbicgt. Wcr ein rechter Pcchvogel
ist, dem wenden sich selbst außer--
ordentliche Glücksfälle zum Unheil:
das tut dic Komödie an einem
armen Teufel dar, der wie durch
cin Wunder aus cinem Eisenbahn-
unglück errettet worden ist. Nur
ein einziges Mal in seinem von
Not und Mißgunst bcdrängten Le-
ben wollte er ein bißchen corrixer
Is korlune, dazu erschien ihm sein
Glück bei dcr Zugsentgleisung wie
cin Fingcrzeig von oben, zumal
scinc Ehrlichkeit bci dcr Bcwerbung
um cine Anstellung wicder einmal
cinc argc Enttäuschung erfahren
hattc. So vcrsucht cr's denn mit
eincm klcincn Schwindel, er simu-
licrt als Folge cines beim Eisen-
bahnunglück crlittcncn Nervenchoks
eine traumatischc Neurosc, um für
sich und dic Scincn wcnigstcns eine
bcschcidcne Entschädigungsrente hcr-
auszuschlagcn — abcr cr bewirkt
damit nichts andres, als daß er
eincn nun wirklich winkcndcn Di-
rektorpostcn vcrliert. So straft das
Lcbcn allcs Halbe. Man schwindle
oder man sei ehrlich — wer's mit
bcidem versucht, kommt zwischen
zwei Stühle zu sitzen. Ohne jeg-
lichen szenischen Apparat wird diese
Anekdote in Handlung umgeseht
und mit cinem dramatischen Witz
durchgeführt, dessen satirisch-schmuck-
losc Sachlichkeit unwillkürlich an
dic Komödien Molieres erinncrt,
namcntlich in dcn drastischen Sze-
nen, dic sich gegen die Iustiz und
die Ncrvenspezialisten wenden und
die sich von der sorgfältig, fast zu
sorgfältig durchgepinselten Aus-
malung klcinbürgerlichcr Familien-
sorgcn doppelt wirksam abhebcn.
Schade, daß das Scherzspiel nach
dcr belustigcnden Kcckhcit des zwei-
ten Aktes Ziel und Richtung ver-
licrt und in dem Bestreben, der
spießbürgcrlichcn Moral genugzu-
tun, es weder zu einer banalen,
noch zu eincr ungewöhnlichen
Schlußpointc bringt, sondern im
Sande dcr Ratlosigkeit vcrrinnt.
Entschließt sich Lothar Schmidt, den
dritten Akt im Geiste seiner bei-
den Vorgänger umzugestalten, dann
wird man seine neue Komödie auch
andcrswo als Erlösung von der
ausgeklügelten Tollhcit der privi-
legicrtcn Posscnrcißcr jcnseits und
diesscits dcr Vogcscn bcgrüßen.
Theodor Antropp
Gertrud Eysoldt
urch andauerndc Lobcrhebungen
der Zeitungen ist es gelungen,
dic Meinung zu verbrcitcn, Ger-
trud Ehsoldts Kunst bcstehe darin,
Wedekinds Lulu angemessen und
geistreich zn verkörpern. Und so
hättcn wir dcn scltsamcn Fall, daß
eine hervorragende Leistung eine
Künstlerin am Vollumfang ihres
eignen Nufes schädigt. Denn was
Fran Eysoldt in ganz andern
Rollen darzubietcn gelang, sollte
meines Erachtens ebensowenig ver-
gessen werden.
Unmittelbar fühlbar wird an
ihrer Kunst für mich sogleich das
Fertige, Feste, Gesicherte. Ich
meine: man experimentiert heute
so viel, man schwankt zwischen
Naturalismen und einer verkleide-
ten Verssprachc, zwischen groben
und feinen Mittcln, man ver-
sucht so oft, impulsiv, und so
selten, aus einer Aberlegung über
das Ganze zu spielcn. Gertrud
Ehsoldt steht solcherlei Wirrnis
fcrn. Sie ist durchaus nicht einem
Stilprinzip untcrtan und heute
durchaus unverglcichbar, — so viele
Lcbcndc auch von ihr gclcrnt habcn.
Sie experimenticrt nicht. Ich habe
h Iunihcft Ml 3U