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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,3.1911

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Heft 17 (1. Juniheft 1911)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9032#0426
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sches Glaubensbekenntnis ist noch
immer das Wort: „Knabenstreiche
müssen gewagt werden!" Aber ge-
wagt werden um vernünftiger
Lebensziele willen, und in der
turnerischen Erziehung im Verhält-
nis zu ihrer Entwicklung und mit
der Möglichkeit, zwischen mutigem
Wollen und kraftvoll geschicktem
Können eine natürliche und sittliche
Harmonie herzustcllcn! — Die „Rie-

senschwünge" mögen hingehen und
die „Handstände" will ich keinem, der
Vergnügen daran findet, verwehren
— obwohl ich ein Lurnsystcm, das
ohne sie nicht auskommen kann,
noch in den Kindcrschuhen stecken
sehe —, aber wo der menschliche
Körper zum Spielball unbe-
herrschbarer Schwung- und
Schwerkräfte wird, da hört die
Vernunft auf, und fängt für mich
ein Hinüberlaufen zur Not des
Artistenstandcs an, der allabendlich

h Iuniheft M

seine „Arbeit" darauf einrichten
muß, daß das Publikum sensations-
lüstern zu ihm ins „Variete" kommt
und fürs Genickbruchrisiko sein
„Entree" bezahlt. Soll solche Not
nun auch heimisch werden auf den
nationalen Abungsplätzen, die nach
den Worten des Turnvaters der
deutschen Iugend geweiht sein sol-
len, einer Iugend, „tugendsam und
tüchtig, rein und ringfertig, keusch

und kühn, wahrhaft und wehrhaft
im Wandel?" Vergessen sind heute
die Vorurteile und Angriffe, die
das Turnen einst in den Zeiten
seines Entstehens zu überwinden
hatte. Wie längst verschollene Sage
klingt es an unser Ohr, daß die
Turnerei einst als „Anfug", als eine
„Eiterbeule" im Staatsleben ver-
schrien und daß Iahn als der „Er-
finder der gefährlichen Lehre von
der deutschen Einheit" vom Kran-
kenlager seines Kindes weg in den

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