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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,3.1911

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Heft 18
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9032#0479
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Satz einwandfrei geworden? Ich
für nreine Person kann's nicht sin-
den. Und nehnren wir's trotzdem
an, so würde wohl die Wahl des
Bcispiels als unzweckmäßig nach-
gewiesen, nicht aber die Ansicht
bestritten sein, die ich über die
stilistischen Gepflogenheiten des
Kaisers glaubte äußern zu dürfen.

Im übrigen muß ich daran er-
innern, daß nicht sowohl die
Sprache Kaiser Wilhelms, sondern
ihre schiefe Beurteilung
durch einen großen Teil unsres
Volkes Gegenstand meiner Kritik
war. Dabei bin ich freilich von
der Voraussetzung ausgegangen, es
gelte unter gebildeten Lesern
des Kunstwarts als eine längst
ausgemachte, gar nicht mehr zur
Debatte stehende Tatsache, daß der
Kaiser in seiner lebhaften nnd
raschen Art sich sehr souverän
über die sprachlich logischen For-
men hinwegzusetzen pflege nnd in
diesem Sinne nichts weniger als ein
geborenerStegreifredner sei. Zumei-
nem großen Erstaunen sehe ich, daß
ich mich in meiner Voraussetznng ge°
irrt habe: auch den gcbildetsten
Kreisen angehörige Männer und
Frauen finden es unerhört, daß
ich mich der Vergötterung der
kaiserlichen Nedekunst nicht an°
schließe, unü sind ernsthaft der
Ansicht, ich verallgemeinere unbe-
rechtigterweise einzelne Fälle oder
lege gar den Worten des Kaisers
einen zu engen Sinn unter, um
an seiner Sprache mäkeln zu kön-
nen. Da kann ich mich freilich
nicht der Pflicht entziehen, zum
Beweise mciner Behauptung einige
Beispiele anzuführen, selbst auf die
Gefahr hin, daß man mir unter-
schiebt, ich lege der Frage eine
besondere Wichtigkeit bei. Ich
greife auf gut Glück einige SLtze
heraus, die mir beim flüchtigen
DurchblLttern der Reclamschen

Sammlung der Kaiserreden auf-
gefallen sind, und kann nur ver-
sichern, daß sich mit Leichtigkeit
hundert ebenso und noch mehr
charakteristische Stcllen anführen
ließen. Der Text ist nach den
offiziellen Quellen wieder-
gegeben.

„Aber nicht nur auf dem
Schlachtfeldc, sondern auch in frie-
densreicher Arbeit und in der
Erziehung von Führern hat sich
das Negiment ausgezeichnet, und
wenn ich alle die Generale und
Stabsoffiziere sehe, alte und junge,
die aus dem Regiment hervor-
gegangen nnd hier versammelt sind
oder aber am Erscheinen verhin-
dert waren, so ist das ein Beweis
für den Geist, der in diesem Re-
gimente lebt."

„Im Hinblick hierauf hat das
Regiment sich eine Gabe ausge-
dacht, die zu überreichen mir ob-
liegt,- sie soll darstellen einen Gre-
nadier des Regiments, der die des
Tuches schon längst entbehrende
Fahnenstange in der Hand hält,
die von der Geschichte der heuti-
gen Zeit ein beredtes Wort redet,
die die Zeit durchgemacht hat, be-
sonders die Zeit, der es Ihnen
vergönnt ist, nachzufliegen, und
der es vergönnt ist, den blutigen
Lorbeer um die Stirn zu schlingen."

„Ich glaube ohne Abcrtreibung
sagen zn können, daß ich ein guter
Richter sein kann über die Emp-
fänge in den Städten, die ich zur
Zeit meines Großvaters und Va°
ters, auch seit der Zeit, da ich
regiere, mitgemacht. Ich kann
ohne Äbertreibung sagcn, daß die
Geschicklichkeit, die Anordnung und
der Schmuck in einer Weise sich
hervorgetan haben, wie ich seltcn
gesehen, daß die Stadt Hannover
sich am heutigen Tage in einem
Gewande gezeigt, wie keine andere
deutsche Stadt. Ich bin durchaus

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Kunstwart XXIV, s8
 
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