aus ernst-geschäftigen Fabrikvier-
teln, aus blendenden Geschäfts-
straßen und großzügigen Monu-
mentalanlagen, aus schmucken Ar-
beitersiedelungen und traulichen
oder vornehmen Wohnvierteln. Sie
haben eine andre Schönheit, als
die alten Städte, aber der Grund-
satz ist dcr gleiche geblieben: Städte-
baukunst ist Ausdruck des Volks-
lebens. Wir haben frohe und
crnste, nüchterne und phantasie-
reiche, behagliche und vornehme,
leichtlebige und schwerblütige Städte
und Stadtteile — jedes zeige sich
Wechsel von Ebbe und Flut fort-
während andre Strecken Schlicks
dicht bedeckt, leise überspült oder
ganz freilegt, während auch die
Strömungen der zahllosen Tiefen
immer wechselnde Farbstreifen durch
die schillernden Flächen ziehn. Da-
zu die Einflüsse der Vegetation und
des Tierlebens. Und zu dem wun-
dersamen Nnd immer leise bewegten,
immer lebendigen Farbenzauber
der Watten selber die ganz eigen-
tümliche elegische Poesie ihrer
Küsten. Das ist das größte Gottes-
geschenk an Schönheit für die frie-
Holzschntlt nach Franz Pocci
als das, was es ist, und wir wer-
den in ihrer Gestalt uns ihres Le-
bens freuen! Gustav Langen
Vom gräßlichen Watten-
meer
^^orjahrs lag ich am Hang eines
^^Hünengrabes auf einer nord-
friesischen Insel und genoß augen-
schlemmerisch des Farbenzaubers
auf dem Wattenmeer. Er ist an-
ders, als der auf der „Westsee",
aber wenn ich wählen sollte: was
willst du lieber tagtäglich sehn, ich
wciß nicht, ob ich das große Meer
oder die Watten vorzöge. Hier ist es
noch mannigfaltiger, als drüben im
Westen, weil das Wattenmeer beim
sischen Inseln: daß sie zwei Meer-
landschaften so hoher Art und so
verschiedenen Wesens genießen
lassen.
Wie ich so saß, erschien ein ge-
wählt gekleidetes Ehepaar, Hambur»
ger der Sprache nach. „Na sieh
mal, Hanna," sagte er, „das ist doch
hicr ein recht schöner Aberblick."
Sie schwieg eine ganze Weile.
Dann: „Ist er auch, Paul." Und
wieder nach einer Pause: „Wenn
nur nicht so viel von dem gräß-
lichen Wattenmeer zu sehn wäre."
Na ja, antwortete er, das müßte
man eben auf dieser Seite mit hin-
nehmen, sie wären ja auch nur dies
eine Mal nach Osten gegangen.
2. Iuniheft Ml
399
Heimatpflege
teln, aus blendenden Geschäfts-
straßen und großzügigen Monu-
mentalanlagen, aus schmucken Ar-
beitersiedelungen und traulichen
oder vornehmen Wohnvierteln. Sie
haben eine andre Schönheit, als
die alten Städte, aber der Grund-
satz ist dcr gleiche geblieben: Städte-
baukunst ist Ausdruck des Volks-
lebens. Wir haben frohe und
crnste, nüchterne und phantasie-
reiche, behagliche und vornehme,
leichtlebige und schwerblütige Städte
und Stadtteile — jedes zeige sich
Wechsel von Ebbe und Flut fort-
während andre Strecken Schlicks
dicht bedeckt, leise überspült oder
ganz freilegt, während auch die
Strömungen der zahllosen Tiefen
immer wechselnde Farbstreifen durch
die schillernden Flächen ziehn. Da-
zu die Einflüsse der Vegetation und
des Tierlebens. Und zu dem wun-
dersamen Nnd immer leise bewegten,
immer lebendigen Farbenzauber
der Watten selber die ganz eigen-
tümliche elegische Poesie ihrer
Küsten. Das ist das größte Gottes-
geschenk an Schönheit für die frie-
Holzschntlt nach Franz Pocci
als das, was es ist, und wir wer-
den in ihrer Gestalt uns ihres Le-
bens freuen! Gustav Langen
Vom gräßlichen Watten-
meer
^^orjahrs lag ich am Hang eines
^^Hünengrabes auf einer nord-
friesischen Insel und genoß augen-
schlemmerisch des Farbenzaubers
auf dem Wattenmeer. Er ist an-
ders, als der auf der „Westsee",
aber wenn ich wählen sollte: was
willst du lieber tagtäglich sehn, ich
wciß nicht, ob ich das große Meer
oder die Watten vorzöge. Hier ist es
noch mannigfaltiger, als drüben im
Westen, weil das Wattenmeer beim
sischen Inseln: daß sie zwei Meer-
landschaften so hoher Art und so
verschiedenen Wesens genießen
lassen.
Wie ich so saß, erschien ein ge-
wählt gekleidetes Ehepaar, Hambur»
ger der Sprache nach. „Na sieh
mal, Hanna," sagte er, „das ist doch
hicr ein recht schöner Aberblick."
Sie schwieg eine ganze Weile.
Dann: „Ist er auch, Paul." Und
wieder nach einer Pause: „Wenn
nur nicht so viel von dem gräß-
lichen Wattenmeer zu sehn wäre."
Na ja, antwortete er, das müßte
man eben auf dieser Seite mit hin-
nehmen, sie wären ja auch nur dies
eine Mal nach Osten gegangen.
2. Iuniheft Ml
399
Heimatpflege