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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,3.1911

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Heft 18
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9032#0515
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Traum, in dem alles Ahnen sofort zum Sehn, alles Wünschen zum
Bewegen, alles süße Sehnen znm holden Empfangen wird, alles Erden--
lanü zum Paradies. Wie der Traum unser Ich dramatisch dichtend
in Mehrere zerlegt, so sind wir die Liebenden im schwangezogenen
Kahn nnd die Iungfrau mit den frommen Rossen und der Götter--
jüngling selbst, der, nur die Fußspitze auf dcr wandernden Wunder--
kugel, mit der Himmelsblume durchs purpurne Abendland schwebt.
„Doch ist es jedem eingeboren" ... die Gefühle Faustens bei der
sinkenden Sonne sind gar nicht weit ab von denen, die Thoma hier
ausgedrückt hat, obgleich das Gegenständliche ganz anders ist. And
wenn Faustens Verlangen im Wunsch nach dem Iaubermantel aus->
klingt, der in fremde Länder trägt, so dentet das auch auf die tief
innere Verwandtschaft gerade dieses Werks mit der innigstcn aller „Reise-
stimmungen".

Blicken wir vom ersten auf unser zweites Bild nach Thoma, so
werden wir trotz des Engelreigens sofort empfinden, daß wir dem Wachen
näher sind. Dort war Tranmland, hier ist Märchenland. Wir sind
in der Wirklichkeit, aber sie ist an Schönheit so reich, daß in ihr gleich-
sam aufgelöste Schönheit aus Aberfülle heraus sich in Lichtgebilde kristal-
lisiert, in Engelzüge und Engelreigen.

Nur Wirklichkeit gibt das dritte Blatt. Frühsommer am Bach, und
Kinder auf der Au. Sie sehnen sich nicht weg, sie tränmen nicht, sie
erzählen sich anch keine Märchen, ein Mädel zupft Blumen, die andern
zwei sind sich eben gut, die eine davon dämmert ein bißchen, die dritte
fragt: Maler, was guckst du mich denn an? Derweilen drängt es
rings leise im bachumflüsterten und vogeldnrchsungenen vollen, vollen
Grün im Wachsen dem Fruchten zn.

Beilänfig: man hat sich oft bemüht, mit Worten fcstzuhalten, was
in der Kunst eigentlich deutsch sei. Mit Worten geht's schwer. Aber
zn zeigen geht's leicht, wenn man's ist. Wcr kann zweifeln, ob diese
drei Bilder ihrem Empfinden nach deutsch sind?

Unsre Blätter sind Nachbildungen nach der Thoma-Mappe dcs Kunst-
warts.

Unsre Illustrationsbeilage wird im Rundschau-Texte be-
sprochen. A

-,»nsre Musikbeilage will zu dem Akkord dieses Heftes auch ihrerseits
44-„eine frische Reisenote" beitragen. Zwei unsern Lesern seit Iahren be°
kannte Tonsetzer, Paul Umlauft (Leipzig) und Rudolf Schüller
(Berlin) haben diesmal das Wort, und sie führcn es im Anschluß an
zwei gute Meister: Konrad Ferdinand Meher und Theodor Storm. Be-
darf es eines näheren Kommentares? Das Wort erläutert die Tönc, die
Töne steigern den Empfindungsinhalt der Worte. Sie reden indem sie
klingen. Da kann der Fürsprech eben nichts Besseres tun als bescheiden
zurücktrcten und nach dcm Shakespere-Worte: lieben und schweigen. V

tzerausgeber: vr.b. e. Fcrd. Avenarius iu DreSden-Blasewitz: vcrantwortl.: der tzerausgeber —
Derlag von Seorg D. W- Lallwev, Druck von Kastner L Lallwetz, k. tzofbuchdruckeret tn Wünchen
- Inösterreich-Ungarn für tzerauSgabe u. Schriflleitungverantwortl.: vr. Rich.Batka in WienXIII/S

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