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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1912)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0157

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werden Kräfte ohne Iwrrn, Wir-
kende ohne Nachwirkung sein, An-
reger bestensalls, weit öfter ver-
wirrende Querköpfe.

Sie wissen nun, worauf ich
hinaus will. Wolzogens „Erzketzer"
ist zwar in rneinen Augen noch
nicht ein verwirrender Querkopf,
aber auch noch nicht mal ein wert-
voller Anreger. Dieser Mann, der
als Leutnant „geht" und ein armes
Mädchen aus Mitleid heiratet,
dann den Schriftsteller in sich ent-
deckt, Kulturpolitiker wird, fabelhaft
vielgelesene Bücher schreibt, mit
Iudenhilfe eine Zeitung grnndet,
die nur Gegner hat um der stolzen
Idealität des Herausgebers willen,
immer im Kampf mit seiner „ver-
fluchten SinnlichkeiL^ liegt, ein Ver-
hältnis mit der Frau seines Wohl-
täters hat, das sein Unternehmen
ruiniert, dieser sympathische Wu-
selkopf, der um l§06 noch Nietzsche
predigt, als ob dessen einziges Ver-
dienst der Kampf gegen die christ-
liche Sittenlehre gewesen sei, dieser
Schwärmer, allwelcher einem leib-
haftigen Landesfürsten eine von
Ibsenschem Adelsmenschentum ab-
gefallene „Revolution von oben"
zumutst, dieser pseudonhme Ver-
fasser nach einem kleinen „Ver-
hältnis" mit einer sächsischen Ste-
nographin eilig zusammengeraffter
Eintagfeuillstons über Frauenfra-
gen, dem zuletzt ein verblendeter
Schwerindustrieller eine Million
gibt, um damit ein neues Germa-
nendorf mit Landerziehungsheim
gründen . . .

verehrtester Freund, er ist mir,
alles in allem, sehr shmpathisch
(wenn er auch ernsthafte Sachen
nicht in einem Ton zwischen Leut-
nantjargon und „Berliner Tage-
blatt" zu Papier bringen sollte),
aber ganz bitter ernst kann ich
ihn nicht nehmen. All dieses Her-
renmenschen- und geistige Revolu-

tionärtum ist ja leider von — vor-
gestern, als wir noch mit starken,
recht weit schallenden Worten
glaubten, unter Nietzsches, Häckels,
Ibsens oder Ostwalds Fahnen eilig
in eine bessere Zukunft übersiedsln
zu können. Aber in diesen flügel-
lahmeren Tagen haben wir uns ja
längst besonnen, daß stille, möglichst
ernsthafte, sachliche, durchdachte,
praktische Arbeit weit mehr not tut
als ausgedehnte „Ideen'chropa-
ganda —, die Ideen mit „ Sie
selbst wissen ja jetzt, da Sie den
Erzketzer, dieses liebenswerte, freie
und schneidige Buch gelesen haben:
daß alls die Nnternehmungen darin
eitel Wahngebilde sind, — sie konn-
ten in einem Roman aber nie im
Deutschen Reich das Licht der Welt
erblicken. And ein großer Künstler
des Wortes ist für uns auch
immer einer, der die Wirklich-
keittragweite seiner geistigen
Welt kennt, und der aus den
Gestaltung elementen schon fühlt,
wieviel „Echtes" er gibt, wieviel
Nnwertiges... Aber freilich, darin
bin ich mit Ihnen einig, daß trotz
der Bedenken dieses Werk kein
Totschweigen verdient, daß es den
Tausenden besser wäre, statt des
lieben Connan Doyle oder der
„heiligen Skarabäusse" allzu öst-
licher Herkunft einmal den Husa-
renritt dieses lebensfrohen angeb-
lichen Erzketzers zur Hand zu
nehmen. Ezard Nidden

Wird die Werningerei
weiter blühn?

s gibt eine ausgleichende Ge-
rechtigkeit im deutschen Zei-
tungswesen, wenn sie auch eigner
Art ist: wie fast die gesamte
deutsche Presse zur Linken über
unsre Aussprache mit Iuden ge-
schwiegen und nur den Schwindel
von meiner Antisemiterei ver-
Lreitet hat, so hat schier die ge-

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