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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

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Heft 19 (1. Juliheft 1919)
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Vom japanischen Denken: aus vertraulichen Briefen eines japanischen Diplomaten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0029

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ganz falsche Vorstellung davon, und es wäre doch wirklich an der Zeit, daß
sie nach und nach sich eine richtige machten. — Für die Echtheit der Doku-
mente, die selbstvcrständlich bestritten werden wird, bürgt der Einsender.j

s2. November

^^ie Zeitungen werden Ihnen längst die Nachricht der Einnahme von Kiau-- '
-^tschau gebracht haben. Damit ist die Liquidation dcr europäischcn Dieb-
stähle asiatischen Gebietes cingeleitet. Äbrigens: welch ein Ansinn, sich mit
sechstausend Mann ohne jede Hoffnung auf Zuzug gegen unsere Millionen-
armee verteidigen zu wollen! So recht europäisch! Die Leute wurden einfach
geopfert, ohne jeden Nutzen, Zweck und Sinn.

Damit wären denn auch wir in den Weltkrieg cingetretcn. Mit Haß gegen
Deutschland? Wo sollte der hcrkommen? Unscr Volk kennt die Dentschen
ja gar nicht. Ihm sind sie Europäer wie alle Abrigcn. Sie riechen nicht besser
und auch nicht schlechter. Bci unseren Militärs erfrcuen sie sich sogar großer
Belicbtheit. Viele von ihnen haben in Dcutschland gelernt, dort ihre Lauf-
bahn begonnen, den deutschen Lehrern ihre Erfolge im russischen Kriege ver-
dankt. Unter unsern Arzten und Gelehrten kenne ich keinen, der nicht die
deutsche Wissenschaft als besondcrs gründlich hochschätzte. Hätten sie einfach
Kiautschan an China zurückgegeben nnd das mit der Zusammenziehung aller
ihrer Mittel in Europa entschuldigt, — nicht nur wir, auch die ganze Entente
wäre in große Verlegcnheit gesetzt worden.

Inzwischen weicht China mehr und mehr dem Drucke der Alliierten. Die
Kantonescn sind endgültig abgetan, die Militärpolizei des Nordens ist übcrall
siegreich und wird zweifellos jetzt in die Ententepolitik einschwenken. Wir
hätten gewünscht, daß China, ohne sich mit Deutschland gerade zu verbünden,
doch wenigstens dcutschfreundliche Handlungen unternähme, um uns den gc-
wünschten Anlaß zur Einmischung zn bieten. Deshalb untcrstützen wir auch
die Kantonesen, gerade weil sie im großen Ganzen mehr zu dcn Zentral-
mächten hinneigen. Huan Shi Kai ist ein geriebener Herr, aber „give him
enough rope and he will hang himself". Sein größter Fehler war der Mord
Snang Chiao Pen.*

28. März W5

^vvrir haben weder die Hilfe Frankreichs gegenüber Nußland, noch Wilhelms
-^V„Gelbe Gefahr" vergessen. Am England brauchen wir uns nicht zu sorgen.
Dicses Bündnis war nötig, um unsere Entwicklungszeit von außen ungcstört
durchzumachen. Der Krieg hat uns anf die Höhe der Macht gebracht, nnn brau-
cheu wir Eugland nicht mehr. Die da drüben hätten schon besser getan, uns
seinerzeit überhaupt in Ruhe zu lasscn. Wir haben uns ihnen ja wirklich nicht
aufgedrängt. Ansere Schulkinder wissen, wie Herr Perrh mit scinen Kanonen-
schiffen in dcr Bucht von Peddo erschieu** um uns den Handel mit dcn Amcri-
kanern einfach zu befehlen. Wir waren schwach, wir mußten. Dazu der Er-
folg Englands auf dem chiuesischen Festlande, — wir mußten unser Land allen
Räuberstaaten Europas öffnen. Auch das wollen wir uicht vergesseu. Nuu
ist der Knabe ein Mann geworden. Anterm Veifäll der Entente haben wir
die Deutschcn aus Tsingtau hinausgeworfen — die anderen müssen es nun
ganz in der Ordnung finden, wcnn nach und nach sie an die Reihe kommeu.
„L'Asie aux Asiatiques." Aud das bedeutet nicht einmal eine „gelbe Gefahr".
Wir waren ja nie Eroberer in europäischem Siune. Wir verlangen nur auch,
was alle verlangen, den „Platz an der Sonne"; uird — den Schutz gegen
weiße Gefahr, wie sie von der Pacificseite droht. . . .

Läuschen Sie sich doch nicht, wir werden uie vou dcn Weißen als gleich-
berechtigt gewertet oder gar besonders geachtet werden. Fetzt brauchen sie uns,
schmeicheln also — und halten uns trotz alledem für minderwertig. Letzte

* Des bedeutendsten politischen Führers der Volkspartei, am 20. März HZsö

in dem Shanghaicr Bahnhof, als er auf dcn Nachtzug nach Peking wartete. —
Im Tcxte folgen nun breiiere Ausführungen übcr China. — ** s852.
 
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