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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

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Heft 22 (2. Augustheft 1919)
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Bonus, Arthur: Haßpolitik?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0166

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Allem voraus zergt ja der Erfolg, daß es so nicht ging. Was England
kann mit der Weltpresse und dem' von ihr angsblasenen Weltwahn hinter
sich, dazu den jahrhundertelang gepflegten geschlossenen Nationalstolz als
Boden unter sich, das können wir noch lange nicht, die wir erst kürzlich
aus dem Hader aufgetaucht sind und von allen Neutralen ständig mit
Zweifeln an unsrer guten Sache angegiftet wurden.

Die tzaßpredigt ist ja doch versucht worden. Selbst die, von denen der
Sache nach am ehesten zu vermuten war, daß sie sich ihr entgegenstellen wür-
den, unsre christlichen Prediger, haben sich ihr zu einem guten Teil rückhalt-
los zur Verfügung gestellt. Aber weit entfernt, uns zu einigen, hat das
tzaßpredigen umgekehrt den Ausbruch des inneren tzaders ganz wesentlich
mit herbeigeführt.

Antersuchen wir zunächst die Gründe des Mißlingens rein aufs Politische
hin. An sich liegt es in der Natur der Dinge, daß eine Gemeinschaft sich
durch Zusammenschluß gegen einen äußeren Feind in sich einigt. Selbst
Krapotkin in Lem Buch über gegenseitige Hilfe unter Tieren und Menschen
geht durchaus -davon aus. Die Fortentwicklung, sagt er gegen den zu eng
verstandenen Darwinismus Huxley--tzäckelscher Richtung, geht mehr von den
sozialen Gattungen aus als von denen, welche die stärksten Einzelnen unter
sich aufweisen. — Die sozialen Kräfte schützen eben im Kamps gegen äußere
Feinde besser als individuelle Kraft. So kann umgekehrt die Notwendigkeit
gemeinsamer Abwehr eines äußeren Feindes den inneren Zusammenhalt
stärken. Deshalb ist in der Politik der Krieg geradezu ein Mittel geworden,
innern Hader zu überwinden durch Ablenkung auf einen äußeren Feind.

Wollte man dieses Gesetz des geschichtlichen Lebens anrufen — und man
hat das nicht nur in Rußland, sondern auch in manchen deutschen Kreisen
gewollt —, dann mußte man sehr genau prüsen, ob der innere Aufbau des
deutschen Volkes denn auch so war, daß bei gewaltsmner Lrschütterung
die Bruchstellen an den Volksgrenzen laufen und das Innere zusammen--
drängeir mußten. In kurzen und begrenzten Kriegen wie den Bismarckschen
kann die einigende Wirkung nicht ausbleiben. In der Erregung eines
Angriffs von außen ist stets die nächste Wirkung der Zusammenschluß.
Lrst mit der Zeit setzt sich die eigentliche Struktur des Volkslebens und seiner
Ideale durch. Nnd die sind in Deutschland nicht eindeutig national bestimmt.

Als im Dreißigjährigen Krieg die in ihrer Äberzeugung bedrohten Pro-
testanten schwedische Hilfe gegen katholische deutsche Volksgenossen annahmen
und ebenso schon vorher, als die deutschen Katholiken spanische Hilfe gegen
protestantische Deutsche verwandten, da fühlten weder diese noch jene sich
als Vaterlandsverräter.

Warum nicht?

Weil die religiösen Einheiten stärker empfunden wurden, als die natio--
nalen. So aber steht es jetzt und stand es schon seit langem mit den sozialen
Einheiten in unserm Volk. Man empfand die Solidarität der arbeitenden
Klassen stärker als die des deutschen Volkes als solchen.

Man kann das bedauern. Nnd auf jeden Fall ist es eine schwere nationale
Gefahr. Es ist aber gut, in allen ausgesprochenen Wirklichkeiten lieber das
aufzusuchen, woran man im Fortschreiten nnd um des Fortschreitens willen
antnüpfen kann. And das gibt es nun doch auch in dieser deutschen
Eigentümlichkeit. Darin, daß in einem starken und zukunftvollen Volke
die nationale Macht und Lhre nicht als das höchste Gut anerkannt ist,
sind gerade für dieses Volk bestimmte Möglichkeiten einer Neuauffassung
 
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