Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1919)
DOI Artikel:
Hoffmann, Paul Theodor: Von orientalischer Weltanschauung: aus Buddhas Verspredigten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0181

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
einige Beispiele gegeben werden: aus dem indischen Buddhismus, und
hier speziell wieder aus den Verspredigten Buddhas, die der verstor--
bene Sanskritist K. E. Neumann verdeutscht hat. Der europäischen
Indologie kann bei ihrem erst hundertjährigen Bestande noch nicht das
beschert sein, was der deutschen Shakespeareforschung durch A. W. Schlegel
geworden ist. So ist auch K. E. Neumanns Äbersetzung der Reden
Buddhas noch unzulänglich und wird besonders von den Forschern an<-
gegriffen, die rationalistischer als der intuitive Neumann ans Werk gehen.
Uns kommt es hier nur darauf an, mit dem, was bisher in deutscher Äber-
setzung erreicht werden konnte, einen Eindruck zu geben von spezifisch
orientalisch-indischem Wesen, einen Lindruck, der zugleich im Leser das
Verlangen erwecken möchte, sich eingehender mit den Reden Buddhas zu
befassen.

Das Stück, welches wir auszugsweise wiedergeben, stammt aus der
Sammlung buddhistischer Verspredigten, dem Suttanipata.* Nicht um
irgendwelcher besonderer „Schönheit" willen, sondern weil es charakteristisch
für die Weltanschauung dieses östlichen Menschheiterlösers ist, bringen
wir's. Dreht es sich doch in ihm um die Kernfrage aller Religion, um
die Lrlösung, insbesondere um die Erlösung vom Leiden. Dem Inder
erscheint das Leiden deshalb so grauenvoll, weil es ihn unaufhörlich
verfolgt; er ist dem Fluche der Seelenwanderung verfallen. Die Seele
wird ewig, unabläßlich duxch neue Geburt und neues Sterben hindurch»
gequält, und findet nicht eher Ruhe, als bis sie sich löst von jenen Mäch--
ten, die das stete Wandern der Seele bewirken. Welches aber sind diese
Mächte? In seinen zur „Erwachung" führenden Meditationen hat der
Erhabene die Kette der Ursachen, die zur Seelenwanderung und damit
zum Leiden führen, gefunden. Die Endursache ist ihm der Irrtum im
metaphysischen Sinne, das grundsätzliche falsche Eingestelltsein zur Welt,
das „Nnwissen", wie es in unserm Liede heißt. Aus diesem Irrtum geht
die Kette der Leidentstehung hervor: zunächst die Bildekräfte des Unter-
bewußten, aus diesen das Bewußtsein, aus dem Bewußtsein „Name und
Form", aus ^Name und Form" die Sinne, aus den Sinnen die Berüh-
rung; das heißt die Berührung mit den Dingen der Erscheinungswelt,
aus der Berührung geht die Empfindung (»das Empfinden" bei Neu-
mann) hervor, aus der Empfindung das Dürsten, das heißt die sinnliche
Begierde, aus der sinnlichen Begierde das „Ergreifen des Brennstoffs",
das heißt des Sinnlichen, aus dem Ergreifen des Sinnlichen das physische
Dasein, aus diesem die Geburt und aus dieser endlich „Altern und Ster-
ben, Kummer und Iammer, Leiden, Trübsinn und Verzweiflung". Wer
rückläufig eine dieser Ursachen nach der andern und zuletzt den Irrtum
aufhebt, der wird nicht wiedergeboren und ist erlöst. Er „geht nimmer
neuen Werdegang", wie das Lied sagt. Soviel sei zum Verständnis des
Ganzen vorausgeschickt. Die vorliegende Verspredigt Buddhas hebt nur
einzelne Punkte der Leidenverkettung hervor, um schließlich in einem feier-
lich-schönen hymnus auf die Befreiung vom Irrtum, vom Wahne zu enden.

P. Th. tzoffmann

* Die Reden Gotamo Buddhos aus der Sammlung der Bruchstücke Suttani»
pato, übersetzt von K. E. Neumanm 2. Auflage. Müncheri, R. Piper k Co.,
lM.

(57
 
Annotationen