lauf des Symposiums ein, indem er modellhaft und exemplarisch den Zweck
der Veranstaltung vor Augen führte und die historisch-gesellschaftliche Be-
dingtheit des Forschers und seiner Arbeit am Beispiel Eduard Meyers bewußt
machte. Auf diese Weise ist deutlich geworden, welche Bedeutung dem for-
schungs- und wissenschaftsgeschichtlichen Ansatz für die Klärung nicht nur des
Selbstverständnisses, sondern auch der gesellschaftlichen Rolle der mit der
Antike befaßten Disziplinen zukommt.
Christian Meier ist unter dem Thema „Zeus nach dem Umbruch. Zum Pro-
metheus des Aischylos“ der Frage nachgegangen, inwieweit sich Aischylos’
Prometheus-Trilogie aus den gesellschaftlichen Vorgängen und Veränderungen
seiner Zeit verstehen und interpretieren läßt. Norbert W. Bolz hat in seinen
Ausführungen über „Form und Chaos. Zur Kritik des Tragizismus“ nicht nur
den „Tragizismus“ als einseitiges Modell der Welterklärung analysiert und damit
einen wesentlichen Beitrag zur Theorie des Tragischen und der Tragödie gelie-
fert; er hat darüber hinaus eine engagierte Diskussion über die hermeneutischen
Bedingungen ausgelöst, unter denen seine Ausführungen auf ein nicht ein-
schlägig vor-informiertes Publikum trafen. Es ist eine anscheinend unlösbare
Aufgabe, Allgemeinverständlichkeit mit einem sachlich unabdingbaren An-
spruchsniveau so zu harmonisieren, daß alle Hörer ohne entsprechende Vor-
bereitung den Darlegungen eines Referenten folgen können. Das wird als beson-
ders schmerzlich empfunden, wenn man als Zuhörer die Forderung erhebt, daß
ein „aufklärerisches“ Thema in „aufklärender“ Form abgehandelt werden
müsse; andernfalls gäbe es nur Anlaß zu einer esoterischen Selbstbespiegelung.
Ein derartiger Vorwurf war allerdings gegen Bolz‘ provozierenden Vortrag über-
haupt nicht zu erheben. Im Gegenteil — er hat Fragen aufgeworfen, die die
interdisziplinäre Zielsetzung des Symposiums voll zur Geltung gebrachte haben:
Welche Art von Welterfahrung bildet die Grundlage einer tragizistischen Weit-
sicht? Welches Bedürfnis wird mit der Produktion und Rezeption von Tragö-
dien befriedigt? In welchem Verhältnis stehen Geschichtsbewußtsein und tragi-
zistische Weltanschauung zueinander? In welchem Maße ist der Tragizismus Aus-
druck eines habituellen Pessimismus oder gar einer Lust am Furchtbaren und
Ausweglosen, an Chaos und Verzweiflung, ein Kult der Grausamkeit und
Gnadenlosigkeit? Wie lassen sich Tragizismus und christliche Heilserwartung
vereinbaren? In welcher Beziehung stehen tragizistische Weitsicht und Politik?
Warum werden heute noch (griechische) Tragödien aufgeführt?
Damit stehen wir bereits vor dem Höhepunkt der Veranstaltung: Nachdem
Wolf-Dieter Heilmeyer das „moderne Mißverständnis antiker Theaterbauten“
und die Vermarktung der Antike durch die Fremdenverkehrsindustrie anschau-
lich vor Augen geführt hatte — der Masse der Besucher antiker Theater werde
Authentizität suggeriert, unbestreitbare Distanz werde bewußt überspielt —,
konnte Peter Stein seine Inszenierung der Orestie in der Schaubühne am Hal-
leschen Ufer vorstellen und erläutern. Stein vermittelte den Zuhörern die
Schwierigkeiten seines Antiken-Projektes: Er beklagte die unzureichende Hilfe
der Wissenschaft bei der Erstellung eines bühnengerechten Textes, bei dem Ver-
7
der Veranstaltung vor Augen führte und die historisch-gesellschaftliche Be-
dingtheit des Forschers und seiner Arbeit am Beispiel Eduard Meyers bewußt
machte. Auf diese Weise ist deutlich geworden, welche Bedeutung dem for-
schungs- und wissenschaftsgeschichtlichen Ansatz für die Klärung nicht nur des
Selbstverständnisses, sondern auch der gesellschaftlichen Rolle der mit der
Antike befaßten Disziplinen zukommt.
Christian Meier ist unter dem Thema „Zeus nach dem Umbruch. Zum Pro-
metheus des Aischylos“ der Frage nachgegangen, inwieweit sich Aischylos’
Prometheus-Trilogie aus den gesellschaftlichen Vorgängen und Veränderungen
seiner Zeit verstehen und interpretieren läßt. Norbert W. Bolz hat in seinen
Ausführungen über „Form und Chaos. Zur Kritik des Tragizismus“ nicht nur
den „Tragizismus“ als einseitiges Modell der Welterklärung analysiert und damit
einen wesentlichen Beitrag zur Theorie des Tragischen und der Tragödie gelie-
fert; er hat darüber hinaus eine engagierte Diskussion über die hermeneutischen
Bedingungen ausgelöst, unter denen seine Ausführungen auf ein nicht ein-
schlägig vor-informiertes Publikum trafen. Es ist eine anscheinend unlösbare
Aufgabe, Allgemeinverständlichkeit mit einem sachlich unabdingbaren An-
spruchsniveau so zu harmonisieren, daß alle Hörer ohne entsprechende Vor-
bereitung den Darlegungen eines Referenten folgen können. Das wird als beson-
ders schmerzlich empfunden, wenn man als Zuhörer die Forderung erhebt, daß
ein „aufklärerisches“ Thema in „aufklärender“ Form abgehandelt werden
müsse; andernfalls gäbe es nur Anlaß zu einer esoterischen Selbstbespiegelung.
Ein derartiger Vorwurf war allerdings gegen Bolz‘ provozierenden Vortrag über-
haupt nicht zu erheben. Im Gegenteil — er hat Fragen aufgeworfen, die die
interdisziplinäre Zielsetzung des Symposiums voll zur Geltung gebrachte haben:
Welche Art von Welterfahrung bildet die Grundlage einer tragizistischen Weit-
sicht? Welches Bedürfnis wird mit der Produktion und Rezeption von Tragö-
dien befriedigt? In welchem Verhältnis stehen Geschichtsbewußtsein und tragi-
zistische Weltanschauung zueinander? In welchem Maße ist der Tragizismus Aus-
druck eines habituellen Pessimismus oder gar einer Lust am Furchtbaren und
Ausweglosen, an Chaos und Verzweiflung, ein Kult der Grausamkeit und
Gnadenlosigkeit? Wie lassen sich Tragizismus und christliche Heilserwartung
vereinbaren? In welcher Beziehung stehen tragizistische Weitsicht und Politik?
Warum werden heute noch (griechische) Tragödien aufgeführt?
Damit stehen wir bereits vor dem Höhepunkt der Veranstaltung: Nachdem
Wolf-Dieter Heilmeyer das „moderne Mißverständnis antiker Theaterbauten“
und die Vermarktung der Antike durch die Fremdenverkehrsindustrie anschau-
lich vor Augen geführt hatte — der Masse der Besucher antiker Theater werde
Authentizität suggeriert, unbestreitbare Distanz werde bewußt überspielt —,
konnte Peter Stein seine Inszenierung der Orestie in der Schaubühne am Hal-
leschen Ufer vorstellen und erläutern. Stein vermittelte den Zuhörern die
Schwierigkeiten seines Antiken-Projektes: Er beklagte die unzureichende Hilfe
der Wissenschaft bei der Erstellung eines bühnengerechten Textes, bei dem Ver-
7