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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 24.1981

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Nr. 3
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Buchbesprechungen
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Schmalzriedt, Egidius: [Rezension von: Marion Giebel, Sappho in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten]
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Binder, Gerhard: Latein in Universitätskursen
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https://doi.org/10.11588/diglit.33080#0067

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Wer Sappho wirklich war, ist angesichts der Dürftigkeit der Nachrichten über sie und
der Spärlichkeit der erhaltenen dichterischen Fragmente nur noch schwer zu sagen. Daß
sie anders und wesentlich differenzierter gewesen ist, als auch Kennern gemeinhin vor-
schwebt, veranschaulicht sehr eindrucksvoll Marion Giebels Monographie.
Die uns überlieferten biographischen Einzelheiten sind rasch aufgezählt. Die kleine
Frau mit dem dunklen Teint, etwa zwischen 617 und 612 v. Chr. geboren, stammte aus
adeliger Familie. Sie war mit einem reichen Mann von der Insel Andros verheiratet, von
dem sie eine Tochter namens Kleis hatte, an der sie mit großer Zärtlichkeit hing. Der Vater,
die Mutter sowie drei Brüder sind namentlich bekannt. Zweimal anscheinend mußte sie,
wie ihr Dichterkollege und Gesinnungsgenosse Alkaios, aus politischen Gründen in die Ver-
bannung - einmal als Kind, einmal als Zwanzig- bis Dreißigjährige -, weil ihre Familie und
wohl auch sie selbst sich in Auseinandersetzungen um die Tyrannenherrschaft auf Lesbos
zu stark exponiert hatten. Nach etwa zehnjährigem Exil auf Sizilien kehrte sie in das lesbi-
sche Mytilene zurück und hatte dort einen Schülerkreis junger Mädchen um sich, die sie
durch praktische und musische Ausbildung auf das Leben der erwachsenen Frau in der Ehe
vorbereitete.
Daß man aus derart wenigen historischen Details eine „Biographie“ von hundertfünfzig
Seiten erstellen kann, mag prima vista verwundern. Doch Marion Giebel bietet weit mehr
als eine platte Lebensbeschreibung. Sie zeichnet einerseits die politischen, religiösen, mora-
lischen, kulturellen Konturen der Zeit, in die Sapphos Lyrik eingebunden ist und ohne de-
ren Kenntnis sie unverständlich bleibt.
Und sie entwirft andererseits mit Hilfe der erhaltenen Fragmente eine „innere Bio-
graphie“ der Dichterin, die — viel eindrucksvoller, als eine Häufung noch so zahlreicher
Lebensdaten es könnte - die komplexe Vielschichtigkeit dieser archaischen Frauenpersön-
lichkeit aufscheinen läßt, in deren Werk Eros und Politik, Familie und Freundschaft,
Leidenschaft und Religiosität zu einem unlösbaren lyrischen Ganzen verschmolzen sind. Der
Autorin ist eines der einfühlsamsten und besten Sappho-Bücher unserer Zeit geglückt. —
Aus: FAZ, 24. 1. 81) Egidius Schmalzriedt

Latein in Universitätskursen
Man spricht viel von Didaktik des Altsprachlichen Unterrichts. Wer spricht von einer Di-
daktik für jene Universitätskurse, in denen mittlerweile die meisten jungen Menschen
Griechisch lernen und jährlich Tausende einem Latinum zustreben?
Lateinische Sprachkurse an der Universität sind oder waren zumindest ein selbstver-
ständlicher und gern geleisteter Dienst der Institute und Seminare für Klassische Philo-
logie - „für Hörer aller Fakultäten“, von denen freilich fast nur noch die Studierenden ge-
blieben sind, die Lateinkenntnisse als Studienvoraussetzung für das Fach ihrer Wahl nach-
träglich erwerben müssen.
An den meisten Universitäten scheinen die lateinischen Sprachkurse bis heute eine -
wenigstens äußerlich - problemlose Einrichtung zu sein, deren Funktionieren Lehrbeauf-
tragten, Lektoren, Assistenten, nicht selten auch habilitierten Lehrkräften verdankt wird.
Gestaltung des Unterrichts, methodische und didaktische Fragen, Koordinierung auf In-
stituts- und Fakultätsebene werden wenig oder nicht diskutiert. Staatliche Instanzen,
Fakultäten oder Fachbereiche, Studienfächer schreiben die Notwendigkeit von Latein-
kenntnissen unterschiedlichen Umfangs in Prüfungs- und Studienordnungen fest, ohne
fachbezogene Begründungen hierfür zu geben.
Wozu über etwas reden, was jahrzentelang funktionierte, wo allenfalls personelle Eng-
pässe einmal zu Schwierigkeiten und Konflikten führten?
Aus der Sicht der hautpsächlich Betroffenen, der Lehrenden und Lernenden, sieht das
Bild der lateinischen Sprachkurse weniger freundlich aus. Ich nenne einige Punkte: Erwerb

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