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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 24.1981

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Nr. 3
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Nickel, Rainer: Klassische Antike und bürgerliche Gesellschaft II
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Wonka, Peter: Leserbrief zu den Homburger Empfehlungen und dem Brief von Dr. Holtermann (DAV-Mitteilungsblatt 1/81)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33080#0062

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such, eine Brücke zu schlagen von der antiken Tragödie zum gegenwärtigen
Publikum. In dem Bewußtsein von der Unmöglichkeit einer echten Wiederbele-
bung des antiken Stoffes hat Stein mit Hilfe zahlreicher Übersetzungen und
unter Verwertung einer Fülle wissenschaftlicher Informationen einen drama-
tischen Text konstruiert, der den Zuhörer wie ein Zeitungstext in sachlicher
Prosa erreichen soll. Stein will beobachten lehren. Er hat die Orestie gewählt,
weil sie ihm selbst entgegengekommen ist, ihn fasziniert und aufgeregt hat, weil
sie ihm geeignet erschien, eine Grundsituation zu veranschaulichen: den Kom-
promiß als „Beschiß“ (P. S.), den Kompromiß, durch den Konflikte nicht auf-
gehoben werden, sondern immer wieder aufbrechen.
Die Referenten und Teilnehmer des Symposiums haben viele Fragen aufge-
worfen, vielfältige Wünsche geweckt und kräftige Impulse gegeben ... Freuen
wir uns auf das nächste Mal! R. Nickel
Leserbrief
zu den Homburger Empfehlungen und dem Brief von Dr. Holtermann (DAV-
Mitteilungsblatt 1/81)
Ich begrüße es, daß sich der DAV endlich (!) der neuen — durch Intoleranz und
Arroganz gekennzeichneten — Kampagne gegen Latein und Griechisch anzu-
nehmen scheint. Welche Anmaßung ist doch in der Terminologie dieser Hom-
burger Neuphilologen enthalten, die die Sprachen selbstgefällig in Fundamen-
tal-, Verkehrs- und Erschließungssprachen einteilen. Toleranz scheint in der
Bildungspolitik offensichtlich immer weniger gefragt zu sein.
Ich meine jedenfalls, daß die Position des Lateinischen als einer Fundamen-
talsprache (!) nicht aufgegeben werden darf (d. h. Latein ohne Einschränkung
auch ab der 5. Klasse, was nicht nur in Großstädten möglich ist!). Daß Latein
ein echtes Sprach-Fundamentum ist, vertreten im übrigen ja auch einsichtige
Neuphilologen. — Daß der Griechisch-Unterricht heute nicht nur eine „Er-
schließungssprache“ lehrt, sondern ein echtes Alternativfach in unserer Zeit
ist, entgeht natürlich solchen Bildungspolitikern und -planem, die im Be-
herrschen eines Tourismusvokabulars die höchste Bildungsaufgabe sehen.
Wie schön, daß sich dieser — wissenschaftlich und pädagogisch völlig unbe-
kannte — Herr Kästner aus dem KMK-Sekretaritat sofort den neuen — von
oben verordneten — Tendenzen anbiedert. Dadurch wird er ja wohl sein Post-
chen retten können. Ich halte eine sofortige und entschiedene Ablehnung
Kästners durch diejenigen Latein- und Griechisch-Lehrer für dringend erforder-
lich, die in einer Zeit der zigfachen Vernichtungsmöglichkeit des Menschen
durch den Menschen und einer zunehmenden Sinnentleemng die Beschäftigung
mit dem Menschen als einem historischen und philosophischen Lebewesen für
„auch“ wertvoll und „nützlich“ halten, und zwar für alle jungen Menschen, die
bereit sind, sich mit Sophokles, Platon, Seneca und Tacitus, dem griechischen

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