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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 37.1994

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Nr. 2
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Aktuelle Themen
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Klowski, Joachim: Die Alten Sprachen und der Neue Schüler
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https://doi.org/10.11588/diglit.33059#0061

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brücken, bin ich vom Vorstand des DAV mit der Einrichtung eines Arbeitskreises junger Philologin-
nen und Philologen beauftragt worden, in dem nach Möglichkeit je eine Vertreterin bzw. ein Ver-
treter aus jedem Bundesland mitwirken sollte. Der Arbeitskreis hat sich zwar nicht ganz so idealty-
pisch zusammengesetzt - in ihm sind nur 12 Kolleginnen und Kollegen aus 10 Bundesländern -, es
hat sich jedoch eine Arbeitsgemeinschaft von fachlich sehr kompetenten, hochengagierten, ideen-
reichen und leistungsstarken jungen Kolleginnen und Kollegen gebildet.
Das Thema, das dem Arbeitskreis am wichtigsten schien, war beim ersten Treffen im April 1993 in
Fulda schnell gefunden: der Neue Schüler. Er begegnet ihnen in der Schulwirklichkeit, ohne daß sie
in ihrer Ausbildung auf ihn vorbereitet worden sind und erst recht ohne die Möglichkeit, ältere
Kollegen in diesem Punkte um Rat zu fragen. Diese schlössen - zumindest nach Meinung der Mehr-
heit des Arbeitskreises - entweder vor den neuen Problemen die Augen und leugneten so das Phä-
nomen oder sie resignierten in der Gewißheit um die baldige Erlösung durch die Pensionierung.
Zum zweiten Treffen des Arbeitskreises im Februar dieses Jahres hatten die Teilnehmer Thesenpa-
piere zum Thema entwickelt, die intensiv beraten und aufgrund dieser Diskussion überarbeitet
wurden. Zwei dieser Papiere werden ihnen gleich vorgestellt, die von Dr Klaus Sundermann und
Dr Edzard Visser. Sie werden sehen, daß es letztlich doch noch individuelle Sichtweisen geblieben
sind, ungeachtet der Korrekturen, Ergänzungen und Kürzungen, die von den Autoren aufgrund der
Diskussion im Arbeitskreis an ihren Thesenpapieren vorgenommen wurden. Indes, auch wenn die
individuellen Akzente deutlich werden, dennoch enthalten die Thesen eine im wesentlichen gleiche
Richtung.
Bevor ich das Wort nun den Kollegen gebe, möchte ich vorweg drei Anmerkungen machen
Zunächst möchte ich mich der Meinung zuwenden, den Neuen Schüler gebe es gar nicht. Dieser
Einwand ist richtig, sofern damit zum Ausdruck gebracht werden soll, in der Realität existierten
lediglich Individuen, der Neue Schüler aber sei - negativ formuliert - ein Konstrukt oder - positiv
gewendet - ein idealtypischer Begriff. Hingegen scheint der Einwand unberechtigt, sofern damit
gesagt werden soll, es habe immer unkonzentrierte, desinteressierte, auch schwierige Schüler der
verschiedensten Art und vor allem reichlich Flegel gegeben Denn so treffend es ist, daß wir Lehrer
immer mit solchen Einzetfällen zu tun hatten, dennoch hat sich allein schon aufgrund des großen
Anstiegs der Problemfälle eine petaßacng etg aXXo yevog ergeben. Und dieser Anstieg erfolgt
meiner festen Überzeugung nach nicht zufällig, sondern wird durch die neuen Sozialisationsbedin-
gungen verursacht, die ein regelrechtes Syndrom darstellen, dessen vier wichtigste Merkmale ich in
meinem Schlußwort herausstellen werde.
Zweitens wird von Kollegen öfters geäußert, daß das Neue Kind zwar existiere, jedoch nicht im
Gymnasium, erst recht nicht im altsprachlichen. Es stelle lediglich für die Haupt- und besonders die
Gesamtschulen^ ein Problem dar. Diese Einschätzung vermag ich nicht zu teilen, wenn auch der
Problemdruck, den das Neue Kind schafft, gewiß in diesen Schulformen zur Zeit (noch?) größer ist.
Last not least sei betont, daß der Neue Schüler nicht nur negative Seiten hat. Es gibt auch positive:
Er kennt keine Autoritäten, ist - zumindest äußerlich - selbstsicher, besitzt durch die Medien die
mannigfaltigsten Informationen, vermag behende mit dem Computer und verschiedensten Medien
umzugehen, ist flexibel usw. Dennoch ist es richtig, wenn im Folgenden die negativen Aspekte in
den Vordergrund gerückt werden, denn die Analysen sollen uns ja zu Vorschlägen für Problemlö-
sungen verhelfen, und Probleme machen nun einmal die Aspekte, die uns negativ erscheinen.

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