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Nr. 3
DOI Artikel:Aktuelle Themen
DOI Artikel:Selmaier, Alfred: Latein 2000: Schlüsselqualifikationen durch die Alten Sprachen? Bericht vom Kongreß des Deutschen Altphilologenverbandes in Bamberg vom 5.-10. April 1994
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.33059#0087
Aktueüe Themen
Latein 2000
Schlüsselqualifikationen durch die Alten Sprachen?
Bericht vom Kongreß des Deutschen Altphilologenverbandes in Bamberg vom 5.-10. April 1994
Prolog
Rom in Franken
Wer tiefer in die turmbewehrte Silhouette der immer noch mittelalterlich anmutenden Altstadt
Bambergs eintaucht, kommt vom bemoosten Neptunbrunnen und den dort lagernden jungen Leu-
ten mit ihren Bierbüchsen, ihren Kahlschädeln und abgerissenen Klamotten vorbei an der sich auf-
wölbenden schweren Barockfassade der altehrwürdigen Jesuitenkirche St. Martin am belebten
Grünen Markt gleich links zum feinen Geschäft der Silvy Hahn. Noblesse und Distinktion verstrahlen
aus dem attraktiv dekorierten Schaufenster: die winzigen ,body and face'-Kreationen in Form von
Flakons und unscheinbaren Schächtelchen sind in Szene gesetzt in einem eindrucksvollen Arrange-
ment von ansprechenden Details aus der fernen Welt einer weit zurückliegenden Epoche:
Da fällt zunächst gleich ins überraschte Auge die hochragende Nordseite der gegliederten Fassade
des Colosseums, in Technicolor auf Styropor aufgezogen, daneben auf einer antiken Statuenbasis,
mit Spraydose eingefärbt, eine schmucke Portraitbüste, geschnitten aus dem Hermes mit dem Di-
onysoskind von Olympia, modisch verfremdet in schwarzem Plastikmaterial gepreßt mit weißge-
kalktem Lockenkopf, und schließlich, gerahmt von zwei korinthischen Kapitellen, das heroische
Decursio-Relief vom mächtigen Sockel der Colonna Antonina aus dem Cortile delle Corazze der
Vatikanischen Museen, auf riesigem Pappkarton abgelichtet. Darunter wird schließlich der Pro-
duktname des neu auf den Markt geworfenen Männerparfüms aus dem noblen Hause Laura Bia-
giotti in /r'ffera quadrafa preisgegeben: ROMA.
Die Formensprache der Industriewerbung geht auf die politische und religiöse Bild-Propaganda
zurück, die schon in der Antike auf Breitenwirkung angelegt war. Wenn die moderne Werbung
antike Motive verwendet, verkündet sie eine einfache und eindeutige Message: Die betreffende
Ware ist klassisch, und ,klassisch' heißt hier etwas absolut Gesundes, Starkes, Grundsolides und
Zeitloses. Es vermittelt das angenehme Gefühl, an einer Bildungswelt teilzunehmen, deren Besitz
einmal mit gesellschaftlicher Note und Überlegenheit verbunden war.
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Schlüsselqualifikationen durch die Alten Sprachen?
Bericht vom Kongreß des Deutschen Altphilologenverbandes in Bamberg vom 5.-10. April 1994
Prolog
Rom in Franken
Wer tiefer in die turmbewehrte Silhouette der immer noch mittelalterlich anmutenden Altstadt
Bambergs eintaucht, kommt vom bemoosten Neptunbrunnen und den dort lagernden jungen Leu-
ten mit ihren Bierbüchsen, ihren Kahlschädeln und abgerissenen Klamotten vorbei an der sich auf-
wölbenden schweren Barockfassade der altehrwürdigen Jesuitenkirche St. Martin am belebten
Grünen Markt gleich links zum feinen Geschäft der Silvy Hahn. Noblesse und Distinktion verstrahlen
aus dem attraktiv dekorierten Schaufenster: die winzigen ,body and face'-Kreationen in Form von
Flakons und unscheinbaren Schächtelchen sind in Szene gesetzt in einem eindrucksvollen Arrange-
ment von ansprechenden Details aus der fernen Welt einer weit zurückliegenden Epoche:
Da fällt zunächst gleich ins überraschte Auge die hochragende Nordseite der gegliederten Fassade
des Colosseums, in Technicolor auf Styropor aufgezogen, daneben auf einer antiken Statuenbasis,
mit Spraydose eingefärbt, eine schmucke Portraitbüste, geschnitten aus dem Hermes mit dem Di-
onysoskind von Olympia, modisch verfremdet in schwarzem Plastikmaterial gepreßt mit weißge-
kalktem Lockenkopf, und schließlich, gerahmt von zwei korinthischen Kapitellen, das heroische
Decursio-Relief vom mächtigen Sockel der Colonna Antonina aus dem Cortile delle Corazze der
Vatikanischen Museen, auf riesigem Pappkarton abgelichtet. Darunter wird schließlich der Pro-
duktname des neu auf den Markt geworfenen Männerparfüms aus dem noblen Hause Laura Bia-
giotti in /r'ffera quadrafa preisgegeben: ROMA.
Die Formensprache der Industriewerbung geht auf die politische und religiöse Bild-Propaganda
zurück, die schon in der Antike auf Breitenwirkung angelegt war. Wenn die moderne Werbung
antike Motive verwendet, verkündet sie eine einfache und eindeutige Message: Die betreffende
Ware ist klassisch, und ,klassisch' heißt hier etwas absolut Gesundes, Starkes, Grundsolides und
Zeitloses. Es vermittelt das angenehme Gefühl, an einer Bildungswelt teilzunehmen, deren Besitz
einmal mit gesellschaftlicher Note und Überlegenheit verbunden war.
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