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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 37.1994

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Nr. 3
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Buchbesprechungen
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Unger, Hans Dietrich: [Rezension von: Friedrich Maier, Antike und Gegenwart, Cicero in Verrem, Kulturkriminalität oder: Redekunst als Waffe]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33059#0117

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inventarisierte. Auch die Elftkläßler (L2) zeigten eine ganz unübliche Reaktion, als ihnen die neue
Latein-Lektüre gegeben wurde: nicht ablehnende Reserviertheit, sondern neugieriges Interesse an
dem schon äußerlich attraktiv gestalteten Bändchen. Der Deminutiv soll nicht abschätzig verstan-
den werden; vielmehr stellt er ein positives Urteil dar: Die Schüler, die es seit der Lektürephase ge-
wohnt sind, nur Teile der ihnen ausgehändigten lateinischen Schulausgaben zu lesen, hoffen so-
fort, daß sich die 22 Textseiten bewältigen lassen, daß sie endlich (!) eine Lektüre von vorn bis hin-
ten lesen werden.
Diese Hoffnung wird nicht enttäuscht; denn nach der kurzen und für Schüler verständlichen, inter-
essanten und erhellenden Einleitung geht es sofort m med/'as res. Schnell wird den Schülern schon
im 1. Kapitel die Angst vor dem neuen Autor genommen, denn der üppige sub-Z/'nea-Kommentar
ermöglicht zügiges Lesen. Schnell erkennen sie auch, daß es sich „lohnt", den Spezial-Wortschatz
(27 Einträge) zu lernen. Und schon bei den Fragen zum Text nach den ersten drei Kapiteln wird
ihnen klar, daß Stilmittel nicht um ihrer selbst verwendet werden, sondern die Aussage des Textes
sinnvoll unterstreichen. Bald macht es ihnen auch keine Mühe, ja sogar Spaß, den Text nicht nur zu
übersetzen, sondern auch zu interpretieren.
Die Auswahl der Ausschnitte aus der vierten Rede der acfZo secuncZa ist so begrenzt, daß wirklich
die Höhepunkte erkennbar sind. Wenn Cicero in § 105 (Kapitel 17) sagt: „/V/mZum mZZi/ cZZu v/cZeor Zn
uno penere versarZ crZmZnum", die Schüler aber anhand der am rechten Rand angegebenen Para-
graphen-Zählung erkennen, daß die §§ 69-104 in ihrer Lektüre „übersprungen" wurden, so atmen
sie erleichtert auf, daß sie sich selbst nicht „nZm/um d/'u" mit der langen und dazu vielleicht auch
langweiligen Aufzählung von crZm/na derselben Art beschäftigen mußten.
Die fünf ausgewählten Fälle, vom furtum gegenüber einer Privatperson (Heius von Messana) bis
zum sce/us an der Stadt Syrakus, der „Schändung des römischen Namens", bleiben für die Schüler
erkennbar, sie „ertrinken" nicht in einer langen Aufzählung. Die im Vorwort (S. 3) genannten vier
Ziele der Lektüre einer Cicero-Rede lassen sich so deutlich herausarbeiten:
„1. Sie bringt etwas von der Persönlichkeit des Autors ans Licht. 2. Sie gibt an einem interessanten
und aussagekräftigen Fall einen Einblick in die Antike. 3. Sie läßt die Bedeutung der Redekunst und
die Macht des gesprochenen und geschriebenen Wortes erfahren. 4. Sie kehrt menschliche Verhal-
tensweisen hervor, an denen sich Probleme von dauerhafter Gültigkeit aufzeigen und besprechen
lassen."
Der ebenfalls im Vorwort genannte zeitliche Rahmen (30-35 Unterrichtsstunden) ist durchaus rich-
tig veranschlagt. Nur unter ganz besonderen Umständen sollte man aber die dort eingeräumten
Kürzungsvorschläge wahrnehmen, da sonst die Verbrechens-Klimax furtum - avarZf/a (der Fall
„Haluntium") - facZnus (der Fall „Antiochus") - nefas (der Fall „Ceres von Henna") - sce/us nicht
deutlich genug herausgearbeitet werden kann.
Diese Klimax ist im Lehrerheft (BN 5992) in Form eines Schülerprotokolls dargestellt, das durchaus
auch als Interpretationsanregung für die Lehrkraft angesehen werden kann. Das Lehrerheft bietet
aber nicht nur Vorschläge für die Interpretation und für Tafelbilder, sondern auch ergänzende Ma-
terialien, Prüfungstexte und Literaturhinweise, die aber, obgleich als „Kurzauswahl" bezeichnet, mit
allein 17 Titeln zum Verres-Prozeß den Unterrichtenden wieder einmal schmerzlich bewußt ma-
chen, was man alles noch lesen wollte, wenn ...
Doch soll diese Besprechung nicht mit einer Klage enden, sondern mit dem hoffnungsvollen
Wunsch, daß in der Reihe ANTIKE UND GEGENWART noch mehr solcher attraktiven Lektüre-Projekte
erscheinen mögen.
HANS DIETRICH UNGER, Bad Brückenau

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