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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 37.1994

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Nr. 4
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Buchbesprechungen
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Stratenwerth, Dietrich: [Rezension von: Karl Lahmer, Das Verhältnis von Natur und Mensch in Antike und Gegenwart - Voraussetzungen für den Lektüreunterricht]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33059#0164

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werden Neben kontrastierenden Zweittexten bietet Lahmer hier schöne Anregungen für Schü-
leraktivitäten.
QProblematisierung der Idylle: Text: PliniusdÄ. Über Stärke und Schwächedes
Menschen - Nach dem Paradies muß die Vertreibung kommen, d. h. es muß den Schülerinnen und
Schülern bewußt gemacht werden, daß ein Wesen, das in naivem Einklang mit der Natur lebt, ein
Tier ist und daß nur dadurch der Mensch zum Menschen wurde, daß er der Natur gestaltend ge-
genübertrat (S 22) Der von Lahmer in anderem Zusammenhang (S. 44 Anm 3) paraphrasierte
Seneca-Text epist 90, 40-46 macht diese Problematik deutlich, kaum aber der Plinius-Text.
Q Pervertierung der Natur: Texte: Horaz, Ovid und Seneca über naturwidrigen Luxus.
- Lahmers Interpretation bezieht wiederum aktuelle Thesen ein.
QDas Natürliche - ein Lernprozeß: Text: Cicero über Selbsterkenntnis und Na-
turerkenntnis. - Diesen Text halte ich insofern für weniger geeignet, als der gerade hier entschei-
dende Unterschied zwischen den übrigen Lebewesen einerseits und dem Menschen andererseits
nicht berücksichtigt wird („Omne animal ...").
Q Weltverständnis: Finalität und Kausalität. - Zur Vorstellung der Pro-
blematik verwendet Lahmer keinen antiken Text. Im Hinblick auf Überlegungen in den Naturwis-
senschaften, ob nicht (auch) Finalität die Weltentwicklung bestimmt, sei ergänzend auf Paul Davies,
Prinzip Chaos, München 1988 hingewiesen. Lahmer präsentiert also ein für die philosophische Pro-
pädeutik hochaktuelles Thema, das er durch suggestive Schemata verdeutlicht. Ansätze für die Ei-
gentätigkeit der Schülerinnen und Schüler vermisse ich allerdings hier besonders. - Texte: Seneca,
Cicero und Lucrez über Zufall und Notwendigkeit. - Der zentrale Seneca-Text scheint mir wenig
ergiebig. Von besonderem Interesse sind aber die Lucrez-Auszüge wegen frappierender Parallelen
zu Folgerungen aus der Quantentheorie (Heisenbergsche Unschärferelation - vgl. bei Lahmer S. 85).
Allerdings können meines Erachtens die komplexen Probleme, die Lahmer hier anspricht, mit dem
von ihm vorgeschlagenen Schema („Wertequadrat" S. 64) nicht angemessen veranschaulicht wer-
den
Q Ganzheitliche Naturbetrachtung. - Lahmer stellt die Grundgedanken der Vor-
sokratiker kritisch dar (S. 68ff.). Die lateinischen Texte (Cicero über Thaies, Augustin über Anaxl-
mander und Anaximenes) nennt er nur als denkbare Einstiegmöglichkelten, da gerade die von
Lahmer jeweils als entscheidend hervorgehobenen Momente des vorsokratischen Denkens darin
fehlen.
Q Forschungsdrang - unsicheres Wissen. Text: Seneca über den Erkenntnis-
drang und die Erkenntnisfähigkeit des Menschen (de otio 5, 1-6) - Lahmer bietet zu dem Text die
notwendige Differenzierung, indem er zwei Zitate von Xenophanes hinzuzieht. So leitet er zu dem
„kritischen Rationalismus" Poppers über.
Q Ökologische Moral. Text: Cicero über die Fähigkeit des Menschen, Ursachen und Fol-
gen der Dinge zu erkennen (off. 111), und die daraus resultierende Verantwortung (off. I 81; I 22) -
Lahmer stellt in seiner Interpretation im Zusammenhang mit Thesen von Hans Jonas vor allem die
Unterschiede zu Ciceros Sicht dieser Verantwortung heraus.
Die Möglichkeiten, diese Texte zu verwenden, sind vielseitig. Die thematisch orientierte Auswahl
erlaubt es, daraus ein zusammenhängendes Unterrichtskonzept zu entwickeln, das z. B. einen
Grundkurs mit philosophischer Thematik bestimmen könnte Ebenso können aber einzelne Kapitel
der Ergänzung z. B. der Ovid-Lektüre (Weltaltermythos) oder der Cicero-Lektüre (antike Philoso-
phenschulen) dienen. Hervorzuheben sind aber auch Lahmers Überlegungen zu fächerübergreifen-
den Ansätzen (Vorwort S. 5, Querverbindung ... S. 6ff., Didaktischer Exkurs III S 107ff.).

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