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Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0416

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ten zur Folge, daß die 'iräqische Mekka-Wallfahrt in den beiden nächsten Jahren nur
einmal - gegen Zahlung einer großen Geldsumme - durchgeführt werden konnteW
Anfang Januar 928 stießen die Qarmaten von Bahrain bis in die Nähe von Bag-
dad vor. Deshalb fürchteten viele Leute, daß nunmehr das Ende des 'abbäsidischen
Kalifats gekommen sei. Einige glaubten, Abü Tähir handele im Auftrag »des Qar-
maten im Maghreb«, also des Fätimiden, und erwarteten, daß dieser schon bald
persönlich auftreten werde. Die 'iräqischen Qarmaten im Umland von Küfa gaben
nun ihre bisherige Tarnung auf und wurden ebenfalls aktiv, indem sie das Reich des
Mahdi zu errichten versuchten. Ihre Scharen wurden jedoch von Regierungstrup-
pen auseinandergetrieben, und die Überlebenden schlossen sich dem Heer des Abü
Tähir an. Dagegen brachten die Truppen des Kalifen dessen Vormarsch erst dadurch
zum Stehen, daß sie eine Kanalbrücke abbrachen und weite Landstriche unter Was-
ser setzten, indem sie mehrere Deiche durchstachen. Allerdings konnten sie nicht
verhindern, daß Abü Tähir daraufhin einen Beutezug durch das nördliche Mesopo-
tamien unternahm'^.
Im Sommer 928 wieder nach Bahrain zurückgekehrt, schrieb Abü Tähir ein im
Träq verbreitetes Gedicht, in dem er einen erneuten Angriff ankündigte und sich als
Vorläufer des Mahdi bezeichneteW Aber sein nächstes Ziel sollte nicht Bagdad,
sondern Mekka sein: Nachdem im Dezember 929 die Pilgerkarawanen mit mili-
tärischem Begleitschutz wohlbehalten in Mekka eingetroffen waren, erschienen
dort unmittelbar vor Beginn der Wallfahrtszeremonien am 11. Januar 930 auch die
Qarmaten und verlangten Einlaß in die Heilige Stadt. Dabei berief sich Abü Tähir
auf das Recht eines jeden Muslim und gab eine Sicherheitsgarantie, die er zu hal-
ten schwor, so daß ihm die Stadtoberen schließlich die Tore öffneten. Doch die Qar-
maten brachen den Eid und taten das Unvorstellbare, indem sie unter den Pilgern,
die gerade den Umlauf um die Ka'ba machten, ein Blutbad anrichteten, den Koran
lauthals als Lüge verhöhnten und die Ka'ba plünderten. Nicht nur die Schätze,
Devotionalien und Votivgaben wurden geraubt, sondern auch die Türflügel und
vor allem der Schwarze Stein, den Abü Tähir aus der Ecke der Ka'ba herausbrechen
ließ^T
Der Vorstoß der Qarmaten gegen Bagdad und die Überfälle auf die Pilgerkara-
wanen lassen sich aus ismäTlitischer Sicht mit dem Gihäd gegen die »Ungläubigen«
und die als Usurpatoren betrachteten abbäsidischen Kalifen rechtfertigen, wobei
die Beutegier der Beduinen ein zusätzliches Motiv bildet. Die Schändung des Hei-
ligtums von Mekka jedoch ist damit wohl nur unzureichend erklärt, denn nach die-
ser Tat konnten sich die Qarmaten kaum mehr - wie noch 16 Jahre zuvor gegenüber
dem Wesir 'All ibn Tsä^ - als Muslime bezeichnen. Der entscheidende Grund dürf-
te vielmehr darin liegen, daß die Qarmaten einen jungen Mann als den Mahdi be-
trachteten, den sie 928 auf ihrem Feldzug gegen Bagdad in die Sklaverei nach
Bahrain verschleppt hatten. Es wird erzählt, sein äußerst selbstbewußtes Auftreten
und die von ihm geführten Reden hätten seinen Besitzer derart irritiert, daß er ihn
vor Abü Tähir habe bringen lassen, damit dieser sich selbst ein Bild mache. Als der

145 Vgl. ebd.,S. 226f.
146 Vgl. ebd., S. 227-229.
147 Vgl. MADELUNG, Bahrainqarmaten, S. 79.
148 Vgl. HALM, Reich des Mahdi, S. 229 f.
149 Vgl. ebd., S. 225 f.

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