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Möhring, Hannes; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung — Mittelalter-Forschungen, Band 3: Stuttgart, 2000

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29153#0417

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Sklave ein Kennzeichen, über das nichts Näheres gesagt wird, vorgewiesen habe, sei
Abu Tähir davon überzeugt gewesen, den erwarteten Mahdi vor sich zu seheMA
Bald schon verehrten ihn die Qarmaten als leibhaftigen Gott und beteten ihn
an, indem sie ihn in paradiesischer Nacktheit umkreisten. Mit ihm glaubten sie end-
lich die Zeit der wahren Religion, der Religion Adams, angebrochen. Entsprechend
der ismäTlitischen Mahdi-Vorstellung forderten sie, daß die Menschen alle anderen
Religionen, auch das Gesetz des Islam, aufgeben sollten, und bezeichneten Moses,
Jesus und Muhammad als BetrügePA Erst vor diesem Elintergrund wird deutlich,
warum die Qarmaten die Ka'ba plünderten und auch den Schwarzen Stein raubten^ A
Es ist unklar, wie lange das Treiben um den vermeintlichen Gott der Qarmaten
dauerte. Aber offenbar schon bald regte sich gegen ihn Widerstand, den mehrere
führende Qarmaten mit dem Leben bezahlten. Trotzdem scheint Abü Tähir in sei-
nem Glauben so lange unerschüttert geblieben zu sein, bis er durch die Nachricht
erschreckt wurde, daß auch er beseitigt werden solle. Nun erst wurde der Betrüger
einer Prüfung unterzogen. Als er sich weigerte, Abü Tähirs angeblich tote Mutter
wieder zum Leben zu erwecken, und der Fall damit klar war, fiel nach erregtem
Wortwechsel ein Bruder des angeblich noch ängstlich zögernden Abü Tähir über
ihn her und tötete ihn. Natürlich verlangte diese Tat nach einer Erklärung, und so
sah sich die Führung der Qarmaten zu ihrer Schande gezwungen, in aller Öffent-
lichkeit ihren Irrtum einzugesteheMA
Maßlos enttäuscht, kehrten daraufhin viele Qarmaten aus dem Träq, die zum
Anbruch der Endzeit nach Bahrain gekommen waren, in ihre Tleimat zurück - fort-
an gingen auch sie und die Qarmaten von Bahrain getrennte Wege. Immerhin aber
konnten Abü Tähir und seine Ratgeber ihre Macht behaupten. Sie führten die isla-
mische Religion wieder ein und erklärten deren Vorschriften wieder für verbind-
lich^. Zwar überfielen sie zunächst noch weitere Pilgerkarawanen, übernahmen
jedoch schließlich gegen ein Schutzgeld deren Geleit^ und gaben 951 sogar den
Schwarzen Stein der Ka'ba zurücDA
An das baldige Erscheinen des Mahdi glaubten die Qarmaten trotz des von ih-
nen abgelehnten Mahdi-Anspruchs der Fätimiden und trotz ihres eigenen schweren
Irrtums auch weiterhin. Den Auftritt des vermeintlichen Gottes interpretierte man
als eine letzte Prüfung, auf die alsbald das »Erscheinen der Wahrheit« folgen soll-
te^A Im Namen des Mahdi wurde der Fünft erhoben und in einem eigens für den
Mahdi bestimmten Schatzhaus in al-Ahsä' gehortePA
Mitte des 11. Jahrhunderts stand in al-Ahsa vor dem Grabmal des 913 ermor-
deten Abü Sa'ld al-Gannäbi stets ein gesatteltes Pferd für den Toten bereit, weil die
Qarmaten an seine Rückkehr glaubten, von der Abü SaTd zu seinen Söhnen gesagt
haben soll: »Wenn ich zurückkehre und ihr mich nicht erkennt, dann schlagt mir
den Kopf ab! Wenn ich es wirklich bin, werde ich sofort wieder lebendig werdemTA
150 Vgl. ebd., S. 230 f. und 234; MADELUNG, Bahrainqarmaten, S. 75-78 und 80.
151 Hier liegt der Ursprung des auch in Europa bekannten Bildes von den drei Betrügern.
152 Vgl. HALM, Reich des Mahdi, S. 231-233.
153 Vgl. ebd., S. 233-235.
154 Vgl. ebd., S. 236.
155 Vgl. ebd., S. 338 f.
156 Vgl. ebd., S. 339 f.
157 Vgl. ebd., S. 235.
158 Vgl. ebd., S. 236 und 340; MADELUNG, Bahrainqarmaten, S. 85.
159 Vgl. Näsir-i Husrau, Sefer Nameh, ed./tr. ScHEFER, S. 821. (ed.) sowie 226 und 228 (tr.).

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