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Müller, Franz Hubert
Die St. Catharinenkirche zu Oppenheim: Ein Denkmal teutscher Kirchenbaukunst aus dem 13. Jahrhundert. Geometrisch und perspectivisch dargestellt und mit einem erläuterndem Texte versehen. Mit 24 Kupferplatten Imperialfolio ([Hauptbd.]) — Darmstadt, 1836

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https://doi.org/10.11588/diglit.18725#0030

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Linien, wodurch sie begränzt ist, verlängert, bis sie sich wieder durchschneiden. Dieses
Pentalpha war eins der wichtigsten Symbole des Pythagoras, der es zugleich als ein
Symbol der Gesundheit, 'Tyuiu, die durch Uebereinstimmung aller Theile des Körpers
hervorgebracht wird, nahm, und galt in späteren Zeiten als ein Zeichen alles Heils und
Glückes, *) 111 welcher Bedeutung es hier passend durch die Construction aus dem
Fünfeck angebracht zu sein scheint und auch noch einigemal in dieser Kirche ebenso
vorkommt; nämlich einmal bei dem südlichen Eingange im Kreise um die heil. Katharina
und zum zweitenmale in dem, im Längendurchschnitte sichtbaren, Rosenfenster, welches
mit seiner Glasmalerei auf dem 7. Blatte gegeben ist, wodurch dann diese Meinung noch
grössere Wahrscheinlichkeit erhält. Auch kann es nicht befremdend sein, ein Symbol
eines heidnischen Philosophen in einer christlichen Kirche zu finden, wenn man bedenkt,
dass schon im heidnischen Alterthume Baukünstler vorzüglich, in die Eleusinischen und
andere Geheimnisse aufgenommen wurden, und auch später griechische Baukünstler und
Arbeiter bei den Bauvereinen oder Corporationen des Mittelalters Zutritt fanden, die aus
dem ägyptischen und griechischen Mysterienwesen , aus den Systemen der griechischen
Philosophen und den Gebräuchen des ersten Christenthumes, besonders der gnostischen
Parteien, ein System religiöser und sittlicher, in Symbole gekleideter Lehren und heiliger
Handlungen gebildet hatten, die ihr inneres Geheimniss ausmachten. **)

Uebrigens sind bei der Construction der steinernen Einfassungen noch verschiedene,
durcho-än<rin: beobachtete Eigenheiten zu bemerken, die ich hier in aller Kürze anführen
werde. Zuerst wird bemerkbar, wie Glasmalerei und Steincoustruction gleich ursprünglich
zusaininengedacht sind. Wenn man nämlich die Construction der sechs kleinen Spitzbogen,
die zunächst die senkrecht aufsteigenden Pfosten schliessen, betrachtet, so ist es augen-
scheinlich, dass die darin befindlichen, freistehenden, kleinen Zirkelbogen so gestellt
sind, dass der weisse Streifen des Glases nach Innen sich noch schliessen kann (siehe
Fig. 5. u. 6. zur Seite, auf dem 5. Blatte}, welches nach der gewöhnlichen Construc-
tionsart, die man auf dem 1. Blatte über der Thüre wahrnehmen kann, nicht mös-lich
wäre. Sodann schliessen sich in der Regel alle grosse Kirchenfenster teutscher Art,
der Form des Ganzen entsprechend, oben mit einem Spitzbogen. Bei der grossen
Oeffnung aber, die ihnen gegeben ist, war es nöthig, sie, nach Verhältniss ihrer Breite,
mit einem oder mehreren, starken oder schwächeren Pfosten (nach der Kunstsprache
des Mittelalters alte und junge Pfosten***}), zu unterstützen. Diese erheben sich, von
einer schrägen, abgeflachten Basis senkrecht, ungefähr bis zur Höhe, wo die äusseren

*) Mehrere« darüber findet man beä Stieglitz: von altdeutscher Baukunst, S. 20S. Auch sind in demselhen

Werke höchst wichtige Aufschlüsse über die alten Bauvereine zu finden.
*') Conversations - Lexikon unter dem Artikel Freimaurer.
***) Stieglitz, von altdeutscher Baukunst, S. 212.
 
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