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Müller, Franz Hubert
Die St. Catharinenkirche zu Oppenheim: Ein Denkmal teutscher Kirchenbaukunst aus dem 13. Jahrhundert. Geometrisch und perspectivisch dargestellt und mit einem erläuterndem Texte versehen. Mit 24 Kupferplatten Imperialfolio ([Hauptbd.]) — Darmstadt, 1836

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https://doi.org/10.11588/diglit.18725#0073

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auf der ausschliesslichen Verehrung der alten Völker zugewendeten, dieselben oft über-
schätzenden Bildungsweise kann es zugeschrieben werden, dass das Anstössige in der
Anwendung solcher Ideen nicht allgemeiner gefühlt wird. So ist das Bild des Genius
mit der umgekehrten Fackel durch die immerwährende Wiederholung gänzlich abge-
nutzt, man sieht es oft in einer für den Ort unanständigen Blöse$ wie erhebend sind
dagegen nicht die einfachen Worte: in Christo selig entschlafen! — Oder, Avie gross
und tröstend ist die Idee der geistigen Auferstehung in der körperlichen des Heilandes
dargestellt, und was sagt dagegen das zum Ueberdruss wiederholte, an sich zwar sinnig
auf Entwicklung deutende, doch zuletzt unwahre, Symbol des Schmetterlinges? (der ja
nach kurzem Umherflattern und nachdem er Eyer gelegt, wieder aufgelöst wird/) Welche tiefe
Bedeutung hat nicht das Kreuz auf dem Grabe des Christen, gegen den Aschenkrug?

Fände man es aber besonders nothwendig, dem in einer Kirche aufgestellten Grab-
male, **J welches ja eben dadurch schon mit der allgemeinen Bedeutsamkeit der christ-
lichen Lehre und ihrer Symbole in genauer Beziehung steht, noch eine besondere Deutung
zu geben, wie allgemein verständlich^ tief in das Leben greifend, tröstend und belehrend
wären dann nicht die Darstellungen aus dem Leben unseres Erlösers, oder, nach Ver-
hältnissen auch der vorzüglichsten Heiligen? —■ Die Erweckung des Lazarus, Janini
Töchterlein, der Jüngling von Nairi, oder die Apostel und Patrone einzelner Stände
u. s. w. in Beziehung auf den Verstorbenen.

Hierdurch würde die vaterländische Kunst ihrem wahren Berufe wiedergegeben
werden, und segenreich zur Beförderung wahrer christlicher Kultur wirken.

Doch zur Verwirklichung solcher Ideen muss der Geist einer besseren Ueberzeugung
allgemein hülfreich eingreifen. Der durch die ernsten Prüfungen unserer Zeiten geläuterte
Sinn, wird auch in der Kunst das ewig Wahre und wahrhaft Heilige zu erkennen wissen.

Der geometrische Aufriss der Südseite der Kirche von Aussen.

4 i Ö

Der grösste Reichthum von constructiven Verzierungen sowohl, als auch von freien
Laubwerken ist, wie bereits früher bemerkt wurde, an der St. Katharinenkirche auf der

*) Der die Fackel senkende Genius in Schillers Gedicht „die Götter Griechenlands" ist zu schroff an die
Antithese des Gerippes gestellt, ein Kunstgriff, der sich durch das ganze Gedicht erstreckt. Schiller
seihst hat sich darüber auch hinlänglich gerechtfertigt, und eine bessere Ueberzeugung ausgesprochen.
*•) Vorzügliche Grabmale sollten immer in Kirchen, nicht auf den Beerdigunsgstätten aufgerichtet werden,
weil in ersterer die Kunst mehr auf das Leben wirken, und zur richtigen Anerkennung gelangen kann.
*") Der innige Bund, welcher die Kunst und Religion vereint, die gänzliche Unmöglichkeit, einerseits der
eisten eine andere poetische Welt als innerhalb der Religion und durch die Religion, zu geben, die

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