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Müller, Franz Hubert
Die St. Catharinenkirche zu Oppenheim: Ein Denkmal teutscher Kirchenbaukunst aus dem 13. Jahrhundert. Geometrisch und perspectivisch dargestellt und mit einem erläuterndem Texte versehen. Mit 24 Kupferplatten Imperialfolio ([Hauptbd.]) — Darmstadt, 1836

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https://doi.org/10.11588/diglit.18725#0059

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wahrnehmen, wodurch Nichts überflüssig und überladen erscheint. Auch hängt es ganz
von dem Baumeister ab, der diesen Baustyl in Anwendung bringen will, ob er das Ge-
bäude, nach mancherlei, bei der Ausführung desselben obwaltenden Umständen, entweder
reich verzieren, oder ganz unverziert zu lassen, für gut hält; in beiden Fällen wird
immerhin der reine Geschmack aus den Formen hervorleuchten, die zweckmässig ange-
wendet worden sind. Dieses zeigt die vorliegende Zusammenstellung augenscheinlich.
Auf der südlichen Seite, zur Rechten auf der Zeichnung, sind den oberen Fenstern des
Schiffes von Aussen noch Bogen zugefügt, mit einer grossen Holdkehle, worin sich
breitblätterige Ranken hinaufwinden. lieber diesen Bogen erheben sich dann Giebel,
reich verziert in ihren Feldern durch eine Construction aus dem Dreiecke, in deren
Mitte, an den drei unteren Fenstern, männliche Köpfe angebracht sind. Nach dem aus-
drucksvollen, individuellen Charakter, wodurch jeder dieser Köpfe einzeln ausgezeichnet ist,
scheinen dieselben Bildnisse, vielleicht von den Baumeistern der Kirche gewesen zu sein,
Dass man sich aber dabei auf drei beschränkte, und das Giebelfeld des vierten Fensters,
zunächst am Kreuze über der Rose, mit einer anderen Construction ausfüllte, scheint
diese Vermuthung zu bestärken. Zwei dieser Köpfe sind ziemlich erhalten, der dritte
aber stark verwittert; sie sollen jedoch auf dem Blatte, welches die Laub Verzierungen
von Aussen darzustellen bestimmt ist, getreu nachgebildet erscheinen. An den oberen
schrägen Flächen der Giebel sprosst Laubwerk in gleicher Entfernung von einander her-
vor, über jedem Giebel, von verschiedener Art. In den unteren Ecken der Giebel
sowohl, als unten in den grossen Hohlkehlen, wo die Ranken entspringen, sind ausser-
dem noch drachenartige Ungeheuer angebracht, wobei der Phantasie der Steinmetzen
völlige Freiheit gelassen zu sein scheint; sie sind mitunter von naiver Erfindung und
scheinen sich öfters auf Persönlichkeiten der damaligen Zeit zu beziehen, zu deren
Deutung uns der Schlüssel verloren gegangen ist. Doch nehmen diese Ungeheuer, wozu
auch diejenigen gezählt werden müssen, durch welche das Wasser ausströmt, nur an
der äusseren Kirche ihre Stelle ein und scheinen ausgeschlossen vom inneren Heilig-
thume durch die Gegenwart des Erlösers, *) ja sogar zum Dienste des Gotteshauses
gezwungen. Eine nähere symbolische Deutung scheint wohl hier nicht zum Grunde
gelegen zu haben. Auch von diesen Figuren sollen einige ausgezeichnete in der Folge
gegeben werden.

*) Nach Martini Poloni chronelogia romanorum pontificum wird im Buche, von der Kindheit des Erlösers,
Folgendes erzählt: Jesu fugiente in aegyptum, cum in ore cujusdam speluncae hospitati fuissent, de
eadein spelunca duo immänissimi dracones sunt egressi, ad quorura contiiituni dum B. Virgo et Joseph
nimio terrore crinduecrentur, ad praeeeptum pucri Jesu dracones cum omni niiinsuetüdine inclinatis capi-
tibus diserta petierunt.
 
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