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Nr 9.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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funden. Derartige Produkte sind bisher nur durch
Einwirkung von Oxydationsmitteln auf die Fette
im Laboratorium erhalten worden. Die Verän-
derungen der Fette und Wachsarten im Laufe
längerer Zeiträume sind experimentell bisher nicht
erforscht worden.
Ueber das Malerhandwerk im Altertum.
Römische Wanderungen.
Von E. B.
(Fortsetzung.)
Aber es würde zuviel gesagt sein, wenn diese
Manier, die nur von den Vornehmsten und Reichen
bezahlt werden konnte, die allgemeine in Rom gewesen
sein sollte. Man findet auch manche antike A'Ialerei,
die sehr schlecht erhalten ist, die schleuderhaft ge-
macht, in nichts an die gute Tradition des antiken
Stucco erinnert. Es wurde eben zu jener Zeit sehr
verschieden gearbeitet, gut und schlecht, schön und
geschmacklos, wie es auch heute üblich ist. Solche
minderwertige Malereien aus antiker Zeit findet man
gelegentlich von Ausgrabungen am Esquilin, wo neue
Strassenzüge entstehen, oder bei den Erweiterungs-
arbeiten vor Porta Pia an der Via Nomentana, bei
Grundaushebungen zu den neuen Villenquartieren, und
wiederholt habe ich Stücke antiker Wandmalerei ge-
sehen, die flüchtig gemalte Ornamente und alle Merk-
male einer schlechten Technik zeigen. Ebenso schlecht
ist auch die Erhaltung, denn so geringwertige Stuck-
malerei bietet der Feuchtigkeit keinen Widerstand, die
Farben lassen sich abwaschen, die Grundfarben sind
nicht halb so fest, wie es sonst der Fall ist. Die an-
tiken Malerkollegen arbeiteten eben sehr verschieden,
je nach den Zwecken, je nach dem Auftraggeber und
anderen äusseren Umständen.
Ein vemältnismässig sehr gut erhaltenes antikes
Wohnhaus, sogar mit zwei Stockwerken übereinander,
wurde im Jahre 1887 unter dem Mittelschiff der Kirche
5. Giovanni e Paolo entdeckt. Es diente ursprünglich
den Offizieren des Kaisers Julian als Wohnung, daran
stossend waren auch Gefängnisse, in denen die beiden
Heiligen den Martyrertod erlitten haben sollen. Im
6. Jahrhundert errichtete man eine Kapelle über dieser
Stätte, dann später die jetzige Kirche. Diesem Um-
stand verdankt das antike Haus seine bessere Erhaltung.
Es sind mit der alten Deckenmalerei mehrere
Räume vollkommen erhalten, im Stile des ausgehenden
Kaiserreiches ausgestattet, die Ornamentik lehnt sich
an gute Vorbilder an, so im Figürlichen (nackte Jüng-
lingsgestalten zwischen Blumengewinden, Tiere zwischen
Rankenwerk, ein grosser Fries mit allegorischen Figu-
ren u. a.), aber alles ist flüchtig hingemalt, ohne fei-
nere Durchführung. Die Sockel zeigen zwar Marmo-
rierung in der Art späterer Stuccomalerei, aber in
minderwertiger Technik, als ob die Maler dabei in
Akkord gearbeitet hätten. Das ist das Merkwürdige
an der Sache: je mehr man sich mit dem Studium des
antiken Malergewerbes befasst, desto mehr Vergleichs-
punkte findet man mit unseren heutigen Zuständen.
Die Akkordarbeit verschlechtert zweifellos die tech-
nische Ausführung. Auch das Material wird verschlech-
tert und wiederholt finden wir Hinweise darauf in den
Schriften des Vitruv und Plinius. Farbenfälschung und
Betrug mag es schon damals gegeben haben. Auch
dafür gibt Vitruv ein amüsantes Beispiel: Die kostbaren
Farben, die bei protzenhaften Bauherren sehr beliebt
waren, wie Purpur, Coeruleum (Himmelblau) oder Zin-
nober, wurden nicht in den Lieferungskontrakt mit
aufgenommen, sondern mussten vom Bauherrn beson-
ders bezahlt werden; die Maler nutzten dies zu ihrem

Vorteil aus, indem sie z. B. die. mit Zinnober gefüllten
Pinsel wiederholt in tiefen Gefässen auswuschen, wo-
durch der schwere Zinnober zu Boden sank, und diesen
behielten sie natürlich für sich!
Es scheint überhaupt, dass schon im Altertum eine
Scheidung oder Spezialisierung des Malerberufes sich
geltend machte, und bei der Innenausstattung teils der
Stuckarbeiter (tector), teils der Maler (pictor) die de-
korativen Arbeiten ausfuhrtp. So spricht der römische
Schriftsteller Varro bei der Aufzählung von Gebäuden
auch von solchen ganz einfachster Art, bei denen weder
der tector noch der pictor tätig gewesen ist, es war
also keine geglättete Wandbekleidung und auch kein
malerischer Schmuck dabei vorgesehen. Der Stuck-
arbeiter (tector) schuf die Stucco-Wandverzierung, er
imitierte die glatten, dem Marmor ähnlichen Wand-
flächen, während der Maler die figürlichen und orna-
mentalen Teile ausarbeitete. Selbst das sogenannte
„Einbrennen", worunter wohl der Wachsüberzug bei
bestimmten bemalten Architekturteilen verstanden wer-
den muss, besorgte ein eigener beruflich tätiger Ar-
beiter. Aus einer Inschrift von Erechtheum zu Athen
erfahren wir sogar den Preis, den ein derartiger „En-
kaust" für diese Arbeit erhielt, und zwar 5 Obolen für
den laufenden Fuss, und auch deren Namen sind uns
überliefert. Der eine hiess Dionysodor aus Melita,
der andere Heraclides von Oa; zusammen erhielten
sie 30 Drachmen für ihre Arbeit, nach unserem heutigen
Geld etwa 22,30 M. (die Drachme — 0,73 M., 6 Obolen
— 1 Drachme).
Dass das Prinzip der „Spezialisten" schon im Alter-
tum bekannt gewesen sein muss, hatte ich Gelegenheit,
in einem erst kürzlich ausgegrabenen Teile des soge-
nannten Goldenen Hauses des Nero zu beobachten.
Einem deutschen Archäologen, Dr. Weege, ist es vor
zwei Jahren gelungen, durch ein schwer zugängliches
Loch im Gemäuer der jetzt als Titusthermen bezeich-
neten Ruinen in einen langen Gang zu gelangen und
von da weiter in eine Reihe von bis zur Wölbung zu-
geschütteter Räume vorzudringen; endlich kam er in
einige grosse, ungemein reich in Farben und mit Stuck-
ornamenten, die vergoldet gewesen waren, verzierte
Räume. Der zuerst betretene, etwa 80 Meter lange
Korridor war in einfacher Malerei gehalten, deren orna-
mentale Ausschmückung im Charakter antiker Decken-
malerei sich nach einem gewissen System wieder-
holte. Vielfache Inschriften von Namen mit Datie-
rungen*) deuteten darauf, dass diese Räume im 16. Jahr-
hundert bekannt waren, später aber muss der Zugang
wieder verschüttet worden sein.
Dr. Weege machte mir hocherfreut die Mitteilung,
dass eben erst ein neuer Teil des Korridors aufge-
deckt wurde, dessen Bemalung besonders gut erhalten
sei, und als er mich einlud, die Ausgrabungsstelle zu
besichtigen, sagte ich mit Freuden zu. Wir gelangten,
oftmals in kriechender Stellung die niedrigen Durch-
bruchslöcher passierend, an die bezeichnete Wölbung,
wo eben Arbeiter beschäftigt waren, die Flächen vom
Schmutz und dem allerorts die Wände bedeckenden
Kalksinter zu säubern. Unsere Azetylen-Lampen ge-
statteten eine genauere Betrachtung der Malerei in
unmittelbarer Nähe, und man konnte dabei sehen, wie
die antiken Arbeiter zu Werke gegangen sind. Zu-
nächst musste die allgemeine Einteilung in ihren
Hauptlinien gezogen worden sein, und da man damals
das „Abschnüren" mit Graphit oder dergleichen offen-
bar nicht kannte, zogen die Arbeiter durch einfaches
Eindrücken ihre Linien in den noch frischen Stuck-
grund. Ueberall fanden wir solche eingedrückte Di-
*) So z. B. finden sich Giovanni da Udine, Giulio
Romano unter den Besuchern, auch Deutsche, Nieder-
länder u. a.
 
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