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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 18.

haben, denn in dem im Jahre 1764 erschienenen
Werk eines anonymen Verfassers, betitelt „The
Handmaid of the Arts" finden wir eine Firnis-
malerei (Painting in varnish), bei der Lösungen
von Harzen (Schellack, Mastix u.a.) in Weingeist
zum Anreiben der Farben gedient haben. Der
Autor fügt hinzu, dass von einigen hervorragen-
den Porträtisten eine neue Methode angewendet
werde, Oel mit Firnis als Bindemittel zu nehmen,
und das nennen sie auch „Painting in varnish",
obwohl es nach seiner Meinung besser Malerei
mit Firnis genannt werden sollte. Die hierzu
nötigen Firnisse müssten mit Terpentinöl herge-
stellt werden. An den schlecht erhaltenen, mit
Sprüngen bedeckten Gemälden von Lawrence,
Gainsborough u. a. kann man die schlimmen Fol-
gen solcher Firnismalerei ersehen. Die gute
Tradition war inzwischen vernichtet und ist einem
planlosen Experimentieren gewichen.
Was von Tradition noch vorhanden war, muss
in den Wirren der französischen Revolution am
Ende des 18. Jahrhunderts gänzlich verloren ge-
gangen sein, denn wenige Jahre später Anden
wir Versuche, die zerrissenen Fäden wieder auf-
zunehmen oder vielmehr von vorne anzufangen.
Von dem Lehrer und Freunde Goethes, Philipp
Hackert, ist ein „Sendschreiben" „Ueber den
Gebrauch des Firnis in der Mahlerey" erhalten,
das er an Lord Hamilton, ehemaligen grossbri-
tannischen Gesandten in Neapel, gerichtet hat,
und aus dem Italienischen übersetzt zu Dresden
1800 erschienen ist. Als Anhang zu Hackert
veröffentlichte Joh. Quirin Jahn eine „Abhand-
lung über das Bleichen und die Reinigung der
Oele zur Oelmalerey" (nebst neuer Beiträge über
Ausbesserung, Auffrischen usw. alter Gemälde),
die als ganz selbständige Arbeit angesehen wer-
den können.
Es ist sehr bemerkenswert, dass Hackert nur
den Firnis aus Mastix in Terpentinöl gelöst ge-
kannt zu haben scheint und von diesem sagt, es
wäre der von Armenini beschriebene, dessen sich
Correggio und die Parmesaner bei ihren Arbeiten
bedient hätten. Die Zubereitung desselben sei
sehr einfach (a. a. O. S. 13): „Man nimmt einen Teil
reinen auserlesenen Mastixgummi, zwei Teile
„Acqua di Ragio", gemeiniglich di Raso genannt,
oder Wasser von Baumharz, so klar wie Wasser.
Diese Materien werden zusammen in eine gläserne
Flasche getan, an die Sonne gestellt, von Zeit
zu Zeit umgerüttelt, bis sich der Gummi völlig
aufgelöst hat usw."
Ob Hackert die Originalausgabe des Armenini
eingesehen hat, ist nach dem obigen Zitat sehr
fraglich, denn wir wissen, dass der Correggio-
Firnis nicht aus Mastix und Terpentinöl (Aqua
di Raggia), sondern aus Olio di Abezzo und
Steinöl bestand. Dieser Firnis muss demnach
in Rom am Ende des 18. Jahrhunderts unbe-

kannt gewesen sein, seine Tradition war, wie
es scheint, vergessen.
Im III. Anhang Anden wir eine Abhandlung
über Firnisse, die oAenbar dem englischen Buch
„Handmaid of the Arts" (deutsche Uebersetzung
Dresden 1791) entnommen ist, in der, wie er-
wähnt, die gute Tradition aufgegeben und das
planlose Experiment vorzuherrschen scheint. Als
Beispiel möge folgender Firnis erwähnt sein:
„Man nehme Gummi, Mastix und Sandarac je
vier Unzen, weisses Harz zwei Unzen, Gummi,
Sarcocol, Animä, Kopal und Olibanum je eine
Unze, pulverisiere sie und tue sie in eine Flasche
mit 2 Pf. Terpentinöl." Also ein Sammelsurium
von Harzen, die gemischt werden sollen! Zu
einem ähnlichen Firnis wird noch eine halbe Unze
venetian. Terpentin dazugegeben, und dieser soll
mit den übrigen Harzen pulverisiert werden!
Während Hackert, wie wir sahen, von vene-
tian. Terpentin, dem Olio di Abezzo des Armenini,
nichts mehr weiss, führt Jahn in § 76 einen
„Holländischen Firnis" mit aller Umständ-
lichkeit an, der aus Terpentin, Mastix und Ter-
pentinöl bestehe und gewöhnlich im Verhältnis
von 2:4:8 hergestellt werde, und § 78 spricht
er die Vermutung aus, dass Rubens und andere
Niederländer sich viel eher dieser Mischung oder
des Firnisses als des Wachses (wie andere behaup-
teten) bedient hätten.
Aber die Spuren dieses „holländischen Fir-
nisses" verlieren sich schon im Laufe des Jahr-
hunderts, und der venetianische Terpentinbalsam
erscheint nur noch in Büchern für StafAermalerei,
z. B. bei Watin. Der „Kunstmaler" kennt
ihn nicht mehr. So führt Bouviers Manuel
des jeunes Artistes et Amateurs en Peinture nur
einen Firnis an, der aus Mastix und Terpentin-
essenz besteht. Die Tradition des Gebrauches
von venetian. Terpentin ist demnach vollkommen
verwischt. Sowohl in Italien als auch in Frank-
reich (Bouvier, geb. 1755, hatte in Paris studiert,
und sein Manuel erschien zuerst im Jahre 1824)
kennt man den Terpentinbalsam kaum mehr dem
Namen nach*). Das geht schon daraus hervor,
dass die ersten Auflagen von Bouvier (32. Lektion,
Terpenthin- oder Gemählde-Firnis) folgende Note
enthalten: „Die Terpen tin-EssenzvonVenedig
und Chio ist die beste; allein es ist schwer, sie
zu unterscheiden, und man kann damit leicht be-
trogen werden." Bouvier verwechselt also die
Essenz des Terpentins mit dem venetian. Ter-
pentinbalsam resp. dem Chios-Terpentin.
Durch die obigen wenigen Literaturnachweise
wird es klar geworden sein, dass ein zur Zeit
*) Ebensowenig nennt ihn Mdrimee (De la
Peinture ä l'Huile, Paris 1830) bei der Aufzählung der
Firnisse und Oele, obwohl er Armeninis Firnisrezepte
mehrfach zitiert. Bei Bereitung eines „Gemäldeür-
nisses'" verwirft er jede Zugabe des Terpentins (S. 87).
 
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