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86

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 18.

Glühlampen der Laternen waren hell genug, um beim
Fixieren die Zapfen zu erregen, und erschienen dem-
gemäss in der ihnen eigentümlichen Färbung: Hell-
rot! Sobald ich aber an ihnen vorbeischaute, so dass
ich sie indirekt anschaute und die Stäbchen mitwirken
konnten, erschienen sie weissglänzend und sehr
viel heller. So schnell ich auch zwischen direktem und
indirektem Sehen wechselte, stets verwandelte sich das
Rot in Stäbchenweiss! Somit war der in Nr. 7 der
„Woche" beschriebene Laboratoriumsversuch mit den
drei schwachrotleuchtenden Glühlampen bzw. die Ver-
wandlung der „Rotglut in Grauglut" in schönster Weise
an natürlichen Objekten im Freien gelungen*).
Vom Rot der Ziegeldächer, vom Grün der Wiesen
und des Laubes, vom Gelb der Stoppelfelder war nichts
zu sehen. Alle Farben der vom Sternenlicht beleuch-
teten Objekte waren verschwunden, wie es das Stäb-
chensehen erheischt. Die ganze Landschaft war in
Stäbchengrau getaucht, und nur die helleren Objekte
leuchtetenweisslich in stäbchenweissemLicht. Diese
eigneten sich besonders, um Versuche über das Ge-
spenstersehen anzustellen. Wollte man sie näher be-
trachten und fixierte sie, so waren sie verschwunden,
und statt ihrer gähnte eine dunkelschwarze Leere. Nur
beim indirekten Sehen tauchten sie wieder auf.
Jetzt blicke ich zum Sternenhimmel auf, und zum
erstenmal fällt mir die Aöhnlichkeit des Sternenlichts
mit dem farblosen Glanz des Stäbchenweiss auf. Ich
wende meinen Blick zu den Plejaden („Siebengestirn"),
aber o Wunder, sobald ich sie näher betrachte und
fixiere!, ist dieser ganze Sternhaufen ver-
schwunden! Aus einem tiefschwarzen Fleck, wo ich
vorher die Plejaden zu sehen vermeinte, blinken nur
noch zwei oder drei winzige Lichpünktchen, die vorher
hellen und zahlreichen glänzenden Sterne aber sind fort.
Ich blicke an dieser Stelle vorbei und siehe da, die
Plejaden erglänzen von neuem in ihrer zahleichen Pracht.
Und so oft ich dieses Spiel wiederhole, sind sie ver-
schwunden und tauchen wieder auf. Die Plejadengruppe
erschauen wir also sicherlich nur beim indirekten Sehen,
und ihr Glanz ist sicher stäbchenweisse Empfindung.
Wer also jemals die Plejaden gesehen hat,
weiss jetzt auch, was Stäbchenweiss ist.
Diese auffallende und meines Wissens noch nie-
mals aufgedeckte Tatsache liess mich weiter prüfen,
ob auch die anderen Sterne ihren silbernen Glanz dem
Stäbchensehen zu verdanken haben. Und in der Tat
vermochte ich wenigstens alle lichtschwächern Sterne
beim Fixieren zum Verschwinden zu bringen. Nur beim
indirekten Sehen tauchen sie auf und gewinnen an
Glanz und Grösse, um so mehr, je schiefer man an
ihnen vorbeischaut. Nun war es nicht mehr wunderbar,
warum die Sterne alle im gleichen „Silberlicht" strahlen.
Ohne dass wir es ahnten, haben wir die Sterne indi-
rekt beobachtet und ihnen das subjektive Stäbchenweiss
aufgedrückt. Das Sternenlicht ist Stäbchen-
weiss!
Jetzt erst wurde mir klar, warum wir beim Verlassen
des hellen Zimmers anfangs so wenig Sterne am Him-
mel erblicken. Die lichtschwächern Sterne vermögen
die Zapfen, also auch die Netzhautgrube nicht zu rei-
zen, und die Stäbchen sind noch „unter der Schwelle",
d. h. noch nicht reizunsgfähig. Einmal dessen bewusst,
verfolgt man mit Erstaunen, wie mit der Zeit zu den
hellsten Sternen immer mehr nnd mehr Sterne hinzu-
kommen, bis der Himmel von Sternen übersät ist, und
zwar immer dort aufblitzend, wohin wir nicht direkt
blicken.

*) Schon früher habe ich diesen Versuch im Deut-
schen Theater zu Berlin (Kammerspiele) an den roten
„Notlampen" während der Vorstellung beobachten
können.

Nur eine hierher gehörige Tatsache ist seit den
ältesten astronomischen Zeiten bekannt. Das sogenannte
„Reiterchen" oder der lichtschwache Stern ganz nahe
dem mittelsten hellen Stern der Deichsel des Grossen
Bären galt immer schon als Prüfstein für die Sehschärfe
des Auges, da er nur schwer erkennbar ist. Man blicke
an beiden Sternen vorbei, und mit Leichtigkeit wird
man ihn erkennen. Das wusste man, ohne daraus weitere
Folgerungen zu ziehen. Wer konnte auch ahnen, dass
hierbei die Stäbchen die Hand im Spiel haben? Ihre
Fähigkeit, im Dunkeln so viel heller zu sehen als die
Zapfen, veranlassen das Auge, ohne dass wir uns des-
sen bewusst werden, umherzuirren und die lichtärmern
Objekte gleichsam einzufangen und in stäbchenweissen
Glanz zu hüllen. Warum sollte unser Auge von selbst
eine Stellung einnehmen, bei der es einen Stern licht-
schwächer oder gar nicht sieht? Selbst wenn man dies
beabsichtigt, gelingt es erst nach langer Übung und mit
Anstrengung. Mancher Stern verhält sich wie der „Ge-
spensterfleck" (vergl. Nr. 7); hat man sein Bild durch
Fixation auf die Netzhautgrube gezwungen und so den
Stern zum Verschwinden gebracht, so bricht er von
neuem hervor und tanzt im Kreis umher. Nur die licht-
starken Sterne vermögen die Zapfen zu reizen und sind
darum am Himmel zu sehen, auch wenn die Stäbchen
noch nicht erwacht sind. „Zapfensterne" habe ich
sie darum genannt. Sie allein stehen am Himmel der
Grossstadt, weil beim Licht der Strassenlaternen die
Stäbchen ihren Dienst versagen. Nur fern vom Lich-
termeer der Grossstadt erglänzen auch die Tausende
der kleinen Sterne, der „Stäbchensterne", da sie
nur mittels der Stäbchen zu beobachten sind und von
diesen gleichsam erst an den Himmel gezaubert werden.
Fixativ iür Kohlen- und Kreiden-
zeichnungen.
In der jetzigen Kriegszeit ist ausser Benzin, Pe-
troleum u. a. auch der reine Alkohol rar geworden.
Es ist demnach für den Maler, der sich sein Fixativ
selbst bereitet, nicht möglich, dieses Mittel zur Lösung
des Schellacks zu gebrauchen und er ist genötigt, den
gewöhnlichen Brennspiritus dazu zu nehmen. Wie Ver-
suche zeigten, kann man das nämliche Ziel erreichen,
nur braucht die Lösung längere Zeit als beim Gebrauch
des reinen Alkohols. Das Vergällungsmittel hat auf
das Fixativ keinen Einfluss. Es empfiehlt sich, den
95 °/„ Brennspiritus zur Lösung gebrauchen, der natur-
gemäss stärker ist, als der allgemein übliche zu 90
Der weisse Schellack selbst sollte stets unter Wasser
verwahrt werden; zum Gebrauch zerkleinert man eine
Quantität, lässt die Masse aber noch etwa 24 Stunden
an der Luft trocknen, da sonst die Lösung nicht so
gut vonstatten geht und leicht trüb wird. Um eine
ganz klare Lösung zu bekommen, kann man dieselbe
durch ein feines Leinen- oderweisses Fliesspapier Altrie-
ren. Je nach der gewünschten Stärke genügen 8 bis
10 Teile Spiritus auf 1 Teil Schellack. M.
Literatur.
Dr. Arthur Zart, Farben nnd Farbstoffe, ihre
Erzeugung und Verwendung. Mit 31 Ab-
bildungen im Text. Druck und Verlag von
B. G. Teubner, Leipzig und Berlin, 1915. Preis
gebunden 1.2$ Mk. (Aus Natur und Geistes-
welt, Sammlung wissenschaftlicher gemeinver-
ständlicher Darstellungen, 483. Bändchen.)

Vertag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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