Kretische Hornbecher.
Eine cler auffallendsten Gefäßformen des minoischen Kreta ist die der geradlinig
verlaufenden Spitztrichter1). Die Form (Fig. 30—33) fällt so heraus aus den rein
keramisch erklärbaren Gestaltungen, daß sich die Vermutung aufdrängt, der ur-
30 und 31: Minoische Spitzbecher von
Ton, aus Gurnia.
sprüngliche Ausgangspunkt dieses aparten Ty¬
pus müsse anderswo gelegen
haben als in der Werkstatt
des Töpfers. Wenn man weiter
sieht, daß diese Form schon mit
der mykenischen Periode ihr
Ende erreicht, später so nie
mehr vorkommt, ist es ebenso
naheliegend zu folgern, daß diese
Form mit einer noch einfachen
Kulturstufe zusammenhängt, daß
ihr vielleicht noch etwas Primi-
tives, Naturhaftes anklebt.
Dies ist, wie ich glaube,
auch wirklich der Fall. Die älte-
sten Trichter der Art werden
32; Minoischer
Spitzbecher von
Stein, aus Gurnia.
einfach Rinder-, Stierhörner gewesen sein, die man aushöhlte und unten durch-
bohrte. Sie besaßen den dreifachen Ä7orzug: großer Leichtigkeit, Undurchlässigkeit
und elastisch-spröder Festigkeit. Man hatte sich so gewöhnt an diese Form, daß
man sie dann auch in Ton (Fig. 30 u. 31) wie in Stein (Fig. 32 u. 33) nachbildete,
wovon zahlreiche Exemplare vorhanden sind; vielleicht auch in Metall, wofür frei-
lich kein Beispiel bis jetzt erhalten ist. Bei den Umsetzungen in die anderen Stoffe2)
1) Zuletzt besprochen von Karo, Jahrb. 1911
S. 265 ff. und Reisinger, Kretische Vasenmalerei 24 ff.,
wo Stein als primäres Material vermutet wird.
-) Für das kostbare, von einem athenischen Grabe
stammende, aus einem Elefantenzahn gearbeitete
Exemplar Sta'is, Collect. mycen. p. 116 n. 2916, ist
noch die bevorstehende Publikation durch Kurt Müller
abzuwarten. Nach einer neuen photographischen Auf-
nahme, die ich der großen Freundlichkeit von Sta'is
verdanke, ist das Stück eine rein ägyptische Arbeit
des Neuen Reiches. Aus dem jetzt dazugefundenen
und wieder angefügten oberen Stück ist das feine
Relief ganz klar geworden. Die „protojonische“
Säule scheidet damit allerdings aus, es ist eine der
üblichen dekorativen ägyptischen Bouqnetsäulen dar-
gestellt. Das athenische Elfenbeinrhyton gehört also
zu einer anderen Kategorie von „Horn“gefäßen,
die auch in ihrem Viertelskreisbogen ihre Herkunft
aus dem großen Stoßzahn des Elefanten nicht ver-
bergen kann.
Eine cler auffallendsten Gefäßformen des minoischen Kreta ist die der geradlinig
verlaufenden Spitztrichter1). Die Form (Fig. 30—33) fällt so heraus aus den rein
keramisch erklärbaren Gestaltungen, daß sich die Vermutung aufdrängt, der ur-
30 und 31: Minoische Spitzbecher von
Ton, aus Gurnia.
sprüngliche Ausgangspunkt dieses aparten Ty¬
pus müsse anderswo gelegen
haben als in der Werkstatt
des Töpfers. Wenn man weiter
sieht, daß diese Form schon mit
der mykenischen Periode ihr
Ende erreicht, später so nie
mehr vorkommt, ist es ebenso
naheliegend zu folgern, daß diese
Form mit einer noch einfachen
Kulturstufe zusammenhängt, daß
ihr vielleicht noch etwas Primi-
tives, Naturhaftes anklebt.
Dies ist, wie ich glaube,
auch wirklich der Fall. Die älte-
sten Trichter der Art werden
32; Minoischer
Spitzbecher von
Stein, aus Gurnia.
einfach Rinder-, Stierhörner gewesen sein, die man aushöhlte und unten durch-
bohrte. Sie besaßen den dreifachen Ä7orzug: großer Leichtigkeit, Undurchlässigkeit
und elastisch-spröder Festigkeit. Man hatte sich so gewöhnt an diese Form, daß
man sie dann auch in Ton (Fig. 30 u. 31) wie in Stein (Fig. 32 u. 33) nachbildete,
wovon zahlreiche Exemplare vorhanden sind; vielleicht auch in Metall, wofür frei-
lich kein Beispiel bis jetzt erhalten ist. Bei den Umsetzungen in die anderen Stoffe2)
1) Zuletzt besprochen von Karo, Jahrb. 1911
S. 265 ff. und Reisinger, Kretische Vasenmalerei 24 ff.,
wo Stein als primäres Material vermutet wird.
-) Für das kostbare, von einem athenischen Grabe
stammende, aus einem Elefantenzahn gearbeitete
Exemplar Sta'is, Collect. mycen. p. 116 n. 2916, ist
noch die bevorstehende Publikation durch Kurt Müller
abzuwarten. Nach einer neuen photographischen Auf-
nahme, die ich der großen Freundlichkeit von Sta'is
verdanke, ist das Stück eine rein ägyptische Arbeit
des Neuen Reiches. Aus dem jetzt dazugefundenen
und wieder angefügten oberen Stück ist das feine
Relief ganz klar geworden. Die „protojonische“
Säule scheidet damit allerdings aus, es ist eine der
üblichen dekorativen ägyptischen Bouqnetsäulen dar-
gestellt. Das athenische Elfenbeinrhyton gehört also
zu einer anderen Kategorie von „Horn“gefäßen,
die auch in ihrem Viertelskreisbogen ihre Herkunft
aus dem großen Stoßzahn des Elefanten nicht ver-
bergen kann.