Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien (16.1913)

Über die Wiederherstellung der Berliner „Polyhymnia“
und das Relief des Archelaos von Priene.

Es ist eine der geläufigsten und
meist gebilligten Hypothesen der antiken
Kunstforschung, daß die ehemals sehr
berühmte Musengruppe, aus der sowohl
der Meister Archelaos von Priene für
den Musenchor seiner Homerapotheose
wie der Meister der Basis von Halikar-
naß für den seinen einen guten Teil ihrer
Vorbilder bezogen haben und von denen
wir eine Reihe von plastischen Einzel¬
gestalten in oft zahlreichen Repliken be¬
sitzen, auf die in Rom bei der Porticus
der Octavia aufgestellte Gruppe des rho-
dischen Meisters Philiskos zurückgeht.
Amelung ist der Begründer dieser Hypo¬
these1)· Es ist sein Verdienst, die Frage
ins Rollen gebracht zu haben, indem er
auf die Zusammenklänge der beiden klein¬
asiatischen Reliefe und auf die plasti¬
schen Gestalten, die mit diesen überein¬
stimmen, hinwies und damit den einheit¬
lichen Teil einer Musengruppe erkannt
hat, die er auf jenes Werk des Philiskos
bezog, den er als einen im zweiten Jahr-
, 9I: Rauchsche Rekonstruktion der Berliner
hundert v. Chr. schäftenden Künstler an- Ώ .
Polyhymnia.
nahm. Seine Begründung, die man, so
lange als kein anderes Zeugnis über diesen Meister vorlag, im wesentlichen gelten
lassen konnte, hatte so viel für sich, daß seine Hypothese nicht nur vollen An-
klang fand, sondern auf Grund derselben andere Forscher weiter bauten. Das
Relief des Archelaos von Priene hat Watzinger in seiner sehr eingehenden,


’) Die Basis des Praxiteles aus Mantinea (München 1895) S. 44 und Anhang: „Über die Musengruppe
des Philiskos von Rhodos“.