2 I I
Edmund Groag, Prosopographische Miszellen
2 I 2
Prosopographische Miszellen.
I. Μ. Ulpius Astius.
Im 32. Bande der Melanges d’archeologie et
d’histoire de l’Ecole de Rome (1912 S. 360 f.) ver-
öffentlichen die Herren Avezou und Picard folgendes
Fragment einer Inschriftplatte aus weißem Marmor,
das in Saloniki gefunden wurde:
ον πρεσβ
Ουλπιον Άσ
Die Herausgeber vermuten, daß [τον άξιολο-
γώτατ]ον πρεσβ[ευτήν | Σεβαστού Μ.] Ουλπιον Ασ-
[τουρνεινον?] zu ergänzen, die Inschrift demnach dem
Legaten von Thrazien Μ. Ulpius Senecio Saturninus
gesetzt sei.
Indes ist wohl nicht anzunehmen, daß auf dem
Denkmal eines römischen Regierungsbeamten gerade
in dem Namen der Persönlichkeit ein Fehler un-
korrigiert geblieben sei. ÄGelmehr ist der Name aller
Wahrscheinlichkeit nach richtig eingemeißelt. Der
einzige uns bekannte Senator der vordiokletianischen
Kaiserzeit, dessen Name sich dann ungezwungen er-
gänzen ließe, ist Μ. Ulpius Astius, der im Jahre 183
als frater Arvalis und praetor in den Protokollen
der Arvalbruderschaft genannt wird (CIL VI 2099,
vgl. 32386). In den Arvalakten des gleichen Jahres
begegnet unter den pueri patrimi et matrimi sena-
torum filii, die den geistlichen Herren assistieren,
ein Μ. Ulpius Boethus (CIL VI 2099 JI 18; ohne
zwingenden Grund wird sein Name auch VI 2IOO a
17 ergänzt). Da diese Knaben häufig Söhne der
Arvalbrüder selbst waren (Wissowa RE II 1471),
liegt die Vermutung nahe, in Boethus den Sohn des
Astius zu erblicken. Sonst besitzen wir kein Zeugnis
über den letzteren. Wie sein Name lehrt, entstammte
er einer neurömischen Familie, die erst von Traian
mit dem Bürgerrecht beschenkt worden war. Man
könnte vermuten, daß der Großvater des Astius ein
FreigelassenerTraians gewesen sei, der in denDiensten
dieses Kaisers zu Ansehen gelangte (Plin. paneg.
88: tu libertis tuis summum quidem honorem . . .
habes, vgl. Hirschfeld V. B.2 476; schon zu Neros
Zeit konnte man sagen: plurimis equitum, plerisque
senatoribus non aliunde originem trahi, Tac. ann.
XIII 27, vgl. Dessau Herrn. XLV 25) —■ der Beiname
Astius = Αστείος ist nach der Zusammenstellung im
Thes. 1. lat. II 985 hauptsächlich bei Sklaven und
Freigelassenen gebräuchlich gewesen. Doch ist nicht
ausgeschlossen, daß Astius in unserem Fall vielmehr
der seltene lateinische Gentilname (Thes. II 952) ist,
den Ulpius als Kognomen führte* 1). Der Name des
Sohnes, Boethus, spricht dafür, daß wir die Heimat
der Familie A^olil im hellenistischen Reichsteile zu
suchen haben; er zeigt zugleich, daß sich Astius
noch immer als Grieche fühlte.
Durch unser Inschriftfragment erfahren wir, daß
Μ. Ulpius Astius Legat des Prokonsuls von Maze-
donien war2): das ist die nächstliegende Annahme,
da kein Grund vorliegt, mit den Herausgebern der
Inschrift das Motiv der Ehrung darin zu suchen, daß
sich ein Legat von Thrazien zufälligerweise in Thessa-
lonike aufgehalten habe.
Demnach ist der Anfang der Inschrift etwa zu
ergänzen: τον άξιολογώτατ]ον πρεσβ[ευτήν καί | αντι-
στράτηγον Μ.] Ουλπιον Ασ[τεΐον etc.].
Wien. EDMUND GROAG
1) In einer Inschrift aus Traiana Augusta, die
dem 3. Jh. angehört (Bull, de corr. hell. VI 183 -
Jirecek, Arch. epigr. Mitth. X 103 = Cagnat IGR
I 760) heißt es: ήγεμονεύοντος της Θρακών έπαρχείας
Φλ. Οΰλπ. Ά . . . ειου πρ[ε]σβ . . Σεβ. αντιστράτηγου;
es läge nahe, Α[στ]είου zu ergänzen und in diesem
Legaten einen Nachkommen unseres Astius zu er¬
kennen, aber die Herausgeber bemerken (Bull. hell,
a. a. O.): apres trois ou quatre lettres indechiffrables,
la fin du nom ειου, mais la lecture est douteuse.
2) Die bisher bekannten Legaten findet man in
der Zeitschrift für Numismatik XXIV 1904, 250 von
Gaebler zusammengestellt.
Edmund Groag, Prosopographische Miszellen
2 I 2
Prosopographische Miszellen.
I. Μ. Ulpius Astius.
Im 32. Bande der Melanges d’archeologie et
d’histoire de l’Ecole de Rome (1912 S. 360 f.) ver-
öffentlichen die Herren Avezou und Picard folgendes
Fragment einer Inschriftplatte aus weißem Marmor,
das in Saloniki gefunden wurde:
ον πρεσβ
Ουλπιον Άσ
Die Herausgeber vermuten, daß [τον άξιολο-
γώτατ]ον πρεσβ[ευτήν | Σεβαστού Μ.] Ουλπιον Ασ-
[τουρνεινον?] zu ergänzen, die Inschrift demnach dem
Legaten von Thrazien Μ. Ulpius Senecio Saturninus
gesetzt sei.
Indes ist wohl nicht anzunehmen, daß auf dem
Denkmal eines römischen Regierungsbeamten gerade
in dem Namen der Persönlichkeit ein Fehler un-
korrigiert geblieben sei. ÄGelmehr ist der Name aller
Wahrscheinlichkeit nach richtig eingemeißelt. Der
einzige uns bekannte Senator der vordiokletianischen
Kaiserzeit, dessen Name sich dann ungezwungen er-
gänzen ließe, ist Μ. Ulpius Astius, der im Jahre 183
als frater Arvalis und praetor in den Protokollen
der Arvalbruderschaft genannt wird (CIL VI 2099,
vgl. 32386). In den Arvalakten des gleichen Jahres
begegnet unter den pueri patrimi et matrimi sena-
torum filii, die den geistlichen Herren assistieren,
ein Μ. Ulpius Boethus (CIL VI 2099 JI 18; ohne
zwingenden Grund wird sein Name auch VI 2IOO a
17 ergänzt). Da diese Knaben häufig Söhne der
Arvalbrüder selbst waren (Wissowa RE II 1471),
liegt die Vermutung nahe, in Boethus den Sohn des
Astius zu erblicken. Sonst besitzen wir kein Zeugnis
über den letzteren. Wie sein Name lehrt, entstammte
er einer neurömischen Familie, die erst von Traian
mit dem Bürgerrecht beschenkt worden war. Man
könnte vermuten, daß der Großvater des Astius ein
FreigelassenerTraians gewesen sei, der in denDiensten
dieses Kaisers zu Ansehen gelangte (Plin. paneg.
88: tu libertis tuis summum quidem honorem . . .
habes, vgl. Hirschfeld V. B.2 476; schon zu Neros
Zeit konnte man sagen: plurimis equitum, plerisque
senatoribus non aliunde originem trahi, Tac. ann.
XIII 27, vgl. Dessau Herrn. XLV 25) —■ der Beiname
Astius = Αστείος ist nach der Zusammenstellung im
Thes. 1. lat. II 985 hauptsächlich bei Sklaven und
Freigelassenen gebräuchlich gewesen. Doch ist nicht
ausgeschlossen, daß Astius in unserem Fall vielmehr
der seltene lateinische Gentilname (Thes. II 952) ist,
den Ulpius als Kognomen führte* 1). Der Name des
Sohnes, Boethus, spricht dafür, daß wir die Heimat
der Familie A^olil im hellenistischen Reichsteile zu
suchen haben; er zeigt zugleich, daß sich Astius
noch immer als Grieche fühlte.
Durch unser Inschriftfragment erfahren wir, daß
Μ. Ulpius Astius Legat des Prokonsuls von Maze-
donien war2): das ist die nächstliegende Annahme,
da kein Grund vorliegt, mit den Herausgebern der
Inschrift das Motiv der Ehrung darin zu suchen, daß
sich ein Legat von Thrazien zufälligerweise in Thessa-
lonike aufgehalten habe.
Demnach ist der Anfang der Inschrift etwa zu
ergänzen: τον άξιολογώτατ]ον πρεσβ[ευτήν καί | αντι-
στράτηγον Μ.] Ουλπιον Ασ[τεΐον etc.].
Wien. EDMUND GROAG
1) In einer Inschrift aus Traiana Augusta, die
dem 3. Jh. angehört (Bull, de corr. hell. VI 183 -
Jirecek, Arch. epigr. Mitth. X 103 = Cagnat IGR
I 760) heißt es: ήγεμονεύοντος της Θρακών έπαρχείας
Φλ. Οΰλπ. Ά . . . ειου πρ[ε]σβ . . Σεβ. αντιστράτηγου;
es läge nahe, Α[στ]είου zu ergänzen und in diesem
Legaten einen Nachkommen unseres Astius zu er¬
kennen, aber die Herausgeber bemerken (Bull. hell,
a. a. O.): apres trois ou quatre lettres indechiffrables,
la fin du nom ειου, mais la lecture est douteuse.
2) Die bisher bekannten Legaten findet man in
der Zeitschrift für Numismatik XXIV 1904, 250 von
Gaebler zusammengestellt.