Margarete Lang
1 52
Pausanias gegebenen Beschreibung zu identifizieren
und sich über die Grenzen der Agora und ihre Anlage
eine bestimmte Vorstellung zu machen. Nach Pausanias
(VI 24, 2) war die Agora von Elis im Gegensatz zu den
Marktplätzen ionischer Städte angelegt, nach älterer
Weise mit Säulenhallen, die durch Straßen voneinander
getrennt waren. Dies ist wohl so aufzufassen, daß
der Markt von Elis — wie wohl auch der in Athen,
Sikyon u. a. O. — nicht nach einheitlichem Plane
eines Architekten erbaut, sondern vielmehr etwas
allmählich gewordenes war, umgeben von Gebäuden
verschiedener Art und verschiedenen Stils, auch
nicht immer mit einheitlicher Baulinie, so daß der
ganze Platz schwerlich die Form eines regelmäßigen
Rechteckes gewonnen haben dürfte.
Athen. OTTO WALTER
Zur mykenischen Tracht.
Die aus verschiedenen Gesichtspunkten vor-
genommenen Untersuchungen über die Beschaffen-
heit und den Ursprung der sog. mykenischen Tracht
hatten mich schon vor einigen Jahren angeregt,
die Lösung der mykenischen Frage von rein prakti-
schem Standpunkte aus und aus dem Gesichtspunkte
der Schneiderei zu prüfen1)· Die Resultate, die sich
daraus für mich ergaben2), führten zu der Vermutung,
daß die Urtracht der mykenischen Kultur das Tier-
fell gewesen sei3). Ich fand seither, teils durch
eigene weitere Beobachtungen4) und praktische Ver-
suche5), teils durch Arbeiten anderer auf diesem
Gebiete, meine Annahme so vielfach bestätigt6), daß
ich mich nun doch veranlaßt fühle, die Ergebnisse
meiner Untersuchungen vorzulegen7).
An einigen der tierfellartig gezeichneten Röcke
am Sarkophage von H. Triada war mir zuerst der
eigentümliche, lose hängende Sitz des Rockes auf-
gefallen8). Hinten und an den Seiten nämlich, wo
der Rock an dem Knochengerüst des menschlichen
Körpers einen festen Halt findet, sitzt er viel höher
als vorn, wo er aus Mangel an Stütze tief unter den
Schluß auf den Unterleib herunterhängt. Daß der
Rock aus schwerem Material und von dem Gürtel
nur lose zusammengehalten sein mußte, um so tief
hinunterzugleiten, ist auf den ersten Blick klar.
Auch muß bei genauer Beobachtung auffallen, daß
das breite Band, das den oberen Abschluß des
Rockes bildet und gewöhnlich als Gürtel aufgefaßt
wird, ganz der Rundung des eng um die Hüften
sich schmiegenden Rockes angepaßt ist und dem
Rocke keinen genügenden Halt bieten kann. Es
scheint gar kein selbständiges Gewandstück, also
kein richtiger Gürtel zu sein und wird wohl nichts
anderes vorstellen als einen breiten Saum, der
ursprünglich von dem oberen Rande des Rockes
nur deshalb umgelegt wurde, um den Körper gegen
die Berührung mit der rauhen, harten Kante des
Tierfelles zu schützen, und auch später, als bei
anderem Material die Notwendigkeit eines solchen
Schutzes entfiel, beibehalten wurde.
Durch diese einfache Form, die sich an vielen
anderen Darstellungen beobachten läßt, sind auch
die anderen, oft komplizierten Rock- und Gürtel-
formen gegeben. Die natürliche Form und Be-
schaffenheit eines größeren Tierfelles führt von selbst
auf die an den Hüften sich anschließende, nach unten
sich mäßig erweiternde, steif abstehende Glocken-
form. An dieser ursprünglichen Form hält man viel-
fach fest, als auch anderes Material, gewebte Stoffe,
in Gebrauch kommen, die der Fasson keinerlei Be-
schränkungen auferlegen und in beliebiger Größe
und Form zugerichtet werden können. Wann diese
Veränderung eintritt, läßt sich nicht annähernd be-
stimmen, da die verschiedenen Formen einander nicht
verdrängen, sondern, wie gerade an dem Sarkophage
r) Den ersten derartigen praktischen Versuch s.
Myre, Brit. Sch. Ann. IX 382.
2) S. Paribeni, Mon. Line. XIX.
3) S. Μ. Lang, Die Frauentracht der mykenischen
Kultur, Arch. Ert. XXII 234—243.
4) Hauptsächlich auf Grund der Studien im
Ashmolean Museum zu Oxford.
5) Die angegebenen Schnittmuster sind alle
praktisch erprobt.
6) Vgl. besonders J. Six, Altgriechische Gewebe-
muster und Webetechnik: Jahresh. XV 104—105.
7) Bei dieser Besprechung habe ich mich auf
die Tracht des gewöhnlichen Lebens beschränkt und
deshalb sowohl die Kriegstracht der Männer als auch
die sicherlich zum Totenkult gehörigen langen, eng-
anliegenden, mantelartigen Gewänder ausgeschlossen.
8) Paribeni, Mon. Line. XIX tav. I (erste Figur
von links aus); tav. II (letzte Figur rechts); Fig. 5·
1 52
Pausanias gegebenen Beschreibung zu identifizieren
und sich über die Grenzen der Agora und ihre Anlage
eine bestimmte Vorstellung zu machen. Nach Pausanias
(VI 24, 2) war die Agora von Elis im Gegensatz zu den
Marktplätzen ionischer Städte angelegt, nach älterer
Weise mit Säulenhallen, die durch Straßen voneinander
getrennt waren. Dies ist wohl so aufzufassen, daß
der Markt von Elis — wie wohl auch der in Athen,
Sikyon u. a. O. — nicht nach einheitlichem Plane
eines Architekten erbaut, sondern vielmehr etwas
allmählich gewordenes war, umgeben von Gebäuden
verschiedener Art und verschiedenen Stils, auch
nicht immer mit einheitlicher Baulinie, so daß der
ganze Platz schwerlich die Form eines regelmäßigen
Rechteckes gewonnen haben dürfte.
Athen. OTTO WALTER
Zur mykenischen Tracht.
Die aus verschiedenen Gesichtspunkten vor-
genommenen Untersuchungen über die Beschaffen-
heit und den Ursprung der sog. mykenischen Tracht
hatten mich schon vor einigen Jahren angeregt,
die Lösung der mykenischen Frage von rein prakti-
schem Standpunkte aus und aus dem Gesichtspunkte
der Schneiderei zu prüfen1)· Die Resultate, die sich
daraus für mich ergaben2), führten zu der Vermutung,
daß die Urtracht der mykenischen Kultur das Tier-
fell gewesen sei3). Ich fand seither, teils durch
eigene weitere Beobachtungen4) und praktische Ver-
suche5), teils durch Arbeiten anderer auf diesem
Gebiete, meine Annahme so vielfach bestätigt6), daß
ich mich nun doch veranlaßt fühle, die Ergebnisse
meiner Untersuchungen vorzulegen7).
An einigen der tierfellartig gezeichneten Röcke
am Sarkophage von H. Triada war mir zuerst der
eigentümliche, lose hängende Sitz des Rockes auf-
gefallen8). Hinten und an den Seiten nämlich, wo
der Rock an dem Knochengerüst des menschlichen
Körpers einen festen Halt findet, sitzt er viel höher
als vorn, wo er aus Mangel an Stütze tief unter den
Schluß auf den Unterleib herunterhängt. Daß der
Rock aus schwerem Material und von dem Gürtel
nur lose zusammengehalten sein mußte, um so tief
hinunterzugleiten, ist auf den ersten Blick klar.
Auch muß bei genauer Beobachtung auffallen, daß
das breite Band, das den oberen Abschluß des
Rockes bildet und gewöhnlich als Gürtel aufgefaßt
wird, ganz der Rundung des eng um die Hüften
sich schmiegenden Rockes angepaßt ist und dem
Rocke keinen genügenden Halt bieten kann. Es
scheint gar kein selbständiges Gewandstück, also
kein richtiger Gürtel zu sein und wird wohl nichts
anderes vorstellen als einen breiten Saum, der
ursprünglich von dem oberen Rande des Rockes
nur deshalb umgelegt wurde, um den Körper gegen
die Berührung mit der rauhen, harten Kante des
Tierfelles zu schützen, und auch später, als bei
anderem Material die Notwendigkeit eines solchen
Schutzes entfiel, beibehalten wurde.
Durch diese einfache Form, die sich an vielen
anderen Darstellungen beobachten läßt, sind auch
die anderen, oft komplizierten Rock- und Gürtel-
formen gegeben. Die natürliche Form und Be-
schaffenheit eines größeren Tierfelles führt von selbst
auf die an den Hüften sich anschließende, nach unten
sich mäßig erweiternde, steif abstehende Glocken-
form. An dieser ursprünglichen Form hält man viel-
fach fest, als auch anderes Material, gewebte Stoffe,
in Gebrauch kommen, die der Fasson keinerlei Be-
schränkungen auferlegen und in beliebiger Größe
und Form zugerichtet werden können. Wann diese
Veränderung eintritt, läßt sich nicht annähernd be-
stimmen, da die verschiedenen Formen einander nicht
verdrängen, sondern, wie gerade an dem Sarkophage
r) Den ersten derartigen praktischen Versuch s.
Myre, Brit. Sch. Ann. IX 382.
2) S. Paribeni, Mon. Line. XIX.
3) S. Μ. Lang, Die Frauentracht der mykenischen
Kultur, Arch. Ert. XXII 234—243.
4) Hauptsächlich auf Grund der Studien im
Ashmolean Museum zu Oxford.
5) Die angegebenen Schnittmuster sind alle
praktisch erprobt.
6) Vgl. besonders J. Six, Altgriechische Gewebe-
muster und Webetechnik: Jahresh. XV 104—105.
7) Bei dieser Besprechung habe ich mich auf
die Tracht des gewöhnlichen Lebens beschränkt und
deshalb sowohl die Kriegstracht der Männer als auch
die sicherlich zum Totenkult gehörigen langen, eng-
anliegenden, mantelartigen Gewänder ausgeschlossen.
8) Paribeni, Mon. Line. XIX tav. I (erste Figur
von links aus); tav. II (letzte Figur rechts); Fig. 5·