Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 16.1913

DOI Heft:
Beiblatt
DOI Artikel:
Keil, Josef: Altionische Stelenbekrönungen aus der Erythraia
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.45419#0313

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Altionische Stelenbekrönungen aus der Erythraia.

In teilweiser Erfüllung eines früher gegebenen
Versprechens1) lege ich heute ein Monument im
Bilde vor (Fig. 20), das zu einer von mir signali-
sierten Gruppe sehr eigenartiger Denkmäler alt-
ionischer Kunst gehört. Es ist der von mir bereits
erwähnte2) Block roten Trachvts, der im Hofe des
(jetzt verstorbenen) Mustafa Mutafi in Usun Kuju,

20: Dorische Stelenbekrönung.


also im Herzen der erythräischen Halbinsel, auf-
bewahrt wird. Er hat die Form eines umgekehrten
Pyramidenstumpfes von o’6om Höhe, dessen be-
stoßene Grundfläche ein Rechteck von annähernd
°'33 X O’28m bildet, während die obere Fläche
O'63XO’55m mißt. Diese sowie eine breitere und
die beiden schmäleren trapezförmigen Seitenflächen
sind ohne Schmuck, aber sorgfältigst geglättet. Die
untere Standfläche konnte ich nicht untersuchen.
Das außerordentlich fein und sauber ausgearbeitete

Relief der Vorderseite zeigt einen Blattstab (Eierstab)
mit ungewöhnlich schmalen, unten spitz zulaufenden
Blättern über einer von einem Perlstab umrahmten
Trapezfläche, deren untere Schmalseite eine auf-
steigende Palmette einnimmt, während eine Kette
aus kleineren und größeren Lotosblüten3) die übrigen
Seiten umzieht und kleinere Palmetten die oberen
Ecken füllen.
Mit dem hier abgebildeten ist das von mir unter
e genannte Fragment aus Kara Kjöi nahe verwandt.
Ein fast genau gleichartiges Stück — ich bezeichne
es in Fortsetzung meiner Liste mit g — fand ich,
teilweise mit Kalktünche verschmiert, in der gegen
die Straße gekehrten Hausmauer des Michail Rigas
in Lythri. Ein Vergleich des neuen Typus mit dem
Blocke aus der Ruinenstätte bei Sseradam, den ich
hier (Fig. 21) nochmals abbilde, ist ungemein interes-
sant. Während dort über ein paar Lotosblüten eine
wuchtige Palmette emporsteigt und die ganze zur Ver-
fügung stehende Fläche des Steins mit ihren kräf-
tigen Windungen ausfüllt, ja zu sprengen droht, ist
die Palmette hier zu dem gar nicht besonders her-
vortretenden Schmuck einer Schmalseite des Trapezes
zusammengeschrumpft, dessen andere Seiten die
selbständiger gewordene Lotoskette gefällig umzieht.
Während dort die Palmette das Primäre, der Stein-
block nur das Mittel ist, sie in Wirklichkeit umzu-
setzen, ist hier die überlieferte Steinform das Gegebene
und die Aufgabe des Künstlers nur mehr die, diese
gefällig zu dekorieren. Es kann wohl kein Zweifel
sein, daß der neue Typus der jüngere ist. Bei einem
Versuche, ihn zu datieren, wird man mit der Mög-
lichkeit rechnen müssen, daß bei einer handwerks-
mäßig hergestellten Klasse von Denkmälern ältere
Vorbilder auch dann noch genau kopiert wurden,
als die freie Kunstübung bereits neue Ausdrucks-
weisen gefunden hatte. Schwerlich wird man ihn
jedoch für jünger halten als das Ende des VI. Jhs.
v. Chr.

x) Jahreshefte XV 1912 Beibl. 66.
2) Ebenda S. 65 b.
3) Genaues Zusehen lehrt, daß wir nicht die
übliche aus alternierenden offenen Blüten und ge-
schlossenen Knospen bestehende Lotoskette, die auch
an der Stelenbekrönung Fig. 21 verwendet wird,

sondern eine solche aus kleineren und größeren
Blüten vor uns haben. Ein Beispiel derselben aus
der Vasenmalerei, das mir gerade zur Hand ist,
findet sich auf dem Halse einer rhodischcn Hydria
des Britischen Museums, die Perrot-Chipiez, Histoire
de l’art IX 505 Fig. 249 abbildet.
 
Annotationen