f. Keil, Altionische Stelenbekrönungen aus der Erythraia
6o
2i: Stelenbekrönung aus Porphyr.
Die Frage nach der einstigen Verwendung
unserer Blöcke ist noch durch keinen Fund zur
Entscheidung gebracht worden. Unmöglich richtig
ist jedenfalls die mir von befreundeter Seite ge-
äußerte Vermutung, daß sie umgekehrt auf der breiteren
Rechtecksfläche aufgestellt gewesen wären, weil diese
Fläche stets so sorgfältig geglättet ist, daß sie nur
freigestanden und keineswegs auf einer Unterlage
aufgeruht haben kann. Zu den Blöcken a, b, d, e,
f, bei welchen die obere Fläche sichtbar ist, kommen
jetzt noch zwei weitere hinzu. Der eine (7z) steht
bei der Eingangstür einer kleinen Kirche an der
Straßensteile nördlich vom Alissar Gjöl, ist ohne
Reliefschmuck und etwa4) o'6om hoch. Seine völlig
glatte obere Fläche mißt O'JO X O‘4Om, die gerauhte
untere Fläche nur 0^23 X O’lß“. Von dem zweiten
(z), der innerhalb des Stadtgebietes von Erythrai in
einer modernen Trockenmauer steckt (etwa 6 Minuten
nordöstlich vom Theater), ist nur die gleichfalls aufs
sorgfältigste geglättete obere Fläche (o'jbj X O‘43ni
messend) mit kleinen Teilen der Trapezilächen zu
sehen. Die große Häufigkeit und weite Verbreitung
des Typus über die ganze erythräischc Landschaft
scheint mir meine ursprüngliche Annahme, daß es
sich um Bekrönungen von Grabstelen handelt, sehr
zu begünstigen.
Smyrna. JOSEF KEIL
Gefesselte Hera.
Die archaische Kunst weicht in ihrem Streben
nach möglichster Deutlichkeit manchmal nicht un-
wesentlich von dem ab, was wir nach den literarischen
Quellen erwarten würden. Ein besonders charakte-
ristisches Beispiel dafür bietet die Francoisvase in
der Szene mit Hephästos’ Rückführung, ein Beispiel,
das bekannt gemacht zu werden verdient, da es bis-
her gänzlich unbeachtet geblieben ist.
Die gesamte erhaltene literarische Überlieferung
weiß nur von δεσμοί αφανείς, mit denen der erzürnte
Hephästos seine Mutter an den Zauberthron gefesselt
habe. So stellt es auch die reife Kunst dar
auf dem schönen Bologneser Krater phidiasischen
Stils Ant. Denkm. I, 36: Hera thront steif, unbe-
weglich, in schleierartige Gewänder eingehüllt bis
zum Kinn: nirgends aber eine Spur von Fesseln.
Anders der Meister der Fran^oisvase. Nach der
neuen genauen Zeichnung K. Reichhold’s (Griech.
Vasenmalerei I T. 12, unsere Fig. 22) hat er die Fes-
selung Heras auf dem Thron so deutlich gemacht, daß
es nur durch diebisherigeallgemeine Voreingenommen-
heit, Hera müsse mit unsichtbaren Banden gefesselt sein,
erklärlich ist, wie dies Faktum selbst von Furtwängler
und allen, auch vor dem Originale in Florenz, bisher
hat übersehen werden können. Zwar nicht von Reich-
hold, der sich aber das Därgestellte nicht zu deuten
wußte. Er teilt mir auf meine briefliche Anfrage
darüber soeben folgendes mit: „Ich kann mich lebhaft
an die Stelle erinnern, da ich sehr lange an ihr
herumstudiert habe. Ich wußte nämlich nicht, was
ich aus dem Ding machen sollte. Eine Verzierung
der Stuhllehne? Dafür war mir die Verbindung mit
dem Stuhle zu wenig organisch. Und doch blieb mir,
da ich keinen andern Ausweg fand, nichts andres
4) Durch ein Versehen vergaß ich, die von mir gemessene Höhe des Blockes zu notieren.
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2i: Stelenbekrönung aus Porphyr.
Die Frage nach der einstigen Verwendung
unserer Blöcke ist noch durch keinen Fund zur
Entscheidung gebracht worden. Unmöglich richtig
ist jedenfalls die mir von befreundeter Seite ge-
äußerte Vermutung, daß sie umgekehrt auf der breiteren
Rechtecksfläche aufgestellt gewesen wären, weil diese
Fläche stets so sorgfältig geglättet ist, daß sie nur
freigestanden und keineswegs auf einer Unterlage
aufgeruht haben kann. Zu den Blöcken a, b, d, e,
f, bei welchen die obere Fläche sichtbar ist, kommen
jetzt noch zwei weitere hinzu. Der eine (7z) steht
bei der Eingangstür einer kleinen Kirche an der
Straßensteile nördlich vom Alissar Gjöl, ist ohne
Reliefschmuck und etwa4) o'6om hoch. Seine völlig
glatte obere Fläche mißt O'JO X O‘4Om, die gerauhte
untere Fläche nur 0^23 X O’lß“. Von dem zweiten
(z), der innerhalb des Stadtgebietes von Erythrai in
einer modernen Trockenmauer steckt (etwa 6 Minuten
nordöstlich vom Theater), ist nur die gleichfalls aufs
sorgfältigste geglättete obere Fläche (o'jbj X O‘43ni
messend) mit kleinen Teilen der Trapezilächen zu
sehen. Die große Häufigkeit und weite Verbreitung
des Typus über die ganze erythräischc Landschaft
scheint mir meine ursprüngliche Annahme, daß es
sich um Bekrönungen von Grabstelen handelt, sehr
zu begünstigen.
Smyrna. JOSEF KEIL
Gefesselte Hera.
Die archaische Kunst weicht in ihrem Streben
nach möglichster Deutlichkeit manchmal nicht un-
wesentlich von dem ab, was wir nach den literarischen
Quellen erwarten würden. Ein besonders charakte-
ristisches Beispiel dafür bietet die Francoisvase in
der Szene mit Hephästos’ Rückführung, ein Beispiel,
das bekannt gemacht zu werden verdient, da es bis-
her gänzlich unbeachtet geblieben ist.
Die gesamte erhaltene literarische Überlieferung
weiß nur von δεσμοί αφανείς, mit denen der erzürnte
Hephästos seine Mutter an den Zauberthron gefesselt
habe. So stellt es auch die reife Kunst dar
auf dem schönen Bologneser Krater phidiasischen
Stils Ant. Denkm. I, 36: Hera thront steif, unbe-
weglich, in schleierartige Gewänder eingehüllt bis
zum Kinn: nirgends aber eine Spur von Fesseln.
Anders der Meister der Fran^oisvase. Nach der
neuen genauen Zeichnung K. Reichhold’s (Griech.
Vasenmalerei I T. 12, unsere Fig. 22) hat er die Fes-
selung Heras auf dem Thron so deutlich gemacht, daß
es nur durch diebisherigeallgemeine Voreingenommen-
heit, Hera müsse mit unsichtbaren Banden gefesselt sein,
erklärlich ist, wie dies Faktum selbst von Furtwängler
und allen, auch vor dem Originale in Florenz, bisher
hat übersehen werden können. Zwar nicht von Reich-
hold, der sich aber das Därgestellte nicht zu deuten
wußte. Er teilt mir auf meine briefliche Anfrage
darüber soeben folgendes mit: „Ich kann mich lebhaft
an die Stelle erinnern, da ich sehr lange an ihr
herumstudiert habe. Ich wußte nämlich nicht, was
ich aus dem Ding machen sollte. Eine Verzierung
der Stuhllehne? Dafür war mir die Verbindung mit
dem Stuhle zu wenig organisch. Und doch blieb mir,
da ich keinen andern Ausweg fand, nichts andres
4) Durch ein Versehen vergaß ich, die von mir gemessene Höhe des Blockes zu notieren.