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Petersen, Eugen; Niemann, George [Hrsg.]
Ara Pacis Augustae: [Textband] — Wien, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.9308#0121

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109

Doch zu viele Worte schon sind diesen Möglichkeiten gegönnt; kommen
wir von den Privaten, die in den Gründungsacten (S. 4) der Ära Pacis begreif-
licherweise nicht erwähnt werden, zu den amtlich berufenen Theilnehmern der

zu glauben; auch werden ja S. 86 Ungenauigkeiten in
der Darstellung der Schuhe ausdrücklich zugegeben.
Idealisiert ist das Porträt des Augustus R. 9, der
Eigenwert individueller Gesichtszüge auch sonst ge-
mildert, so dass sie in der Geschlossenheit des Ge-
sammtvortrages durchweg bescheiden wirken; unter-
drückt sind sie bei den Frauen, die fast nur nach
der Stelle, die sie im Friese einnehmen, nach Tracht,
Bewegung und sprechenden Compositionsbezügen
Deutungen erlauben. Kurz überall und durchaus ist
das gerade Gegentheil von ängstlicher Bedachtnahme
auf äußerliche Treue zu verspüren. Und in welche
Höhe hatte der Bildner das Werk dadurch erhoben,
dass er unvermittelt auf dem gleichen Boden und in
gleicher menschlicher Erscheinung Göttergestalten in
den irdischen Hergang einflocht. Wie hätte er danach
Abgeschiedene ausschließen dürfen, wenn sie ein
Recht auf Gegenwart besaßen, etwa einen Divus,
den die Pietät des Stifters bei diesem Anlass sich
ins Gedächtnis rief und nun auch im Bilde nicht
entbehren mochte. Geschichtliche Zustände und Er-
eignisse, die zu symbolischer Behandlung einluden,
wurden in hoher Kunst nie mit einer Strenge ver-
gegenwärtigt, die sich im einzelnen an chronologische
Richtigkeiten band, und auch der vorliegende Fries,
der gewiss nicht bloß für uns ein Höchstes seiner
Zeit bezeichnet, darf nur, soweit er als Kunstwerk es
will und vermag, für eine historische Urkunde gelten."

„Sehr glücklich wurde gezeigt, wie das Bild der
rechten Seitenwand, das die Hauptaccente der Hand-
lung trägt, sich von linksher in drei Gruppen gliedert:
eine volkliche, die gleichsam eine Gassenfront von
Zuschauern bildet (1—5); eine amtliche mit Augustus,
den Consuln, Lictoren und Priestern (6—18); eine
höfische mit der breit sich entwickelnden kaiserlichen
Familie (22 — 39). In der letzteren tritt nun an erster
Stelle wie eine Göttin die Gestalt einer Frau auf (24),
die in der Weise ihres Stehens und ihrer Bewegung,
namentlich mit der ausdrucksvollen Neigung und
Wendung des Hauptes, ein vollendetes Gegenstück
zu der Figur des Augustus (9) bildet, an bekannte
Idealbildnisse der Livia erinnert und demnach diese
selbst ist. An zweiter Stelle neben ihr steht dann,
am Gesicht nach dem charakteristischen Bau von
Kinn, Backen und Stirn kenntlich und auch von
anderen, mit diesen Interpretationsfragen noch Un-

vertrauten sofort erkannt, als jugendlicher Mann ihr
Sohn Tiberius (26). Weiterhin nach rechts scheinen
sich in mehr oder minder deutlichen Bezügen Namen
zu empfehlen, in deren Begründung ich mich indessen
nicht verlieren will; erwähnt sei nur, dass R. von
Schneider mit dem im Hintergrunde angebrachten
geistvollen Kahlkopf (36) den Dioskuridesstein des
Maecenas verglich. Es genügt hier, dass jene beiden
von selbst sich darbietenden Namen, Livia und
Tiberius, an dieser ihrer Stelle der nächsten, künst-
lerisch wie historisch berechtigten Erwartung ent-
sprechen, um einen weiteren Namen zu gewinnen,
auf den es wohl vor allem ankommt. Ich meine die
zwischen die amtliche und die höfische Gruppe ein-
geschobene, doch von beiden bedeutend isolierte
Figur des ,Alten' mit dem ernsten, tiefgefurchten
Gesicht, die in ihrer feierlichen Größe, wenn man
den Wandfries im ganzen überläuft, fühlbar die Haupt-
gestalt ist. Nicht umsonst kann sie, den Blick auf
Augustus gerichtet, wie ein Ahnherr an der Spitze
der kaiserlichen Familie stehen, nicht umsonst, was
Petersen nicht entgieng, in ihrer lässigen, fast müden
Haltung, auch als der im Friese allein verhüllte Mann,
dem Bilde eines Abgeschiedenen gleichen. Mit
Agrippa aber, dessen trotziges Antlitz und herculi-
schen Körperbau wir aus vorzüglichen Bildnissen
kennen, hat diese Erscheinung nichts zu thun. Die
Gesichtsformen sprechen klar; wie schon F. von Duhn
bemerkte und die Kennerschaft Julius Friedländers
bestätigte, sind es die Züge Caesars. Ich brauche
nicht zu entwickeln, welche Tiefe das Bild durch diesen
historischen Gedanken erhält. Der Friede ist durch
den Principat gesichert, der Principat in auf- wie
absteigender Linie durch das Haus des Augustus,
der als Divi f. das Lebenswerk Caesars vollendete."

„Den Mantel Caesars hat ein wie zugehörig sich
anschmiegender Knabe (22) erfasst, auf dessen Kopf
eine Frau im Hintergrunde (23) mütterlich die Hand
legt. Das Bildwerk müsste ins Blaue phantasieren,
wenn diese schöne und zugleich schlichte Formen-
sprache auf todte Phrasen hinausliefe. Doch ich
breche ab und will nicht durch Vermuthungen, die
hier auf minder Sicheres führen, das Vornehmste
und Wichtigste beeinträchtigen, was meines Bedünkens
unzweifelhaft der Augenschein lehrt, die Anwesenheit
Caesars."
 
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