Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Petersen, Eugen; Niemann, George [Hrsg.]
Ara Pacis Augustae: [Textband] — Wien, 1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9308#0177

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
[65

und wirklichem Gewächs angenähert war. Das andere ist eine unmittelbare
Hingabe an die Natur, der Versuch, noch weit energischer das stilisierte Kunst-
gewächs zu einem natürlichen umzubilden oder mit getreulich nach der Wirk-
lichkeit wiedergegebenem zu verquicken.1)

Auf das Stilisierte braucht nicht hingewiesen zu werden; was sich dem
Auge eher entzieht, sind die trotz aller Phantastik an wirkliche Pflanzen ge-
mahnenden Züge: die mit unregelmäi3igen Krümmungen aufsteigenden nicht-
centralen Blütenstile; die an langen, fadendünnen Stengeln hängenden Blüten,
die, wo sie nicht der Flächenfüllung zuliebe sich frei tragen müssen, über stärkere
Zweige gelegt sind; die mannigfaltigen Formen der Blüten und besonders ihre
freien Drehungen und Biegungen aufwärts, abwärts, nach vorn schräg oder grad
sich öffnend oder zum Grunde abgekehrt. Eine naturwahre Einlage und symbolisch
zugleich waren die Lorbeerkränze (S. 24). Das Merkwürdigste dieser Art ist die
kleine blühende Winde, die, man weiß nicht woher, wie ein Parasit plötzlich sich
um den starken Rankenstengel von Block C (Fig. 13) windet. Da ist Phantastik
und Wirklichkeitsbild greifbar ineinander geschlungen.

9. Der Parthenonsfries als Vorbild.

Die Anordnung der Festzüge im Friese hat aber, auch abgesehen von dem
S. 153 ff. entwickelten Gesichtspunkt, eine weit zurückreichende Vorgeschichte. .Sie
ist zweifellos durch das große, schon mehrfach genannte Vorbild des Parthenons-
frieses angeregt. Nicht in unfreiem Geiste aber ist der Künstler ihm gefolgt,
sondern mit Geschick hat er der Gliederung des Baues seine Ideen eingefügt,
kaum größer, wenn er die Architekturform selbst erdachte, als wenn er sich einer
gegebenen anpasste.

Am Parthenon umschlang der Fries wie ein Band das ganze Tempelhaus
innerhalb der Ringhalle. An keiner Stelle unterbrach ein architektonisches Glied
den Festzug, der als ein doppelter, d. h. zweimal wesentlich derselbe, von der
Hinterseite des Tempels her an beiden Langseiten herumgeführt war. Weil der
Tempel seine Rückseite dem Burgeingang zukehrte, sollte der Zug zuletzt an
der Frontseite anlangen und dort haltmachen. An der Hinterseite also spaltete
er sich, doch nicht in der Mitte, sondern das Auseinandergehen verbirgt sich
an der Südwestecke des Tempelhauses. Vorne dagegen ist die Doppelung offen
vor Augen gestellt und in genialer Weise zu einer symmetrischen Composition

Beide Richtungen sind scharf gegeneinander gestellt in Wickhoffs Studie.
 
Annotationen